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Die Opposition im Bundestag wirft der Regierung mangelnden Gestaltungswillen und falsche Weichenstellungen vor. In der Aussprache über die Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) zum Programm der Großen Koalition kritisierte der Vorsitzende der Fraktion Die Linke, Dr. Gregor Gysi, die Regierung betreibe Politik zulasten der Armen. Der Chef der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Anton Hofreiter, hielt der Koalition am Mittwoch, 29. Januar 2013, in der Debatte vor, "zukunftsvergessen" und mutlos zu operieren und letztlich nur den "Stillstand" zu verwalten, statt die großen Aufgaben entschlossen anzugehen.
Oppositionsführer Gysi beklagte, das Geld sei in Deutschland denkbar ungleich verteilt. Ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung sitze auf einem gewaltigen Vermögen, während Millionen von Menschen unter schwierigen Bedingungen lebten. Vor dem Hintergrund sei es völlig unverständlich, weshalb sich die Koalition weigere, große Vermögen stärker zu besteuern. Gysi rügte: "Sie wagen sich nicht ran an die Bestverdienenden." Derweil sähen die vielen prekär Beschäftigten keine soziale Komponente mehr in der von der Koalition verfolgten sozialen Marktwirtschaft.
Die Regierungspolitik falle selbst dort ungerecht aus, wo sie in der Tendenz zu befürworten sei, so etwa in den Rentenpaketen. So würden bei der Berechnung der Rentenpunkte die Menschen im Osten Deutschlands immer noch benachteiligt. Das sei 25 Jahre nach dem Fall der Mauer "indiskutabel".
Gysi warf der Koalition von Union und SPD ferner vor, sich zunehmend militärisch engagieren zu wollen, auch in Afrika, statt den Hunger dort zu bekämpfen. Europa müsse als Hort des Friedens wahrgenommen werden, statt dessen werde aufgerüstet.
Mit Blick auf die NSA-Affäre hielt Gysi der Kanzlerin vor, sich gegenüber den USA "unterwürfig" zu verhalten. Es sei zu wenig, nur auf Argumente zu setzen, statt der US-Administration rechtlich und diplomatisch eine klare Grenze aufzuzeigen.
Grünen-Fraktionschef Hofreiter rügte insbesondere die Energie- und Klimapolitik der Regierung. Von den einstigen Klima- und Umweltschutzzielen sei wenig übrig geblieben. Statt den Kampf gegen den gefährlichen Klimawandel aufzunehmen, werde immer mehr Kohle verstromt, während die erneuerbaren Energien nun ausgebremst würden. Dabei könnten mit einer klugen Energiewende über eine Million neue Jobs entstehen. Hofreiter warnte: "Die Zukunft Deutschlands finden Sie nicht in ihren Braunkohlegruben."
Beim Thema Europa hielt Hofreiter der Koalition vor, an einer "Festung" und Abschottung gegenüber Afrika mitzuarbeiten. Die große Idee Europa dürfe nicht durch "Kleingeister" kaputt gemacht werden. Europa müsse ein Erfolg für alle sein.
Redner der Großen Koalition wiesen die Vorhaltungen zurück und versicherten, die drei Partner CDU, CSU und SPD zögen zum Wohle eines wirtschaftlich starken und sozialen Deutschlands an einem Strang. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann verwies auf die große Zustimmung zur sozialen Marktwirtschaft und fügte hinzu, benötigt würden Wachstum und Wettbewerb, aber auch faire Löhne und Arbeitnehmerrechte. Das seien positive Standortfaktoren.
Der beschlossene Mindestlohn von 8,50 Euro sei ein geballtes Konjunkturprogramm, weil er die Kaufkraft stärke. Oppermann betonte, die Koalition verfolge "eine Politik für die fleißigen Leute und für die verantwortungsvollen Unternehmer". Die Menschen erwarteten, dass auf allen Politikfeldern rasch Ergebnisse erzielt würden, um Deutschland "ein Stück besser" zu machen.
Unionsfraktionschef Volker Kauder gab als Losung vor, den Menschen in Deutschland müsse es nach vier Jahren in der Großen Koalition "besser gehen als vorher". Deshalb werde die Koalition alles dafür tun, damit die Wirtschaft wachsen könne in einer verschärften Wettbewerbsposition. Steuererhöhungen werde es zudem in den nächsten vier Jahren nicht geben.
Der Europapolitik komme eine "zentrale" Bedeutung zu, da schwere Fehler hier mit nationaler Gesetzgebung kaum noch zu korrigieren seien, sagte Kauder. Nötig seien in Europa Veränderungen und Reformen, vor allem junge Menschen müssten eine Perspektive haben. Der CDU-Politiker mahnte darüber hinaus außenpolitisch eine neue Strategie für Asien, Afrika und Lateinamerika an.
Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, hob hervor, Deutschland sei in Europa "das Chancenland". Allerdings müsse die Infrastruktur deutlich verbessert werden, das gelte ebenso für die Straßen wie für das schnelle Internet.
Mit Blick auf die Energiewende rügte Hasselfeldt die Grünen. Diese hätten sich in ihren politischen Forderungen nie um den Netzausbau gekümmert oder um die Preisentwicklung. Die Grünen hätten "einen unkoordinierten und ungebremsten" Ausbau der erneuerbaren Energien betrieben. Das müsse jetzt korrigiert werden.
Hasselfeldt sprach sich dafür aus, in Europa weiter einen "Stabilitätskurs" zu verfolgen und nicht den Weg in eine Schuldenunion. Nötig sei ein starkes Europa und "ein schlankes Europa", wenn es um den Alltag der Bürger gehe. So sollte sich die EU nicht in jede Kleinigkeit einmischen, sondern nur die großen Dinge regeln.
Die Koalition trage im Übrigen eine gemeinsame Verantwortung. Es könne durchaus auch mal Streit geben, dann aber immer unter dem Gesichtspunkt, den Menschen zu dienen. (pk/29.01.2014)