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Der Bundestag hat die von der schwarz-roten Koalition angestrebte Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung ("Diäten") mit klarer Mehrheit gebilligt. In namentlicher Abstimmung votierten am Freitag, 21. Februar 2014, 464 Parlamentarier für einen entsprechenden Gesetzentwurf der CSU/CSU- und der SPD-Fraktion (18/477). 115 Parlamentarier stimmten dagegen, zehn enthielten sich. Der Geschäftsordnungsausschuss hatte empfohlen, den Gesetzentwurf in unveränderter Fassung anzunehmen (18/619).
Das Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes baut auf den Empfehlungen der vom Ältestenrat des Bundestages eingesetzten "Unabhängigen Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechts" unter Vorsitz des früheren Bundesjustizministers Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) auf. Die Kommission hatte ihre Empfehlungen am 18. März 2013 unter anderem zum Anpassungsverfahren für die Abgeordnetenentschädigung und die Altersversorgung der Abgeordneten sowie zur Anrechnung von Renten auf die Abgeordnetenentschädigung zu Vergütungen für die Ausübung bestimmter Funktionen im Rahmen des Abgeordnetenmandats vorgelegt.
Künftig orientiert sich die Erhöhung der Diäten künftig an der Entwicklung der Nominallöhne. Als Ausgangsgröße dient die Besoldung eines Richters an einem obersten Gerichtshof des Bundes (Besoldungsgruppe R 6 mit der Zulage für Richter und Staatsanwälte bei obersten Gerichtshöfen des Bundes ohne Familienzuschlag).
Um eine "Annäherung an die Ausgangsgröße" zu erreichen, wird die Abgeordnetenentschädigung dem Beschluss zufolge in zwei Schritten zum 1. Juli 2014 und zum 1. Januar 2015 angepasst. Sie liegt seit dem 1. Januar 2013 bei 8.252 Euro monatlich und soll nun zum 1. Juli 2014 auf 8.667 Euro und zum 1. Januar 2015 auf 9.082 Euro angehoben werden. Künftig ist vorgesehen, dass sich die Entschädigung jährlich zum 1. Juli, erstmals am 1. Juli 2016, erhöht, und zwar auf der Basis des vom Statistischen Bundesamt ermittelten durchschnittlichen Anstiegs der Nominallöhne.
Ferner sieht die Neuregelung neben den bisher schon geltenden Amtszulagen für den Bundestagspräsidenten und seine Stellvertreter eine solche Zulage auch für die Vorsitzenden der ständigen Ausschüsse, Unterausschüsse und Enquete-Kommissionen vor. Danach erhalten der Bundestagspräsident, wie bisher, eine monatliche Amtszulage in Höhe eines Monatsbetrages und seine Stellvertreter in Höhe eines halben Monatsbetrages.
Für die Ausschussvorsitzenden sowie die Vorsitzenden von Unterausschüssen und Enquete-Kommissionen erhöht sich nun die Zulage auf 15 Prozent des Monatsbetrages.
Die Mehrbelastungen des Bundeshaushaltes durch die Erhöhung der Grundentschädigung und die Gewährung von Funktionsvergütungen an Ausschussvorsitzende werden in der Vorlage für das laufende Jahr mit rund 1,7 Millionen Euro und für das nächste Jahr mit weiteren rund 3,5 Millionen Euro beziffert.
Abgeschafft wird die bisherige Regelung, dass ein Abgeordneter unter bestimmten Voraussetzungen bereits mit 57 Jahren einen vorzeitigen Bezug von Altersentschädigung ohne Abschläge erhalten kann. Das maximal zu erreichende Versorgungsniveau wird von bisher 67,5 Prozent der Abgeordnetenentschädigung auf 65 Prozent abgesenkt.
In der Debatte verwies der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Bernhard Kaster, darauf, dass nach dem Grundgesetz und dem "Diätenurteil" des Bundesverfassungsgerichts die Abgeordneten ihre Entschädigung selbst festsetzen müssten. Zugleich werde "das Thema Diäten immer wieder von Selbstbedienungsvorwürfen oder Willkürvorwürfen begleitet". Nun werde eine Systemumstellung vorgenommen.
Der Bundestag wolle in Zukunft "auch nicht den Eindruck einer Besserstellung" bei den Abgeordneten-Bezügen erwecken. Deshalb sei es die richtige Entscheidung, die Vergütung an den Nominallohnindex zu koppeln. Kaster erinnerte zugleich daran, dass die Orientierungsgröße der Besoldungsgruppe R 6 seit 1995 im Abgeordnetengesetz verankert sei. Es gebe viele gute Gründe, dazu selbstbewusst zu stehen.
Auch SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer rief die Abgeordneten dazu auf, die Neuregelung angesichts ihres Arbeitspensums selbstbewusst zu vertreten.
Er sprach von einer "tragbaren" Lösung, die man gefunden habe. Zugleich hob er hervor, dass der Bundestag seit 1977 bei den Diätenanpassungen 14 Nullrunden beschlossen habe. Auch habe man seitdem eine "Reihe von Schritten" zur Absenkung der Altersversorgung vorgenommen.
Für Die Linke bemängelte ihre Erste Parlamentarische Geschäftsführerin Dr. Petra Sitte, dass das Gesetz nur eine Woche nach seiner Einbringung verabschiedet werde. Das nehme der Öffentlichkeit die Möglichkeit, sich in die Diskussion einzumischen. Selbst wenn man das Richtergehalt als angemessene Orientierungsgröße betrachte, sei das "Angleichungstempo" infrage zu stellen.
Eine Erhöhung um 830 Euro innerhalb von sieben Monaten sei "ziemlich drastisch". Während die Reallöhne der "Masse von Beschäftigten" seit dem Jahr 2000 stagnierten, hätten die Abgeordneten seitdem "eine Steigerung von 25 Prozent erfahren". Zudem seien die Änderungen bei der Altersversorgung der Abgeordneten "eher kosmetischer Natur".
Sittes Grünen-Kollegin Britta Haßelmann kritisierte ebenfalls, dass der Bundestag keine Zeit gehabt habe, die Vorschläge in Ruhe zu beraten. Auch ihre Fraktion sehe viele Gründe für eine grundsätzliche Orientierung an der Besoldungsgruppe R 6. Nicht diskutiert worden sei aber, warum die Diätenanhebung innerhalb eines halben Jahres in zwei Schritten erfolgen müsse. Dies ginge auch "gestaffelt und in Maßen".
Hauptkritikpunkt ihrer Fraktion sei aber die Altersversorgung der Abgeordneten. Viele Menschen verstünden nicht, warum die Parlamentarier im Vergleich zu "normalen" Arbeitnehmern "in so kurzer Zeit sehr hohe Rentenansprüche erwerben können".
Ebenfalls in namentlicher Abstimmung verabschiedete das Parlament zugleich mit großer Mehrheit einen Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD (18/476) in der vom Rechtsausschuss modifizierten Fassung (18/607), dessen Ziel der verstärkte Kampf gegen Korruption in den Volksvertretungen aller Ebenen ist.
Das neue Gesetz, das im Fall von Bestechung Geldstrafen oder Haft bis zu fünf Jahren vorsieht, ebnet auch den Weg zur Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption. Für die Vorlage stimmten 583 Abgeordnete. Lediglich drei votierten dagegen, sieben enthielten sich. Einem Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen (18/623) zu dem Gesetzentwurf erhielt lediglich die Stimmen der Opposition.
Bislang machen sich Mitglieder gewählter Volksvertretungen vom Gemeinderat bis zum Bundestag nur im Fall von Stimmenkauf strafbar, wenn also ein Mandatsträger Zuwendungen für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten entgegennimmt, etwa beim Votum über ein konkretes Gesetzesvorhaben. Die neuen Regeln dehnen den Begriff der parlamentarischen Korruption hingegen auf alle unsauberen Verhaltensweisen bei der Ausübung eines Mandats aus, also auch auf den Versuch, Gesetzesinitiativen im Sinne eines spendablen Lobbyisten auszugestalten.
In der Vorlage heißt es dazu: "Wer … einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandats eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Mehrere Formulierungen im Gesetz sollen die Zahl jener Fälle begrenzen, die als Anlass für strafrechtliche Ermittlungen wegen Korruptionsverdacht dienen können. So will man parlamentarische Mandatsträger vor einer leichtfertig und vorschnell eingeleiteten Strafverfolgung möglichst bewahren, da allein solche Ermittlungen einen Politiker diskreditieren können, auch wenn sie sich später als ungerechtfertigt erweisen sollten.
Grundsätzlich wird deshalb zwischen "Amtsträgern" und "Mandatsträgern" unterschieden, wobei für Letztere der Begriff der Bestechung enger definiert wird. Solange sich das Verhalten eines Mandatsträgers im Rahmen "anerkannter parlamentarischer Gepflogenheiten" bewegt, soll nicht von Korruption die Rede sein.
Der CSU-Abgeordnete Dr. Hans-Peter Uhl sagte, die Abgeordneten seien "Vertreter des ganzen Volkes" und müssten aus Partikularinteressen das Gemeinwohl "herausschälen". Es gebe aber auch die "politische Denunziation", bei der einem Parlamentarier unterstellt werde, unverantwortliche Partikularinteressen zu vertreten.
Wenn Vorermittlungen von Staatsanwaltschaften wegen solcher Denunziationen, die sich später als haltlos erweisen, "in der Medienlandschaft breitgetreten werden", käme dies einer "öffentlichen Hinrichtung eines Abgeordneten gleich".
Der SPD-Parlamentarier Burkhard Lischka verwies darauf, dass die Vereinten Nationen seit mehr als zehn Jahren darauf dringen, Bestechung und Bestechlichkeit von Abgeordneten unter Strafe zu stellen. Dies hätten bereits 169 Länder getan. Auch der Linke-Parlamentarier Frank Tempel begrüßte, dass es endlich eine Regelung zur Bestechung geben werde.
Ähnlich äußerte sich der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele. Beide warben allerdings vergeblich für eine Modifizierung der Vorlage. Die Einschränkung, "dass nur dann bestraft wird, wenn ein Auftrag oder eine Weisung nachgewiesen wird", sei zu eng, sagte Ströbele. Das werde ganz selten der Fall sein. (sto/21.02.2014)