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Der Bundestag hat neue Regeln für die Wahrnehmung parlamentarischer Minderheitenrechte beschlossen. In namentlicher Abstimmung votierten 530 Abgeordnete am Donnerstag, 3. April 2014, für einen entsprechenden Antrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD (18/481) in geänderter Fassung, 55 Abgeordnete enthielten sich. Zwei Parlamentarier stimmten dagegen, 55 enthielten sich. Das Parlament folgte damit einer mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verabschiedeten Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (18/997).
Die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen verfügen in dieser Legislaturperiode zusammen über 127 der 631 Sitze im Parlament, was einem Anteil von etwa 20 Prozent entspricht. Verschiedene Minderheitsrechte können nach bisherigen Regelungen jedoch nur wahrgenommen werden, wenn mindestens 25 Prozent der Abgeordneten entsprechende Anträge unterstützen. Dazu zählen etwa das Recht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und auf Klageerhebung wegen Verstoßes gegen das Subsidiaritätsprinzip.
Nach der vom Bundestag jetzt beschlossenen Änderung der Geschäftsordnung können diese Rechte für die Dauer der laufenden Legislaturperiode bereits auf Antrag von 120 Abgeordneten wahrgenommen werden. Gleiches gilt für eine Reihe weiterer Minderheitenrechte wie beispielsweise die Einsetzung von Enquete-Kommissionen.
Weitere Neuregelungen betreffen die Ausschüsse. So ist vorgesehen, dass bei überwiesenen Vorlagen der federführende Ausschuss "auf Verlangen aller Ausschussmitglieder der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen", eine öffentlichen Anhörung durchführt. Die Aufteilung der Redezeit im Bundestag soll dem Beschluss zufolge "wie bisher nicht ausdrücklich in der Geschäftsordnung, sondern durch Vereinbarungen im Ältestenrat" geregelt werden.
Das Parlament beschloss zudem eine weitere Neuregelung in Bezug auf die Geldleistungen, auf die die Fraktionen zur Erfüllung ihrer Aufgaben Anspruch haben. Diese Geldleistungen "setzen sich aus einem Grundbetrag für jede Fraktion, aus einem Betrag für jedes Mitglied und einem weiteren Zuschlag für jede Fraktion, die nicht die Bundesregierung trägt (Oppositionszuschlag), zusammen", wie es in der Vorlage hieß. Danach soll für die Dauer dieser Wahlperiode dieser Oppositionszuschlag "auf den Betrag für jedes Mitglied von zehn Prozent auf 15 Prozent" erhöht werden. Dies soll erstmalig im Beschluss über den Haushalt 2014 festgelegt werden.
Keine Mehrheiten fanden zwei gemeinsame Vorlagen der beiden Oppositionsfraktionen (18/379, 18/380) sowie ein Gesetzentwurf der Linksfraktion (18/838) zur Frage der parlamentarischen Minderheitenrechte.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Bernhard Kaster (CDU), sagte in der Debatte, auch eine Große Koalition mache es rechtlich nicht erforderlich, eine bestehende Geschäftsordnung zwingend zu ändern. Es gehe aber um die politische Kultur und das Selbstverständnis der parlamentarischen Demokratie. Die Zustimmung der Grünen-Fraktion zu der Neuregelung zeige, dass der gefundene Weg eine ausgewogene Regelung darstelle. Dabei mache man die Geltendmachung von Minderheitenrechten nicht von der Unterstützung aller 127 Oppositionsabgeordneten abhängig. Mit der erforderlichen Zahl von 120 Abgeordneten habe man ein "gute Regelung mit Augenmaß" gefunden.
Kaster betonte zugleich, dass die Opposition über 20 Prozent der Bundestagssitze verfüge, die jetzt vereinbarten Redezeiten sich je nach Debattenlänge aber zwischen 25 und 32 Prozent bewegten. Noch mehr sei "wirklich nicht möglich" gewesen.
Für Die Linke betonte ihre Erste Parlamentarische Geschäftsführerin Dr. Petra Sitte, es gehe ihrer Fraktion nicht darum, Wahlergebnisse durch Sonderrechte der Opposition zu verfälschen. Wie der frühere Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Ernst Gottfried Mahrenholz in einer Expertenanhörung ausgeführt habe, entfalten die aus Wahlergebnissen resultierenden Mehrheiten ihre Wirkung aber erst bei Abstimmungen über Gesetzentwürfe und Anträge. Vor den Abstimmungen und unabhängig von ihnen hätten die Parlamentarier noch eine Reihe weiterer Aufgaben zu erfüllen. So sei die Opposition beauftragt, die Regierung zu kontrollieren und politische Alternativen aufzuzeigen.
Sitte erkannte an, dass die Koalition eine ganze Reihe von Oppositionsvorschlägen aufgegriffen habe. Zugleich kritisierte sie, dass der Opposition nicht das Recht auf Einreichung einer Normenkontrollklage zugestanden wird. Die Koalition lehne eine Änderung des Grundgesetzes zur Normenkontrollklage unter anderem deshalb ab, weil auch eine Verfassungsbeschwerde eingereicht werden könne. Dieses Recht stehe jedoch nicht den Fraktionen zur Verfügung.
Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Christine Lambrecht, entgegnete, die Normenkontrollklage sei "kein originäres Minderheitenrecht". Sie könne von der Bundesregierung, einer Landesregierung und einem Viertel der Bundestagsabgeordneten erhoben werden. Auch sei die Geschäftsordnung "der richtige Ort", um die Angelegenheiten des Bundestages zu regeln.
Man brauche keine Gesetzesänderungen, die man in der nächsten Legislaturperiode bei anderen Mehrheitsverhältnissen wieder verändern müsse. Lambrecht verwies zugleich darauf, dass das Quorum von 120 Abgeordneten "nicht an Oppositionsfraktionen gebunden" sei, sondern auch durch Parlamentarier der Koalition erreicht werden könne.
Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, begrüßte, dass man nach monatelangen Beratungen Minderheitenrechte in der Geschäftsordnung verankere. Es sei für ihre Fraktion ein "ganz wichtiger Punkt", dass diese Rechte nicht mit der Mehrheit der Großen Koalition wieder geändert werden könnten. Dies sei eine "massive Verbesserung".
Mit der Fixierung der Minderheitenrechte in der Geschäftsordnung könne man diese Rechte nun einklagen gegenüber den anderen Fraktionen. Damit sei die Arbeitsfähigkeit des Parlaments "ein Stück weit mehr" gesichert. Keine Verständigung habe man indes bei den Redezeiten der Fraktionen im Plenum erzielt. (sto/03.04.2014)