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Mit den Stimmen der Koalition aus CDU/CSU und SPD hat der Bundestag am Donnerstag, 3. April 2014, einen Antrag der Fraktion Die Linke (18/971) ab, einem Antrag des Landes Brandenburg zu folgen und einer Ausweitung des Nachtflugverbots am noch nicht eröffneten Hauptstadtflughafen BER von 22 bis 6 Uhr zuzustimmen.
Einen entsprechenden Antrag hatte Brandenburg in Reaktion auf ein erfolgreiches Volksbegehren bei der Gesellschafterversammlung des Flughafens Berlin Brandenburg (BER) vorgelegt. Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen stimmten für den Antrag.
Neben den Ländern Brandenburg und Berlin ist auch der Bund mit 26 Prozent Gesellschafter des Flughafens. Da Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung aber mindestens 75 Prozent der abgegebenen Stimmen erfordern, sind keine Beschlüsse ohne die Zustimmung des Bundes möglich.
Thomas Nord begründete für Die Linke den Antrag: Die vom Fluglärm Betroffenen hätten einen Anspruch auf bestmöglichen Schallschutz und ein konsequentes Nachtflugverbot. Aber die Politik müsse die Interessen der betroffenen Bürger auch ernsthaft zur Kenntnis nehmen, sagte er. Das sei schon beim Beschluss 1996, den Flughafen zu bauen, nicht so gewesen.
Einige der Verantwortlichen hätten aus den Geburtsfehlern des BER nichts gelernt. "Das Projekt ist seitdem ein einziges Trauerspiel", so Nord, "es gehört zu den größten Desastern öffentlicher Investitionen." Nun griffen die Bürger zum Mittel der direkten Demokratie, und es habe das erste erfolgreiche Volksbegehren in Brandenburg gegeben.
Wenn die brandenburgische Regierung nun dieses Begehren in einem Landtagsbeschluss angenommen hat, dann vertrete sie nur die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, sagte Nord. Es sei rücksichtslos gegenüber der Gesundheit Hunderttausender und schädlich für das Projekt BER, wenn sich der Bund und Berlin erneut über brandenburgische Interessen hinwegsetzten.
Anderer Meinung war Peter Wichtel von der CDU/CSU. Er habe den Antrag zuerst für einen Aprilscherz gehalten, denn: "Es ist eindeutig, dass es hier im Bundestag keinen Grund gibt, darüber zu diskutieren." Unnötigerweise werde hier Wahlkampf in Brandenburg auf dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger ausgetragen.
Jeder, der mit dem Thema vertraut sei, wisse, dass eine Verlängerung des Nachtflugverbots "absolut unrealistisch ist". Den Menschen würden Versprechen gemacht, die nicht gehalten werden könnten. Das wisse selbst der brandenburgische Ministerpräsident, der seine Bemühungen darum in dieser Woche offiziell aufgegeben habe.
Die Betriebszeiten des BER, die ein Nachtflugverbot von Mitternacht bis fünf Uhr vorsehen, seien durch einen Planfeststellungsbeschluss und durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Weitere Änderungen sorgten nicht für "Planungssicherheit, sondern für Planungsunsicherheit". Die Anwohner des neuen BER-Flughafens seien mit den bestehenden Betriebszeiten bereits umfassend geschützt.
Zudem gebe es zusätzlich deutliche Einschränkungen in den Randzeiten zwischen fünf und sechs und zwischen 23 und 24 Uhr. Alle beteiligten Gesellschafter sollten sich stattdessen darauf konzentrieren, dass der Flughafen fertiggestellt wird und nicht unrealistische Baustellen aufmachen.
Seine Fraktion könne das Ansinnen der Linken unterstützen, sagte Stephan Kühn von Bündnis 90/Die Grünen. Aber leider habe die rot-rote Landesregierung in Brandenburg ihre Position bereits wieder geräumt. "Brandenburg hat seine Verhandlungsposition mit einem Kompromissvorschlag geschwächt", sagte Kühn. Es gebe keinen Grund, sich hinter die Ausgangsposition zurückzuziehen, ohne alle Rechtsmittel ausgeschöpft zu haben.
Gleichzeitig kritisierte Kühn die Bundesregierung. Diese habe zwar den Ausbau des Lärmschutzes in ihrem Koalitionsvertrag stehen, aber nichts getan. "Hier ist Herr Dobrindt gefordert, Ankündigungen auch Taten folgen zu lassen", sagte er. Derzeit sei der BER ein "Langzeitforschungsprojekt lärmarmer Flughafen".
Auch das Argument, die Wirtschaftlichkeit des Flughafens sei durch eine striktere Nachtruhe gefährdet, sei falsch. "Die Unwirtschaftlichkeit kommt durch die Kostenexplosion und durch jede weitere Verschiebung des Eröffnungstermins", sagte Kühn.
Martin Dörmann (SPD) sagte, es sei Aufgabe nachhaltiger Politik, wirtschaftliche Interessen und das Bedürfnis nach Mobilität in einen angemessenen Ausgleich mit dem notwendigen Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Gesundheitsschäden zu bringen. Um das zu erreichen, habe man sich im Koalitionsvertrag auf eine Vielzahl von Maßnahmen verständigt.
Trotzdem müsse ein Flughafen auch die Möglichkeit haben "wirtschaftlich erfolgreich zu agieren". Beim BER würden schon so strenge Lärmschutzgrenzwerte für den Tag gelten, "wie an keinem anderen Flughafen weltweit". Zudem sei es "äußert zweifelhaft, ob selbst eine von den Gesellschaftern einvernehmlich beschlossene Ausweitung überhaupt rechtlich haltbar wäre".
Der Flughafen habe nämlich eine Betriebspflicht für die Stunden außerhalb der festgelegten Nachtruhezeit von Mitternacht bis fünf Uhr. Fluglinien könnten klagen, innerhalb der Randzeiten fliegen zu dürfen. Jede neue Änderung des Planfeststellungsverfahrens würde zu neuer Rechtsunsicherheit führen. Eine Ausweitung der Nachtruhezeit um insgesamt drei Stunden hätte zudem laut einem Gutachten jährliche Mindereinnahmen der Flughafengesellschaft von 40 Millionen Euro zur Folge. (jbb/03.04.2014)