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Defizite in der Rechtsextremismusbekämpfung, Debatte um Armutszuwanderung, Folgen der wachsenden Verstromung klimaschädlicher Braunkohle – insgesamt 53 Fragen zu ganz unterschiedlichen Themen haben die Abgeordneten für die Fragestunde des Bundestages am Mittwoch, 15. Januar 2014, die voraussichtlich gegen 13.35 Uhr beginnt, eingereicht (18/267). Corinna Rüffer, die neue behindertenpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, erkundigt sich dann nach den Befugnissen und der rechtlichen Stellung der designierten Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen. Für dieses Amt hatte in der vergangenen Woche Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) die blinde Skisportlerin Verena Bentele vorgeschlagen. Stimmt das Kabinett dem zu, wäre die 31-Jährige die erste Beauftragte mit Behinderung – und erstmals hätte keine Abgeordnete dieses Amt inne. Eine Umstand, der die Abgeordnete aus Trier aufhorchen und nachfragen lässt. Warum, erklärt sie im Interview:
Frau Rüffer, noch nie gab es einen Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, der selbst eine Behinderung hatte. Ist die Idee von Ministerin Nahles, Verena Bentele für dieses Amt vorzusehen, nicht schon deshalb unterstützenswert?
Die Idee ist auf jeden Fall zu unterstützen! Es ist überfällig, dass jemand, der selbst eine Behinderung hat und noch dazu eine Frau ist, in dieses Amt kommt – denn natürlich hat man einen ganz anderen Blick für die Probleme von Menschen mit Behinderungen, wenn man selbst betroffen ist.
Sie scheinen trotzdem nicht recht überzeugt zu sein, dass eine frühere Sportlerin die Richtige für diesen Posten ist. Sie fragen, warum statt ihrer kein Mitglied des Bundestages vorgeschlagen wurde. So war es ja, seit Bundeskanzler Helmut Schmidt 1982 das Amt geschaffen hat, üblich. Warum?
Um es ganz deutlich zu machen: Ich möchte Frau Bentele nicht, bevor sie überhaupt in diesem Amt angekommen ist, persönlich angreifen. Aber es ist durchaus sinnvoll, Fragen zu stellen: Ohne Zweifel brächte sie viel Lebenserfahrung in dieses Amt ein, aber sie kommt nicht aus professionellen, politischen Strukturen. Das ist ein Unterschied zu einem Abgeordneten, der ein Mandat im Rücken hat. Er kann – und das ist der Punkt – unabhängigere Entscheidungen treffen. Als Mitglied einer Fraktion verfügt man über Netzwerke und Strukturen, auf die man bei der Entscheidungsfindung zurückgreifen kann.
Sie erkundigen sich explizit nach der rechtlichen Stellung der designierten Behindertenbeauftragten und ihren Befugnissen. Was befürchten Sie?
Ich würde gar nicht sagen, dass ich Befürchtungen habe. Aber als Fraktion haben wir ein Erkenntnisinteresse: Wir wissen ja noch gar nicht, in welchen Strukturen Frau Bentele als Behindertenbeauftragte arbeiten würde und welche Befugnisse ihr gewährt werden. Wir wollen deshalb einfach in Erfahrung bringen, auf welcher Grundlage sie ihre Arbeit aufnehmen soll.
Wäre die Berufung einer blinden Biathletin und Paralympics-Gewinnerin, die mit dem Einstieg in die Politik Neuland betritt, für Sie ein Stück weit Symbolpolitik?
Im Bereich der Behindertenpolitik sind harte politische Themen in Angriff zu nehmen – die Reform der Eingliederungshilfe zum Beispiel. Da würde es helfen, einen entsprechend professionellen Hintergrund zu haben. Natürlich schließe ich nicht aus, dass Frau Bentele es trotzdem gut machen könnte. Aber als Abgeordnete habe ich das Recht nachzufragen, was sich die Bundesregierung bei dieser Benennung gedacht hat.
Was erwarten Sie von der Bundesregierung?
Ich erwarte, dass man versucht, das, was Frau Bentele fehlt, nämlich der parlamentarische Hintergrund, durch entsprechende Rechte zu kompensieren. Der bisherige Behindertenbeauftragte, Hubert Hüppe, war so manches Mal kritischer als die Regierung und seine eigene Fraktion, die CDU/CSU. Das hatte, so meine ich, auch etwas mit seiner Position als Abgeordneter zu tun. Daher ist es entscheidend, welche rechtliche Stellung Frau Bentele als Behindertenbeauftragte haben soll. Würde sie zum Beispiel eine Beamtenstelle bekommen, könnte das bedeuten, dass sie weisungsabhängig wäre – anders als ein frei gewählter Abgeordneter.
Was also bräuchte Frau Bentele ganz konkret?
Sie müsste die Möglichkeit haben, Positionen unabhängig zu beziehen, eigene Initiativen zu starten, wie Abgeordnete Anfragen zu stellen oder auf Strukturen zurückgreifen zu können. Um es mit Peer Steinbrück zu sagen: Sie bräuchte Beinfreiheit.
(sas/13.01.2014)