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Versagen bei der Aufarbeitung der Spähaffäre um den US-Geheimdienst NSA warfen die Oppositionsfraktionen der Regierung am Mittwoch, 15. Januar 2014, bei einer von der Linksfraktion beantragten Aktuellen Stunde zu dem "No-Spy-Abkommen" über den gegenseitigen Verzicht auf Spionage vor, über das zur Zeit Deutschland und die USA verhandeln und das nach Medienberichten vom Scheitern bedroht ist. Jan Korte (Die Linke) bezeichnete die NSA-Ausforschung als "einen der größten Datenschutzskandale". Sprecher der Koalitionsfraktionen und der Regierung kritisierten das Verhalten der USA ebenfalls, plädierten aber dafür, die Gespräche mit Washington fortzusetzen. Michael Hartmann (SPD): "Es wäre schlimm, wenn das No-Spy-Abkommen scheitert."
Korte nannte die Ausforschung durch die NSA einen "fundamentalen Angriff auf die Grundrechte". Der Linkspolitiker hielt der Regierung vor, hierzulande Kritiker zunächst als antiamerikanisch angegriffen und dann den gesamten Skandal durch das geplante No-Spy-Abkommen für erledigt erklärt zu haben. Es sei eine "Unverschämtheit", wenn Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erkläre, es habe für ihn wichtigere Themen gegeben als die NSA-Affäre.
Korte forderte, gegenüber den USA auch Druck auszuüben. So müssten die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen gekündigt werden, alle Verträge zwischen mit US-Diensten zum Datenaustausch solle man offenlegen, auf den Austausch von Bankdaten müsse verzichtet werden, auch solle man Botschaftsangehörige ausweisen, die der Spionage überführt wurden. Zudem appellierte der Abgeordnete an die Koalition, die Vorratsdatenspeicherung "final" aufzugeben.
Es sei "inakzeptabel", beklagte der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Dr. Günter Krings, dass die USA immer noch keine ausreichenden Informationen über das Ausmaß der NSA-Ausforschung geliefert hätten. Der CDU-Abgeordnete betonte, es sei "nicht verhandelbar, dass auf deutschem Boden deutsches Recht gilt".
Krings sprach von der Rückgewinnung der Souveränität über digitale Daten. Unverzichtbar sei auch der Verzicht auf Industriespionage. Investiert werden müsse verstärkt in die technische Datensicherheit. Der Staatssekretär verteidigte die Gespräche mit Washington über gemeinsame nachrichtendienstliche Regelungen, wobei Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehe. Die USA und Deutschland müssten sich auf gemeinsame Regeln zum Datensammeln und auf eine "kluge Balance zwischen Sicherheit und Freiheit verständigen".
Für Dr. Konstantin von Notz ist es ein "Skandal nach dem Skandal", dass die Regierung ein Dreivierteljahr nach dem Auffliegen der NSA-Affäre "blank dasteht". Der Union gehe es nicht um Freiheit und Bürgerrechte, kritisierte der Grünen-Abgeordnete, sie interessiere sich nur für das Abhören des Handys der Kanzlerin.
Doch das zentrale Problem sei, dass in einem Rechtsstaat keine massenhafte Überwachung der Bürger ohne konkreten Anlass stattfinden dürfe. Notz warf Union und SPD vor, im Koalitionsvertrag finde sich "nichts Substanzielles" zu Bürgerrechten und Datenschutz. Auf die Vorratsdatenspeicherung müsse verzichtet werden.
Nach den Worten Michael Hartmanns haben es die USA verdient, beim Kampf gegen Terror und Gewalt unterstützt zu werden. Washington müsse aber auch verstehen, sagte der SPD-Parlamentarier, dass es eine "patriotische Pflicht" sei, hierzulande die Freiheitsrechte zu wahren. Es sei nicht hinnehmbar, dass der wichtigste Verbündete in Deutschland eine massenhafte Ausspähung betreibe.
Gegenüber den USA sei man indes nicht machtlos, so Hartmann, man könne etwa die Aussetzung des Freihandelsabkommens oder der Datenübermittlung bei Flugpassagieren und bei Personen aus dem Wirtschaftsleben erwägen. Er rief dazu auf, die Leistungsfähigkeit der deutschen Geheimdienste bei der Spionageabwehr und der Datenbeschaffung zu erhöhen. Zudem müsse man künftig auch die Spähaktivitäten von Staaten aus dem Osten in den Blick nehmen.
Clemens Binninger kritisierte das "Informationsverhalten" der amerikanischen und britischen Dienste als "unzureichend". Im Kern müsse es darum gehen, bei diesen Diensten einen Bewusstseinswandel zu erreichen, erklärte der CDU-Abgeordnete. Das Vorgehen der USA sei nicht mit dem hiesigen Verständnis von Datenschutz vereinbar. Bei den Verhandlungen mit Washington sei man bislang nicht so weit gekommen wie erhofft.
Binninger warnte indes davor, diese Gespräche abzubrechen. Er lehnte auch Drohungen gegenüber den USA ab, etwa mit der Kündigung des Vertrags über die Weitergabe von Passagierdaten. Binninger betonte, es müsse "klare rote Linien" geben, die auch von Amerikanern und Briten beachtet werden müssen. Beispielsweise dürften personenbezogene Daten nur bei einem konkreten Verdacht ausgewertet werden. (kos/15.01.2014)