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Die private Pflegezusatzversicherung sorgt weiter für heftigen Streit. In einer Debatte über die Pflegereform verteidigten am Freitag, 4. April 2014, im Bundestag Redner der Union das staatlich geförderte Vorsorgeangebot als wichtige Ergänzung zur Pflegeversicherung. Jüngst habe das Produkt auch in der Bevölkerung mehr Akzeptanz gefunden. Linke und Grüne halten den sogenannten Pflege-Bahr hingegen für verfehlt. Ein Antrag der Fraktion Die Linke (18/591), den Pflege-Bahr wieder abzuwickeln, wurde in die Fachausschüsse überwiesen.
Die private Pflegezusatzversicherung war im Januar 2013 unter dem damaligen Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) eingeführt worden als Ergänzung der seit 1995 bestehenden staatlichen Pflegeversicherung. Damit sollte das Pflegekostenrisiko für die Bürger verringert werden. Nach einem verhaltenen Anlauf haben inzwischen rund 400.000 Bürger eine Zusatzversicherung abgeschlossen.
Die Versicherungswirtschaft rechnet bis Jahresende mit rund einer Million Verträgen. Der Staat beteiligt sich mit fünf Euro pro Monat an den Kosten, wenn die Bürger mindestens zehn Euro pro Monat in die Zusatzversicherung investieren.
Nach Ansicht der Linksfraktion ist der Pflege-Bahr eine Fehlkonstruktion. Pia Zimmermann kritisierte, dass mit dem Pflege-Bahr das Pflegesisiko privatisiert und vom Geldbeutel der Menschen abhängig gemacht werde. Mehr als die Hälfte der Pflegekosten müssen die Bürger aber jetzt schon aus eigener Tasche zahlen. Die zusätzliche private Absicherung widerspreche dem Solidarprinzip.
Zudem würden Pflegeleistungen immer teurer, eine Anpassung in der Zusatzversicherung sei aber nicht vorgesehen. Auf diese Weise vergrößere sich die soziale Spaltung im Land, während noch mehr Geld in die Versicherungswirtschaft gespült werde. Zimmermann sprach mit Blick auf die gesamte Problematik von einer "Pflegemisere". Es bestehe akuter Handlungsbedarf.
Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hält den Pflege-Bahr für falsch, teilt aber nicht alle Forderungen der Linken zur Reform der Pflegereform. So wäre eine staatliche Pflegevollversicherung teuer und womöglich nicht zu finanzieren, sagte die Abgeordnete Elisabeth Scharfenberg zu entsprechenden Vorstellungen der Linksfraktion.
Die Grünen plädieren, wie im Übrigen auch SPD und Linke, weiter für eine Pflege-Bürgerversicherung. Scharfenberg sagte weiter, die Forderung, den Pflege-Bahr abzuschaffen, sei richtig, weil diese Konstruktion "weder gerecht noch sinnvoll" sei. Zudem sei die Zusatzversicherung bisher weit hinter dem ursprünglich gesteckten Ziel von 1,5 Millionen Verträgen zurückgeblieben. Scharfenberg sagte: "Das ist kein Erfolg, es ist ein Witz." Der Pflege-Bahr sei eine Luftnummer.
Der CDU-Abgeordnete Erwin Rüddel stellte den Pflege-Bahr hingegen als Erfolg heraus. So erlebe die Zusatzversicherung jüngst gerade einen Boom, was dafür spreche, dass dieses Angebot bei den Menschen ankomme. Er räumte allerdings ein, dass die Zahlen noch besser sein könnten und schlug vor, die private Vorsorge auszubauen und um eine Familienkomponente zu erweitern, wobei sich Zahl der Kinder auf die Höhe des staatlichen Zuschusses auswirken könnte.
Der Linken warf Rüddel vor, den Menschen Angst zu machen und "Wunderdinge" zu versprechen. Es sei unverantwortlich, so zu tun, als könnte der Staat alles allein richten. Im Übrigen habe sich die Große Koalition eine umfassende Pflegereform vorgenommen. Dies sei ein zentrales politisches Vorhaben von Union und SPD.
Die SPD-Gesundheitsexpertin Mechthild Rawert (SPD) erinnerte daran, dass die staatliche Pflegeversicherung immer als Teilleistungskonzept konzipiert gewesen sei, dabei müsse es auch bleiben.
Die Koalition werde für nachhaltige strukturelle Reformen sorgen. So solle mehr getan werden für Menschen, die unter Demenz oder psychischen Krankheiten leiden. Rawert versprach eine Dynamisierung der Leistungssätze und eine bessere Vereinbarung von Pflegeleistung und Beruf. (pk/04.04.2014)