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Die Zahl der Zuwanderer nach Deutschland ist 2012 auf 1,08 Millionen Menschen gestiegen – und damit auf den höchsten Stand seit 1995. Das geht aus dem Migrationsbericht 2012 hervor, den das Bundeskabinett beschlossen hat. "Die Zahlen zeigen, das Deutschland Hauptziel der Migration ist", sagte Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière, der den Bericht in der etwa 45-minütigen Regierungsbefragung am Mittwoch, 15. Januar, im Bundestag vorstellte.
Zwar sei auch die Zahl der Fortzüge auf 712.000 gestiegen. Ziehe man die ab, bleibe dennoch ein "positiver Wanderungssaldo" von rund 370.000 Personen, so der Innenminister. Die große Zahl der Zuzüge und Fortzüge sei aber auch ein Indiz dafür, dass der größte Teil der Zuwanderer nur kurzfristig in Deutschland bleibe. Seien es Asylbewerber oder ausländische Studenten – der Aufenthalt von zwei Dritteln der Zuwanderer dauere nur drei bis vier Jahre, so de Maizière.
Doch woher kamen die Zuwanderer? Laut des Berichts waren 2012 rund 620.000 der Zuwanderer Bürger der Europäischen Union, etwa 340.000 wanderten aus Nicht-EU-Staaten zu. Der Rest waren Deutsche, die in ihre Heimat zurückkehrten. Von den Zuwanderern aus Nicht-EU-Staaten kamen etwa 18 Prozent aus familiären Gründen, 16 Prozent für Studium, Ausbildung oder Schulbesuch. 13 Prozent wollten eine Arbeit aufnehmen, 16 Prozent kamen wegen eines Asylverfahrens oder aus humanitären Gründen.
Auch die Zahl der Asylbewerber habe 2012 zugenommen und sei auf 64.500 gestiegen, sagte der Innenminister. Seit sie 2007 mit 19.000 auf den niedrigsten Stand gefallen waren, sei die Zahl der Asylbewerber wieder kontinuierlich angestiegen. Das gelte auch für das Jahr 2013, als de Maizière zufolge 109.000 Antragsteller registriert wurden. Der Höchststand sei damit jedoch noch nicht erreicht: "Die höchsten Zahlen hatten wir 1992 mit über 400.000 Antragstellern."
Die meisten Asylbewerber kamen 2012 aus Serbien mit knapp 8.500 Erstanträgen, was einen Anstieg um 85 Prozent bedeutet. In den beiden Vorjahren kamen die meisten Asylbewerber noch aus Afghanistan, das 2012 auf dem zweiten Platz liegt. Drittstärkstes Herkunftsland war Syrien mit 6.200 Asylerstanträgen. Betrachte man die Zahlen des Berichts, ergebe sich ein sehr differenziertes Bild der Zuwanderung, sagte de Maizière und schloss seine Ausführungen mit einem Appell: "Ich hoffe, dass wir auch die Diskussion darüber so differenziert führen."
Diesen Appell nahm Kathrin Vogler (Die Linke), Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestages, zum Anlass zu fragen, ob der Bericht auch detaillierte Aussagen zur Erwerbsmigration aus osteuropäischen Ländern und zu prekär Beschäftigten im Bau- und Fleischereigewerbe mache. "Haben Sie im Kabinett auch darüber gesprochen, wie Sie die Situation dieser Menschen verbessern wollen?", erkundigte sich die Abgeordnete. Der Minister verneinte dies. Der Bericht sei keine "Sozialanalyse". Angaben zur Erwerbstätigkeit seien nicht darin, sondern würden gesondert erfasst.
Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) wollte angesichts der Einsetzung eines Staatssekretärs-Ausschusses zur Zuwanderung wissen, inwieweit die Datenbasis des Migrationsberichts Hinweise darauf gibt, ob das Problem des Missbrauchs von Sozialleistungen durch Migranten überhaupt in "nennenswerten Umfang" besteht. De Maiziére verwies auf den "positiven Wanderungssaldo" von Menschen aus Ländern wie Rumänien. "Daraus kann man schließen, dass es das Thema gibt." Genauer werde sich dies aber der Staatssekretärs-Ausschuss ansehen.
Petra Pau (Die Linke), Vizepräsidentin des Bundestages, interessierte sich dafür, ob die Bundesregierung plane, die Ausgaben für Integrationskurse zu erhöhen. "Einerseits haben Sie in einer Pressemitteilung betont, über welche gute Infrastruktur Deutschland mit Integrationskursen und anderen Angeboten für Zuwanderer verfügt, gleichzeitig hat die Bundesregierung auf eine Anfrage meiner Fraktion mitgeteilt, dass mindestens 15 Millionen Euro für Integrationskurse fehlen – ist also eine Aufstockung für Kurse und eine bessere Bezahlung der Kurseiter geplant?"
Der Innenminister räumte ein, dass eine Diskussion über die Konsequenzen aus dem Migrationsbericht in diesem Umfang noch nicht erfolgt sei. "All das wird uns aber gerade auch bei der Aufstellung des Haushaltsplans, die gerade erfolgt, noch beschäftigen", versprach er.
Detlev Pilger, SPD-Abgeordneter aus Koblenz, nahm in seiner Frage Bezug auf ein Problem aus seinem Wahlkreis, wo eine Gruppe koptischer Christen aus Ägypten an Sprachkursen teilnehmen wolle, dies aber aufgrund der Gesetzeslage nicht könne.
"Könnte die Bundesregierung nicht darüber nachdenken, Sprachkurse auch für Asylbewerber zu öffnen?", fragte Pilger, worauf Thomas de Maizière versprach, das zu prüfen. Jedoch, gab er auch zu bedenken: "Die Haushaltsmittel sind begrenzt."
Özcan Mutlu (Bündnis 90/Die Grünen) erkundigte sich, welche Konsequenzen die Bundesregierung aus dem Bericht für den Nationalen Integrationsplan und insbesondere für die Integration im Bildungsbereich ziehen wolle. "Viele Kommunen sind überfordert. Welche Schritte werden sie einleiten?", fragte er.
Der Innenminister antwortete, dass dies ein "Aufgabenpaket für die ganze Legislaturperiode" sei. Entscheidend sei, dass Bund und Länder sich nicht die Zuständigkeiten zuschieben: "Jeder muss etwas tun." Der Bund engagiere sich bereits, etwa, indem er Deutschkurse an Schulen finanziere.
Dr. Karamba Diaby (SPD) thematisierte die gesunkene Zahl der Zuwanderer aufgrund von Familienzusammenführungen. Er wollte von de Maizière wissen, inwieweit die Pflicht der Zuwanderer, vorab im Heimatland einen Deutschkurs zu belegen, darauf Einfluss gehabt habe und ob die Bundesregierung hier Änderungen plane.
Das verneinte der Innenminister klar. "Ich weiß, das war umstritten, aber wir haben vielfach die Rückmeldung bekommen, dass die Betroffenen die Regelung als ermutigend empfunden haben." Familiennachzug funktioniere nur, wenn Familien insgesamt gestärkt würden – und das geschehe, wenn auch die Familienmitglieder Deutsch lernten, zeigte sich de Maizière überzeugt. (sas/15.01.2014))