Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Der Ungar ist ewig schwermütig und träumt vom Meer und dem Gebirge. In Belarus gibt es nur Kartoffeln und Wodka zu kaufen. Französinnen haben an jedem Wochentag einen anderen Geliebten und Polen arbeiten in Kohleminen, sind ewig betrunken und werfen sich in den Staub, sobald ein katholischer Würdenträger des Weges kommt. Mit einem gehörigen Maß an Selbstironie und teils erstaunlichen schauspielerischen Qualitäten haben die Teilnehmer am diesjährigen Programm des Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS) bei der offiziellen Eröffnungsveranstaltung am Donnerstag, 20. März 2014, in der Freien Universität Berlin (FU Berlin) sich und ihre Herkunftsländer vorgestellt. Getreu nach dem Motto: Vorurteile sind furchtbar – lass uns darüber lachen.
Einer der Höhepunkte aus schauspielerischer Sicht war der Auftritt der Vertreter aus Armenien, Russland und den USA. Sie stellten das derzeitige Leben des jungen Informatikers Edward S. nach, der – gestrandet in einem Land, "in dem die Menschen schon zum Frühstück Wodka trinken und die Demokratie immer noch geschützt und überwacht wird" – einen Brief an seinen Vater schreibt. Darin erzählt er auch davon, dass er sehr herzlich von einem Staatsmann begrüßt wurde, "der Tiere mag".
Außerdem habe ihn ein mit einem roten Schal behangener Politiker aus Deutschland besucht, um ihm die Hände zu schütteln. Zum Dank habe er diesem Mann erzählt, dass auch sein Land nicht so sicher ist, wie eigentlich gedacht… Einfach köstlich – Stipendiaten, Abgeordnete und Ehrengäste waren begeistert.
Für die 120 IPS-Teilnehmer aus 31 Ländern beginnt nun der Ernst des Praktikums: Bis Ende Juli werden sie in den Büros "ihrer" Bundestagsabgeordneten arbeiten, die Wahlkreise besuchen oder an Veranstaltungen der politischen Stiftungen teilnehmen.
"Vom IPS profitierten beide Seiten, das deutsche Parlament ebenso wie die Stipendiaten", sagte Bundestagsvizepräsidentin Edelgard Bulmahn (SPD) während ihrer Begrüßungsansprache. Das Parlament betrachte die Zusammenarbeit mit den Stipendiaten als Bereicherung und kulturelle Anregung. "Das tut uns gut", sagte Buhlmann. Die Stipendiaten wiederum könnten das politische System in Deutschland kennenlernen und erfahren, "wer bei uns wirklich das Sagen hat".
Gemeint seien damit natürlich die Abgeordneten, sagte augenzwinkernd der Leiter der für das IPS zuständigen Berichterstattergruppe im Bundestag, Bernhard Schulte-Drüggelte. Der CDU-Abgeordnete baute gleich mal ein bisschen positiven Druck auf. Nach dem Motto: Wer sich als Stipendiat gut macht, kann es weit bringen, verwies er auf die der Veranstaltung beiwohnenden Botschafterin Mazedoniens in Deutschland, Kornelija Utevska-Gligorovska, die einst zu den Stipendiaten gehört hat.
Doch Schulte-Drüggelte ist lange genug dabei, um zu wissen, dass auch Berlin als Stadt mit sehr vielfältigen Angeboten für junge Leute einen großen Reiz ausübt. "Besuchen Sie die Museen, die Galerien, die Theater", ermutigte er die Stipendiaten und fügte hinzu: "Diskotheken gibt es hier übrigens auch."
Durch das IPS könnten Freundschaften geknüpft werden, "die ein Leben lang halten", hatte zuvor schon Prof. Dr. Peter-André Alt, Präsident der FU Berlin und Gastgeber des Abends, angemerkt. Dass die Stipendiaten schon von Anfang an miteinander das Gespräch suchen, bestätigt Mona Sophie Meron aus Israel.
Sie habe zwar noch nicht mit jedem einzelnen Stipendiaten gesprochen, "aber schon Vertreter aus jedem Land kennengelernt". Und Betsy Crowder aus den USA sagt: "Ich hatte zuvor noch nie einen Menschen aus Moldau getroffen. Und jetzt habe ich dort schon einen guten Freund." Hört sich so an, als ob das IPS auch im Jahr 2014 ein Erfolg werden könnte. (hau/21.03.2014)