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Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat Russland am Mittwoch, 9. April 2014, im Bundestag mit Blick auf den Ukraine-Konflikt eine Gefährdung des Friedens in der Welt vorgeworfen und den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu einem Verzicht auf "nationale Eiferei" aufgefordert. "Wer sieben Jahrzehnte nach Kriegsende beginnt, bestehende Grenzen in Europa mutwillig zu korrigieren, der verletzt nicht nur Völkerrecht, sondern der öffnet eine Büchse der Pandora, aus der Unfrieden immer wieder neu entstehen wird", warnte Steinmeier in der Debatte über den Etat des Auswärtigen Amtes im Haushaltsentwurf der Bundesregierung (18/700).
Der Außenminister hob hervor, dass es jetzt umso wichtiger sei, eine weitere Eskalation des Konflikts und eine Spaltung Europas zu verhindern. "Wo andere kopflos handeln, da dürfen wir es nicht auch noch sein, sondern müssen für Vernunft in der Außenpolitik stehen", mahnte der SPD-Politiker.
In einem nächsten Schritt müsse es gelingen, Russland und die Ukraine in ein direktes Gespräch miteinander zu bringen. Steinmeier äußerte die Hoffnung, dass bereits kommende Woche ein erstes Vorbereitungstreffen einer internationalen Kontaktgruppe zustande kommen werde, in der neben Russland und der Ukraine auch die EU und die USA vertreten sein sollen.
Steinmeier betonte in seiner knapp 20-minütigen Rede, dass Außenpolitik aus seiner Sicht "das Gegenteil von militärischer Eiferei" sei. Die Diplomatie sei "ihrem Wesen nach auf das Verhindern von gewaltsamen Konflikten ausgerichtet". Der Einsatz von Soldaten müsse jedoch als "Ultima Ratio" bestehen, denn: "Nicht nur durch Tun, auch durch Unterlassen können wir uns schuldig machen."
Dr. Frithjof Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen) lobte das europäische Vorgehen in der Ukraine-Krise und zollte insbesondere auch den Einsatz Steinmeiers Respekt. Kritik übte er jedoch an der Afrika-Politik der Bundesregierung. Seit 2007 belaste der Konflikt um die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen die Beziehungen zu den afrikanischen Staaten.
Es sei vollkommen"unverständlich", sagte Schmidt, dass von den afrikanischen Staaten weiterhin eine Marktöffnung von 75 bis 80 Prozent gefordert werde, die ganz Wirtschaftszweige gefährde. Dies schade den Zielen der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik.
Die Drohung, den europäischen Markt für die Produkte aller afrikanischen Länder "dicht zu machen", wenn die Abkommen nicht unterzeichnet würden, sei eine "unwürdige Erpressung". Dies sei "keine partnerschaftliche Außenpolitik auf Augenhöhe mit Afrika", kritisierte Schmidt.
Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Dr. Andreas Schockenhoff kritisierte in seiner Rede die Äußerung Steinmeiers, dass Russland kein Interesse an einem kollabierenden Staat in seiner Nachbarschaft habe. "Das ist westliches Wunschdenken, es entspricht überhaupt nicht dem Nullsummendenken Moskaus", sagte der CDU-Politiker.
Die Aussicht, einen stabilen und demokratischen Staat in seiner Nachbarschaft zu haben, werte Russland als Machtverlust und nicht als Chance. Ein solcher Nachbar würde von Moskau als Bedrohung angesehen, weil er das eigene "autokratische System und die Elitenkleptokratie" infrage stelle.
Schockenhoff vertrat daher die Ansicht, dass Russland alles tun werde, um eine engere Anbindung der Ukraine an die EU zu verhindern. Es werde alles versuchen, so der CDU-Politiker, das Land zu spalten und die Wiederaufbaubemühungen von Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU zu stören.
Niels Annen (SPD) betonte, nicht jeder Debattenbeitrag in den vergangenen Tagen und Wochen aus der EU oder der Nato sei hilfreich gewesen. "Kraftmeierei, Planspiele zur schnellen Ausdehnung der Nato und Aufrüstung derselben" ersetzten nicht den "mühsamen Weg des Ringens um eine vernünftige, nachhaltige Lösung" der Ukraine-Krise. Die deutsche Außenpolitik setze auf Dialog und die Überzeugungskraft der eigenen Argumente. Den Vorwurf der Militarisierung, wie er von der Linksfraktion immer wieder erhoben wird, wies Annen zurück.
Der SPD-Politiker sprach mit Blick auf den vorliegenden Haushalt des Auswärtigen Amtes von einem "positiven Trend", sieht allerdings Nachbesserungsbedarf unter anderem im Bereich der Krisenprävention, wo die Ausgaben um zwei Millionen Euro gekürzt werden sollen. Hier werde man im Laufe der Beratungen noch über Nachbesserungen reden müssen, sicherte er zu.
Auch Michael Leutert von der Fraktion Die Linke kritisierte, dass bei "besonders wichtigen Kapiteln", nämlich in den Bereichen Abrüstung, Krisenprävention und der Afrika-Initiative, der Rotstift angesetzt worden sei. Daher werde der vorliegende Etatentwurf den Absichtserklärungen des Außenministers nicht gerecht.
"Wie viel Geld sind Sie denn bereit zu geben für die klugen Initiativen und die Ausstattung des diplomatischen Instrumentenkastens?", fragte Leutert in Richtung Regierungsbank. Der Entwurf gebe eine Antwort darauf: "Nichts." Noch immer bewege sich der Anteil des Auswärtigen Amtes am Gesamtetat bei ungefähr einem Prozent, bemängelte Leutert. Daran habe sich seit zehn Jahren nichts geändert.
Dass es auch anders gehe, habe der Haushalt des Bildungs- und Forschungsministeriums gezeigt, der in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen sei. Für die zivile Außenpolitik aber, in dem die Aufgaben "unermesslich groß" seien, sei die Bundesregierung lediglich bereit, 3,63 Milliarden Euro auszugeben. Leutert kritisierte dies als den "falschen Weg". Es brauche mehr und nicht weniger Geld für die zivile Außenpolitik.
Tatsächlich sieht der Etatentwurf für den Bereich "Abrüstung und Rüstungskontrolle" eine Kürzung von 32,17 Millionen Euro auf 30 Millionen Euro vor. Für "Krisenprävention, Friedenserhaltung und Konfliktbewältigung" stehen ebenfalls nur noch 95,2 Millionen statt bisher 93,12 Millionen Euro zur Verfügung. Die "Afrika-Initiative" soll nur noch 7,98 Millionen Euro erhalten und nicht wie im Vorjahr 9,02 Millionen.
Insgesamt kann sich Steinmeiers Ministerium in diesem Jahr über rund 147,64 Millionen Euro mehr im Haushalt freuen. Mehr als ein Drittel der Gesamtausgaben entfallen auf das Kapitel "Sicherung von Frieden und Stabilität". Es soll 2014 ein finanzielles Volumen in Höhe von rund 1,48 Milliarden Euro umfassen.
Das bedeutet einen Ausgabenanstieg von 117,08 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr. Ein Großteil der Mittel, nämlich rund 792,6 Millionen Euro, werden für Leistungen an die Vereinten Nationen (VN) und im internationalen Bereich aufgewendet.
Auch in anderen Bereichen gibt es erheblich mehr Geld: Im Rahmen der Transformationspartnerschaften unterstützt das Auswärtige Amt in diesem Jahr Reformprozesse in Nordafrika und im Nahen Osten in Höhe von rund 37,8 Millionen Euro. Das bedeutet einen Aufwuchs von mehr als 20 Prozent.
Für Demokratisierungs- und Ausstattungshilfe und Maßnahmen zur Förderung stehen 22,8 Millionen Euro zur Verfügung und damit 2,8 Millionen Euro mehr als 2013. Nennenswert sind darüber hinaus die Leistungen im Rahmen des Stabilitätspaktes Afghanistan der Bundesregierung. Insgesamt werden hierfür rund 180 Millionen Euro bereitgestellt, fast zehn Millionen Euro mehr als noch im Vorjahr.
Der Etatentwurf weist zudem 145,22 Millionen Euro an Einnahmen aus. Das sind rund 21,36 Millionen Euro mehr als 2013. Größter Ausgabenposten sind mit 2,24 Milliarden Euro die Zuweisungen und Zuschüsse (2013: 2,14 Milliarden Euro). Das Kapitel "Bilaterale Zusammenarbeit und Pflege der Auslandsbeziehungen" umfasst ein finanzielles Volumen in Höhe von rund 85,6 Millionen Euro (2013: 91,9 Millionen Euro). Hiermit werden vor allem Projekte der Nichtregierungsorganisationen unterstützt.
Für Personalausgaben sind 925,08 Millionen Euro veranschlagt, 18,14 Millionen Euro mehr als im vergangenen Jahr. Für sächliche Verwaltungsausgaben sind 300,119 Millionen Euro eingeplant (2013: 279,46 Millionen Euro), für Investitionen 169,24 Millionen Euro (2013: 188,6 Millionen Euro). (joh/09.04.2014)