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Auf einhellige Zustimmung der Sachverständigen ist am Montag, 5. Mai 2014, der Plan der Koalitionsfraktionen gestoßen, eingetragenen Lebenspartnerschaften das Recht zur "Sukzessivadoption" zuzugestehen: Laut einem Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD (18/841) sollen Lesben und Schwule ein Kind auch dann adoptieren können, wenn es vom jeweiligen Partner zuvor bereits adoptiert worden ist. Darüber hinaus plädierte ein Teil der Experten in einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses unter Vorsitz von Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) für eine Gesetzesvorlage der Grünen (18/577 neu), die gleichgeschlechtlichen Paaren auch die gemeinsame Adoption eines Kindes einräumen will.
Der Anhörung lag zudem ein Gesetzentwurf (18/842) zugrunde, mit dem die Grünen auf die Ratifizierung des Europaratsvertrags über die Adoption von Kindern in seiner 2008 revidierten Version dringen: Dieses Straßburger Abkommen gestattet den Mitgliedsnationen des Staatenbundes, homosexuellen Partnerschaften sowohl Sukzessiv- wie gemeinschaftliche Adoptionen zu ermöglichen, verpflichtet die 47 Länder aber nicht zu diesem Schritt.
In mündlichen Erklärungen und schriftlichen Stellungnahmen erörterten die Sachverständigen vor allem das Für und Wider gemeinschaftlicher Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare. Die Sachverständige Jacqueline Kauermann-Walter schlug eine Bresche für die Sukzessivadoption. Bei Adoptionen müsse stets das Kindeswohl im Vordergrund stehen, unterstrich die Vertreterin des Sozialdiensts katholischer Frauen, die "sexuelle Lebensform" der Eltern spiele hingegen keine Rolle.
Die Sukzessivadoption stelle für das betreffende Kind auch rechtlich die Verantwortung beider Elternteile sicher, mit denen es bereits zusammenlebe. Insofern sei diese Form der Adoption für Lebenspartnerschaften "aus der Sicht des Kindeswohls zweifelsfrei geboten".
Die Rechtsprofessoren Dr. Bernd Grzeszick (Heidelberg) und Dr. Arnd Uhle (TU Dresden) betonten übereinstimmend, dass sich aus dem Urteil des Verfassungsgerichts vom Februar 2013, das die Einführung des Rechts auf Sukzessivadoptionen für homosexuelle Paare gefordert hatte, keine Verpflichtung ableiten lasse, solchen Partnerschaften auch die gemeinschaftliche Adoption zu gestatten.
Aus Sicht der Wissenschaftler kann man die beiden Varianten der Adoption nicht gleichsetzen, weshalb Karlsruhe die Sukzessivadoption als "Sonderfall" eingestuft habe, sagte Uhle. In diesem Fall lebe ein Kind bereits mit beiden Elternteilen zusammen, erläuterten die Professoren, und in einer solchen Situation könne eine Sukzessivadoption die familiäre Bindung fördern, zumal dem Kind dadurch Vorteile beim Unterhalt und beim Erbrecht erwüchsen.
Bei einer gemeinsamen Adoption gelange dagegen ein bis dahin fremdes Kind erstmals in eine Partnerschaft, weswegen sich die Bindungen zu den neuen Eltern erst noch entwickeln müssten. Laut Uhle fehlen zur Klärung der Frage, welche Folgen gemeinsame Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare für Kinder haben, bislang zuverlässige Studien.
Die Rechtsprofessorin Dr. Frauke Brosius-Gersdorf (Hannover) monierte, dass der Gesetzentwurf von Union und SPD Lebenspartnerschaften wegen der Verweigerung des Rechts auf gemeinsame Adoptionen weiterhin diskriminiere. Formal befasse sich das Karlsruher Urteil zwar nur mit der Sukzessivadoption, die inhaltlichen Erwägungen dieser Entscheidung liefen jedoch auf die volle Gleichbehandlung von Ehepaaren und homosexuellen Partnerschaften hinaus.
Insofern nannte die Wissenschaftlerin die Vorlage der Koalition einen "Verfassungsverstoß". Die Sachverständige Dr. Isabell Götz meinte, ihr falle kein Grund ein, der für eine Differenzierung zwischen einer Sukzessiv- und einer gemeinschaftlichen Adoption bei Lesben und Schwulen spreche.
Die Richterin am Oberlandesgericht München gab sich überzeugt, dass Karlsruhe auch noch das Verbot der gemeinschaftlichen Adoption bei Lebenspartnerschaften "kippen wird". Der Gesetzgeber solle diesem Schritt zuvorkommen und beide Formen der Adoption "im "Gleichlauf regeln".
Henriette Katzenstein argumentierte, eine Sukzessivadoption sei dann sinnvoll, wenn ein Kind von einem Elternteil bereits in die Partnerschaft mit eingebracht werde. Ansonsten aber sei diese oft langwierige Variante der Adoption für Eltern wie Kinder belastender als eine gemeinschaftliche Adoption, erklärte die Vertreterin des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht.
Constanze Körner kritisierte, dass durch die Weigerung, auch Lesben und Schwulen gemeinschaftliche Adoptionen zu ermöglichen, die Diskriminierung von Lebenspartnern weiterhin in Kauf genommen werde. Beim Kindeswohl komme es nicht auf das Geschlecht der Eltern, sondern auf die Qualität der Beziehung an, sagte die Leiterin des Berliner Regenbogenfamilienzentrums. (kos/05.05.2014)