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Das Thema Ghetto-Renten hat den Bundestag bereits vergangene Wahlperiode beschäftigt, als Initiativen der damaligen Opposition scheiterten. Jetzt hat die Bundesregierung selbst einen Gesetzentwurf vorgelegt, den der Bundestag am Freitag, 9. Mai 2014, in erster Lesung berät. Es handelt sich dabei um einen Gesetzentwurf "zur Änderung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto" (18/1308). Die 45-minütige Debatte beginnt gegen 13.15 Uhr.
Die Debatte wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Auf der Grundlage eines Urteils des Bundessozialgerichts vom 18. Juni 1997 hatte der Bundestag 2002 das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto beschlossen. Es regelt die Anerkennung von Beitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung, die Verfolgte des NS-Regimes während des Zweiten Weltkrieges in einem unter NS-Herrschaft eingerichtetn Ghetto ausgeübt haben. Das Gesetz enthält ferner Regelung zur rentenberechnung und zur Zahlung dieser Renten in das Ausland.
Nach diesem Gesetz ergibt sich ein frühestmöglicher Rentenbeginn am 1. Juli 1997, wenn bis zum 30. Juni 2003 ein Rentenantrag gestellt wurde. Rund 90 Prozent der Rentenanträge nach diesem Gesetz wurden jedoch abgelehnt, weil die Betroffenen nicht nachweisen oder glaubhaft machen konnten, dass ihre Beschäftigung im Ghetto freiwillig war und bezahlt wurde. Ansonsten wäre es Zwangsarbeit gewesen, für die keine Rente, sondern eine Entschädigung von der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" gezahlt wird.
Das Bundessozialgericht hatte im Juni 2009 seine enge Rechtsauslegung in dieser Frage aufgegeben und neue Leitlinien zu den Kriterien Friwilligkeit und Entgelt aufgestellt. Daraufhin hatten die Träger der Rentenversicherung alle seitherigen Ablehnungsbescheide überprüft mit der Folge, dass in mehr als der Hälfte der Fälle nachträglich eine Rente bewilligt werden konnte.
Auf diese nachträglich bewilligten Fälle wurde die vierjährige Rückwirkungsfrist aus dem Zehnten Buch des Sozialgesetzbuchs (Paragraf 44 Absatz 4) angewendet. Die Renten wurden damit nicht ab dem Juli 1997 gezahlt, sondern regelmäßig erst ab Januar 2005. Für jedes Jahr, in dem die Rente nach dem 65. Geburtstag nicht bezogen wurde, gab es einen jährlichen Zuschalg von sechs Prozent. Für die nachträglich bewilligten Renten kamen zusätzliche Zuschläge für in der Regel siebeneinhalb Jahre (1. Juli 1997 bis 31. Dezember 2004) hinzu, in denen die Rente nicht gezahlt wurde.
Trotz dieser hohen Zuschläge hatten die Empfänger den späteren Rentenbeginn als ungerecht empfunden. Das Arbeits- und Sozialministerium schlägt nun vor, dass künftig auch die nachträglich nur für vier Jahre rückwirkend bewilligten Renten auf Antrag bereits ab Juli 1997 ausgezahlt werden können – dann allerdings ohne die entspechenden Zuschläge.
Um Ungleichbehandlungen zu vemreiden, will die Regierung auch denjenigen, die wegen der jahrelangen restriktiven Bewilligungspraxis einen Antrag auf eine Rente nicht innerhalb der Frist bis 30. Juni 2003 gestellt oder ihren Antrag wieder zurückgenommen hatten, ihre Rente rückwirkend ab Juli 1997 auszahlen, wenn die erforderlichen Voraussetzungen vorliegen.
Der Gesetzentwurf regelt, dass die Antragsfrist 30. Juni 2003 entfällt und die Anwendbarkeit der vierjährigen Rückwirkungsfrist auf Renten nach diesem Gesetz ausgeschlossen wird. Allen Berechtigten, deren Rente erst mit einem späteren Rentenbeginn als Juli 1997 bewilligt wurde, wird ein "Recht auf Neufeststellung" eingeräumt, sodass die Rente ab einem früheren Zeitpunkt, frühestens ab 1. Juli 1997, gezahlt werden kann. (vom/07.05.2014)