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"Mir ist aufgefallen, dass wir, obwohl wir dauernd von schweren Fällen der Steuerhinterziehung hören, niemand haben, der sitzt." Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Die Linke, beklagte eine eklatante Ungleichbehandlung von Steuerhinterziehern gegenüber anderen Straftätern, als er am Donnerstag, den 20. Februar 2014, den Antrag seiner Fraktion begründete, die strafbefreiende Selbstanzeige abzuschaffen (18/556).
Der kleine Ladendieb, Verkehrssünder oder Zechpreller, der keine solche Möglichkeit hat, frage sich, ob das gerecht sei, argumentierte Ernst und fügte hinzu: "Unser Antrag will wieder Gleichheit für alle Bürger vor dem Recht herstellen." In dem Antrag fordert Die Linke auch die Möglichkeit, Bagatelldelikte im Steuerrecht als Ordnungswidrigkeiten statt als Straftaten zu behandeln.
Ernst antwortete in seiner Rede mehrfach auf Argumente, die in der Aktuellen Stunde eine Woche zuvor vorgetragen worden waren. Auch diese war auf Antrag der Linken geführt worden, was Metin Hakverdi (SPD) zu der Bemerkung veranlasste, man könne die Debatte auch jede Woche wiederholen.
Ernst blieb der einzige Redner, der sich für die Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige aussprach. Bettina Kudla (CDU/CSU) bezeichnete es als bemerkenswert, dass die Erzielung von Steuereinnahmen im Antrag der Fraktion Die Linke überhaupt keine Rolle spiele. Eine Abschaffung der Selbstanzeige würde "nicht zu weniger Steuerhinterziehung führen – im Gegenteil". Viele Steuerdelikte würden dann schlicht nicht aufgedeckt.
Ihr Ziel sei es nicht in erster Linie, "Leute in den Knast zu kriegen" sagte Kudla, sondern Steuern einzutreiben. Dazu wolle die Koalition vor allem "Besteuerungslücken schließen", insbesondere durch besseren internationalen Informationsaustausch.
In die gleiche Richtung argumentierte Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen): "Entscheidend ist das Entdeckungsrisko, und daran wollen wir arbeiten." An die Fraktion Die Linke gewandt sagte Paus: "Wir Grüne wollen die strafbefreiende Selbstanzeige nicht abschaffen, wir wollen sie überflüssig machen."
Zudem sprach sich Paus dafür aus, die Bestimmungen rund um die Selbstanzeige zu verschärfen. Denn wer wie Alice Schwarzer 20 Jahre lang Steuern hinterziehe und sich dann selbst anzeige, für den habe sich das derzeit wegen der zehnjährigen Verjährungsfrist trotzdem gelohnt.
Mit dieser Linie – die Strafbefreiung nicht abzuschaffen, aber mit härteren Konsequenzen zu verbinden – stand Paus im Einklang mit der Koalition. So sagte der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Lothar Binding, kurz und knapp: "Wir wollen die Gesetze verschärfen." Eine Facharbeitsgruppe von Bund und Ländern habe vor wenigen Tagen einen Vorschlag dazu vorgelegt. Auf dieser Grundlage wolle die Koalition nun diskutieren, kündigte Metin Hakverdi (SPD) an – etwa darüber, die Strafbefreiung im Fall besonders schwerer Steuervergehen abzuschaffen.
Hakverdi wies in seiner Jungfernrede vor dem Bundestag darauf hin, dass der Staat durch Selbstanzeigen drei Milliarden Euro einnehme. Eine solche Summe komme auch nicht durch den Ankauf von CDs herein. Zudem kämen die Ermittler durch Selbstanzeigen auch auf die Spur weiterer Steuerhinterziehungen.
Der Antrag der Fraktion Die Linke wurde schließlich an die Ausschüsse verwiesen. Dort wird er zusammen mit dem noch ausstehenden Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD zur Neuregelung der Selbstanzeige behandelt werden. (pst/20.02.2014)