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Schüler, Rentner, ausländische Touristen – rund 8.000 Menschen besuchen den Deutschen Bundestag täglich, vor allem um von der gläsernen Kuppel des Reichstagsgebäudes einen Blick auf Berlin zu werfen. Auch an diesem Julimorgen warten die Gäste am Platz der Republik wieder geduldig vor dem beigefarbenen Container an, der seit einer Terrordrohung im Herbst 2010 als provisorischer Eingangsbereich des Reichstagsgebäudes dient. Vorher fanden die Sicherheitskontrollen im Reichstagsgebäude statt, doch seit nun fast vier Jahren durchsucht das Sicherheitspersonal hier Besucher für Besucher mit dem Metalldetektor. Jacken und Taschen werden extra durchleuchtet, notfalls geöffnet und per Hand überprüft.
Eine leider notwendige Vorsichtsmaßnahme: „Verstöße gegen das Waffen- oder Betäubungsmittelgesetz registrieren wir hier fast täglich“, sagt Polizeihauptkommissar Volker Harms und meint damit Springmesser, Reizstoffsprühgeräte – im Volksmund auch Pfefferspray genannt –, Schlagringe und sogar japanische Wurfsterne, die sich immer wieder im Gepäck der Besucher finden lassen.
Der 41-Jährige muss es wissen. Seit 18 Jahren ist er einer von rund 180 Bundestagspolizisten, deren Aufgabe es ist, für Sicherheit und Ordnung im Parlament zu sorgen.
Von der Bundespolizei war der gebürtige Niedersachse 1996 zur Polizei beim Deutschen Bundestag – wie die Bundestagspolizei offiziell heißt – gewechselt. Seit dem Umzug des Parlaments vom Rhein an die Spree vor 15 Jahren ist er in Berlin tätig und leitet eine der fünf Dienstgruppen des Polizeivollzugsdienstes, der zum Referat „Polizei und Sicherungsaufgaben“ innerhalb der Bundestagsverwaltung gehört.
Insgesamt 350 Menschen arbeiten hier: Neben dem Polizeivollzugsdienst – sozusagen der „Bundestags-Schutzpolizei“, für die auch Volker Harms tätig ist – gibt es die Einlasskontrolle in den Pforten, die Zentrale Ausweisstelle – die die Hausausweise für den Zutritt in die Häuser erteilt – und nicht zuletzt den Ermittlungsdienst, die Kriminalbeamten des Referats.
Wenn etwa Abgeordnete Drohbriefe erhalten oder Hacker das Computernetzwerk des Bundestages angreifen, oder auch Straftaten im Polizeibezirk Bundestag begangen werden, führt dieser die Ermittlungen und trifft die erforderlichen strafprozessualen Maßnahmen, bis die Ermittlungsergebnisse an die zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben werden.
Trotz ihrer Eigenständigkeit arbeitet die Bundestagspolizei mit der Landes- und auch in einzelnen Fällen mit der Bundespolizei eng zusammen. Der Einsatzbereich der Bundestagspolizei erstreckt sich zwar über verschiedene Liegenschaften – darunter auch der Deutsche Dom mit der parlamentshistorischen Ausstellung –, ist aber im Prinzip nur auf deren Inneres beschränkt.
Gebäudefluchten gehören dazu, doch anschließende Gehwege oder Straßen liegen wiederum im Zuständigkeitsbereich der Landespolizei. Wo genau die Grenzen verlaufen, ist für den Normalbürger nicht zu erkennen, die Bundestagspolizei weiß es natürlich genau: „Am Eingang West des Reichstagsgebäudes endet unser Bereich zum Beispiel unterhalb der Stufen“, erläutert Harms. „Für die angrenzende Rasenfläche auf dem Platz der Republik ist die Berliner Landespolizei zuständig.“
Doch schon allein aufgrund der häufigen Staatsbesuche im Bundestag, für die ein paralleler Einsatz von Bundeskriminalamt, Bundespolizei, Landes- und Bundestagspolizei notwendig ist, verstehe sich eine enge Kooperation von selbst, so der Hauptkommissar.
Auch die fortwährend angespannte Sicherheitslage erfordert eine Zusammenarbeit: Seit der Terrordrohung ist der direkte Bereich um das Reichstagsgebäude abgesperrt und kann von Spaziergängern nicht mehr passiert werden. Überwacht wird er von Landes- und Bundestagspolizei gemeinsam: Vor den Absperrgittern stehen die Beamten des Zentralen Objektschutzes (ZOS) der Landespolizei, dahinter die der Parlamentspolizei.
Doch anders als „normale“ Polizisten, sind die Ordnungshüter des Parlaments auf den ersten Blick kaum als solche zu erkennen. Sie tragen nämlich keine Uniform, sondern Zivil. Auch die Dienstwaffe steckt in einem verdeckten Holster. Nur durch die „Badges“ – grün-weiße Ausweise im Scheckkartenformat, die die Polizisten um den Hals tragen – sind sie als solche erkennbar.
Volker Harms hat zudem am Revers seines Anzugs eine kleine, grüne Anstecknadel: Sie zeigt ein zackiges Wappen mit dem Bundestagsadler in der Mitte. „Dort allerdings, wo viel Publikumsverkehr herrscht, wie vor dem Eingang oder bei Staatsbesuchen, tragen wir schwarze Jacken oder Westen mit der Aufschrift ‚Polizei‘, um sofort erkennbar zu sein", erklärt Harms.
Hauptkommissar Harms setzt seinen Rundgang fort. Vom Hauptportal aus geht es vorbei am Plenarsaal in Richtung Dachterrasse des Reichstages. Auch hier sind Kollegen postiert, die durch die getönten Gläser ihrer Sonnenbrillen das muntere Treiben auf der Dachterrasse beobachten.
Viele Besucher sind hier oben, besonders Schüler, die sich gegenseitig fotografieren oder auf die Glaskuppel strömen, um von dort aus einen Blick in den Plenarsaal zu werfen.
Es wirkt unübersichtlich, aber die Bundestagspolizisten haben schon ganz anderes erlebt. Zum Beispiel 1999: Um gegen den Kosovokrieg zu demonstrieren, stürmten mehrere Aktivisten auf die Dachterrasse, kletterten über die Brüstung und enthüllten ein Transparent mit der Aufschrift „Neuer Reichstag, neuer Krieg“.
2007 seilten sich wiederum zwei Kapitalismus-Kritiker von der Dachterrasse ab und entrollten ein Spruchband mit der Aufschrift „Der deutschen Wirtschaft“. Eine Replik auf die Inschrift über dem Hauptportal des Bundestages, die lautet „Dem deutschen Volke“. Doch solche Meinungsäußerungen verstoßen gegen die Hausordnung des Bundestages und sind verboten.
Um in Fällen wie diesen rasch reagieren zu können, wird der Parlamentsbereich von Kameras überwacht. Von der Leitstelle aus, der Schaltzentrale der Bundestagspolizei, haben die Beamten über Monitore nahezu jeden Winkel im Blick. „Ob Polizei- oder Rettungseinsatz, Kontakt zu anderen Dienststellen oder Einsatzplanung für Großveranstaltungen – hier laufen alle Fäden zusammen“, erklärt Harms und öffnet die große Glastür zur Leitstelle.
Hier im Vorraum warten in den Regalen rund 180 Funkgeräte in der Ladestation auf ihren Einsatz, außerdem Taschenlampen für die Nachtstreife und Dienstwaffen, diese natürlich gut verschlossen in Schränken.
Auch Einsatzausrüstungen, wie sie die Spezialeinsatzkommandos (SEK) zu Bewältigung von Amoklagen tragen, sind so verstaut: „Seit 2010 schult die Bundestagspolizei ihre Beamten in einem Spezialtraining “, sagt Harms, selbst ein Ausbilder, und holt eine schwere kugelsichere Weste samt Helm aus einem der Schränke.
Zum Schluss seines Rundgangs wirft der Hauptkommissar noch schnell einen Blick in die „Asservatenkammer“ der Bundestagspolizei: In einem einfachen Dokumentenkasten liegen fein säuberlich eingetütet zwei Pfeffersprays. Sie wurden bei den Besucherkontrollen am Eingang sichergestellt. (sas/05.08.2014)