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Hellmut Königshaus (Mitte) auf Truppenbesuch bei der Beobachtermission der UNO im Libanon. © DBT/Hille
Wenn der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, am Dienstag, 28. Januar 2014, seinen Jahresbericht dem Parlament übergibt, dann kann er sich der Aufmerksamkeit von Politik und Medien sicher sein. Der Wehrbeauftragte gilt als Anwalt der Soldaten und als Hüter ihrer Grundrechte. Beschwerden nachzugehen und auf Missstände in der Truppe öffentlich hinzuweisen, ist daher seine wichtigste Aufgabe. Ob wachsende Belastungen aufgrund der Bundeswehrreform, Ausstattungsmängel, Probleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Dienst oder aber rechtsextremistische Vorfälle – kritisch thematisiert der Wehrbeauftragte in seinen jährlich veröffentlichten Berichten die negativen Erscheinungen in den Streitkräfte, rückt sie aber auch darüber hinaus beharrlich in den Fokus von Politik und Öffentlichkeit.
Das entspricht nicht nur dem Amtsverständnis des seit 2010 amtierenden Wehrbeauftragten Königshaus, sondern vor allem dem Auftrag, dem ihm die Verfassung überträgt. In Artikel 45b des Grundgesetzes heißt es: "Zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle wird ein Wehrbeauftragter des Bundestages berufen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz."
Dabei hatten die Verfassungsväter und -mütter dieses Hilfsorgan gar nicht vorgesehen. Kein Wunder, war doch auch die Aufstellung deutscher Streitkräfte nicht geplant, als 1949 das Grundgesetz in Kraft trat. Doch aufgrund der Verschärfung des Ost-West-Konflikts durch den Koreakrieg wurde die Aufstellung von bundesdeutschen Streitkräften außenpolitisch unausweichlich.
Über die "Wiederbewaffung" wurde allerdings in Politik und Gesellschaft heftig gestritten. Die Erinnerungen an die Verstrickung der Wehrmacht in die Verbrechen des NS-Regimes waren noch so präsent, dass die Existenz einer neuen Armee Misstrauen und Besorgnis auslöste.
Politischer Konsens war es deshalb, dass die 1955 neu gegründete Bundeswehr einer besonderen Kontrolle bedurfte. Ein möglicher Machtmissbrauch durch das Militär sollte ausgeschlossen sein. Deshalb wurden die Streitkräfte zum einen als Teil der Exekutive dem Verteidigungsminister unterstellt, der dem Parlament verantwortlich ist, und zum anderem wurde ein Verteidigungsausschuss eingerichtet, der über die besonderen Rechte eines Untersuchungsausschusses verfügt.
Doch damit nicht genug: Zur Verstärkung der parlamentarischen Kontrolle schuf man 1956 im Rahmen der neuen Wehrverfassung das Amt des Wehrbeauftragten und verankerte es im Grundgesetz. Ein absolutes Novum: Mit dem Wehrbeauftragten entstand eine Institution, die in der deutschen Verfassungsgeschichte ohne Vorbilder war. In ihrer Konzeption orientierte man sich daher am damaligen Militär-Ombudsman des schwedischen Parlaments, des Riksdag.
1957 trat das "Gesetz über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages" in Kraft, 1959 wurde Helmuth von Grolman zum ersten Wehrbeauftragten ernannt. 1990 änderte der Bundestag das Wehrbeauftragtengesetz und machte damit den Weg frei für ungedienten Kandidaten. 1995 wurde mit Claire Marienfeld-Czesla die erste und bislang einzige Frau zur Wehrbeauftragten gewählt.
Die rechtliche Stellung des Wehrbeauftragten hat sich in der über 50-jährigen Geschichte des Amtes kaum verändert. Als Hilfsorgan des Bundestages gehört er zur Legislative. Doch auch wenn fast alle bisherigen Wehrbeauftragten Abgeordnete waren, als sie gewählt wurden – im Amt waren sie dann keine Mitglieder des Bundestages mehr.
Der Grund: Während seiner Amtszeit darf der Wehrbeauftragte kein politisches Mandat innehaben, außerdem kein anderes besoldetes Amt, keine Gewerbe und keinen Beruf ausüben. Während seiner fünfjährigen Amtszeit – eine Wiederwahl ist möglich – ist der Wehrbeauftragte jedoch auch kein (weisungsgebundener) Beamter, sondern steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis.
Den Auftrag des Wehrbeauftragten gibt – wie schon erwähnt – das Grundgesetz: Er soll als Hilfsorgan des Parlaments die Bundeswehr kontrollieren. Das Wehrbeauftragtengesetz definiert in Paragraf 1 Absatz 2 und 3 seine Aufgaben genauer. Tätig wird er zum Beispiel, wenn ihn der Bundestag oder der Verteidigungsausschuss auffordern, bestimmte Vorgänge zu untersuchen.
Das allerdings kam bislang eher selten vor: Seit 1959 hat der Bundestag noch nie eine solche Weisung erteilt, der Verteidigungsausschuss in insgesamt 24 Fällen. So etwa im Juni 1988, als der Verteidigungsausschuss den damaligen Wehrbeauftragten Willi Weiskirch beauftragte, im Zusammenhang mit dem Fallschirm-Beschaffungsskandal "Verstößen in der Menschenführung, Fürsorgepflicht, Befehlsgebung, Dienstaufsicht und der Einhaltung von Vorschriften nachzugehen".
In der Regel wird der Wehrbeauftragte aus eigenem Ermessen und aufgrund eigener Entscheidung aktiv – dann nämlich, wenn ihm Umstände bekannt werden, die auf eine Verletzung von Grundrechten der Soldaten oder von Grundsätzen der Inneren Führung schließen lassen.
Um diese zu überprüfen und seiner Kontrollfunktion gerecht zu werden, hat der Wehrbeauftragte gegenüber dem Verteidigungsministerium und allen ihm unterstellten Dienststellen besondere Informationsrechte: So kann er Auskunft und Akteneinsicht fordern, bei der Bearbeitung von Beschwerden Zeugen und Sachverständige befragen oder als Prozessbeobachter Gerichtsverhandlungen beiwohnen. Dies kommt allerdings eher selten vor.
Häufig dagegen macht der Wehrbeauftragte von seinem Recht Gebrauch, auch unangemeldet alle Truppen, Stäbe, Einrichtungen und Verwaltungsstellen der Bundeswehr besuchen. So kommt es, dass der Wehrbeauftragte viel im In- und Ausland unterwegs ist: 2012 absolvierte Königshaus zum Beispiel rund 40 solcher Truppenbesuche, seine Mitarbeiter zusätzliche 55 Truppen- und Informationsbesuche.
Der Wehrbeauftragte ist aber nicht nur Kontrolleur, sondern auch eine wichtige Petitionsinstanz. Jeder Soldat hat nämlich das Recht, sich ohne Einhaltung des Dienstwegs direkt an ihn zu wenden. Das macht den Wehrbeauftragten zu einer Art "Kummerkasten und Seismografen für die Stimmung in der Truppe", so einmal ein ARD-Journalist über Königshaus.
Eine treffende Formulierung, schließlich machen die Soldaten von ihrem Recht, sich an den Wehrbeauftragten zu wenden, rege Gebrauch. Die Zahl der Eingaben, Beschwerden und anderer Vorgänge wächst, so die Statistik. Gingen 2012 noch rund 4300 beim Wehrbeauftragten ein, so sei für das Jahr 2013 mit über 5.000 zu rechnen, so Königshaus in einem Interview im Dezember 2013.
Genaue Zahlen wird der aktuelle Bericht liefern. Doppelt so viele Eingaben, und damit den Beschwerderekord, verzeichnete aber der Wehrbeauftragte Weiskirch 1989 in seinem Bericht. Damals waren es 10.190 Eingaben. (sas/23.01.2014)