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Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat sich klar zur Industrieproduktion in Deutschland bekannt. Als andere Länder auf Finanzmärkte und Internet gesetzt und die Industrie vernachlässigt hätten, sei Deutschland den Weg nicht mitgegangen und stehe deshalb heute besser da als andere in Europa. "Wir sind ein Land, das nicht über Reindustrialisierung reden muss", stellte Gabriel am Donnerstag, 10. April 2014, in der Debatte über Etat des Ministeriums für Wirtschaft und Energie (18/700, Einzelplan 09) erfreut fest. Das sei die "Grundlage unseres wirtschaftlichen Erfolges".
Gabriel meinte, die Bürger wollten die Energiewende, "aber eine Energiewende, die nicht mehr im Treibsand politischer Verantwortungslosigkeit versinkt und nicht im Nebeneinander und Gegeneinander von Interessen- und Lobbyistengruppen feststeckt, sondern politisch vorangetrieben wird". Es müsse wieder Planungs- und Versorgungssicherheit geben, Kostenexplosionen dürften nicht ignoriert werden. Hier habe diese Regierung nach 100 Tagen schon mehr geleistet als andere in einer ganzen Legislaturperiode.
Der Wirtschaftsminister räumte ein, dass die Energiewende ein auf dieser Welt einmaliges Projekt sei, das sehr erfolgreich sei: "Zur Wahrheit gehört auch, dass wir die Komplexität der Herausforderung unterschätzt haben." Es sei ein Fehler gewesen, in der Vergangenheit nur auf Schnelligkeit des Ausbaus und nicht auf die Planbarkeit und Berechenbarkeit gesetzt zu haben.
Wenn die Stabilität in Netzen von den Übertragungsnetzbetreibern nur "unter Hinzurechnung von Kernkraftwerken im Ausland, die wir seit Jahren geschlossen sehen wollen", sichergestellt werden könne, "dann muss es ein Problem in der Art unserer Energiewende geben". Gabriel reagierte damit auf einen Zeitungsbericht, wonach die Bundesnetzagentur angeblich das älteste französische Kernkraftwerk Fessenheim am Rhein als Reserve zur Abwendung eines Blackouts in Deutschland ansieht.
Auch Michael Fuchs (CDU/CSU) erklärte, wenn die Bundesnetzagentur mit Stromlieferungen aus Fessenheim planen müsse, um sicherzustellen, dass das deutsche Atomkraftwerk Grafenrheinfeld abgeschaltet werden könne, "dann ist das sicherlich ein Fehler".
Fessenheim sei mit über 40 Jahren Laufzeit das älteste Kraftwerk Frankreichs, und "es wird allerhöchste Zeit, dass das abgeschaltet wird", forderte Fuchs. Es müsse viel mehr Intensität in den Netzausbau gelegt werden. Nur dann könne die Wiederanschaltung von Atomkraftwerken verhindert werden. Fuchs warnte vor einem schleichenden Abschied der Industrie durch hohe Energiekosten und forderte Investitionen in Speichertechnologien.
Gabriel sagte, die Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) schaffe berechenbare Ausbaukorridore und neu justierter Förderung sowie Schritten zur Marktintegration auf dem Weg zu Ausschreibungen. Zugleich sei es gelungen, in den Verhandlungen mit der EU-Kommission die Wirtschaft vor unzumutbaren Belastungen zu bewahren. "Das ist nicht irgendein Nebeneffekt, sondern die Voraussetzung dafür, dass wir die Unterstützung unserer Bevölkerung für die Energiewende beibehalten. Wer glaubt, die Gefährdung Hunderttausender Industriearbeitsplätze hätte keine Auswirkung auf die Unterstützung der Energiewende, der irrt sich gewaltig", warnte Gabriel.
Industrieller Erfolg, Klimaschutz und Energiewende müssten zusammenpassen. Die Wirtschaft trage fast genau so viel zur EEG-Umlage bei wie die privaten Verbraucher. Wenn die Befreiung der Wirtschaft komplett aufgegeben worden wäre, würde sich die Entlastung eines Drei-Personen-Haushaltes bei 40 Euro im Jahr bewegen. Da könne man durch Wechsel des Stromanbieters mehr sparen. Dagegen hätten durch den Wegfall der Befreiungen Hunderttausende ihre Arbeitslätze verlieren können. Die EEG-Umlage und nicht die Industriebefreiung sei zu einer "massiven Belastung" geworden. Thomas Jurk (SPD) lobte Gabriel für dessen "Herkulesarbeit" bei der EEG-Reform.
Massive Kritik an den EEG-Plänen der Koalition gab es von Bündnis 90/Die Grünen. Gabriel würge die Fotovoltaik und Bioenergie ab. Das wäre auch bei der Windenergie geschehen, wenn die Bundesländer nicht "den dümmsten Irrsinn" verhindert hätten, kritisierte Oliver Krischer. Windenergie sei die preiswerteste Art, Strom zu erzeugen. Aber Gabriel lasse sich von dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU), den Krischer als "energiepolitischen Amokläufer" bezeichnete, erpressen, indem einer Änderung des Bundesbaugesetzes zugestimmt werde. Durch den Mindestabstand von 2.000 Metern von jeder Wohnbebauung "verhindern Sie jede Windenergieanlage in Deutschland", warnte Krischer.
Die Ausnahmeregelungen für die Industrie beim EEG seien ein "Husarenstück". Angekündigt worden sei eine Entlastung der Verbraucher in Höhe von einer Milliarde Euro. Die Mehrbelastung betrage aber 2,5 Milliarden Euro. Wenn nur die Verbraucher zahlen und die Industrie nur profitiere, zerstöre das die Akzeptanz der Energiewende.
Gabriel hatte den Konflikt um die Ukraine zu den Risiken für die deutsche Wirtschaft gezählt. Es sei richtig, jede Möglichkeit zur Deeskalation zu nutzen. Das Spekulieren über Militärstärke oder das ständige Rufen nach Wirtschaftssanktionen "befördert weder die Entwicklung für den Frieden in Europa noch die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes und im Rest Europas".
Zugleich nahm er Abstand von früheren Forderungen nach Steuererhöhungen: "Kein Mensch in Deutschland würde es verstehen, wenn wir angesichts sprudelnder Steuereinnahmen öffentlich erklären, wir hätten zu wenig und müssten sie erhöhen." Wie Gabriel forderte auch Fuchs, die Nutzung von Steuersparmöglichkeiten im Ausland durch Großkonzerne abzustellen. Erfreut zeigte sich Fuchs über die Rückkehr von Griechenland an den Kapitalmarkt. "Das zeigt, wie stabil der Euro geworden ist."
Roland Claus (Die Linke) kritisierte, dass nur ein Prozent des gesamten Bundesetats in die Wirtschaftsförderung fließen würden. "Damit kann man nicht wirklich Wirtschaftspolitik machen", kritisierte Claus, der ein großes Zukunftsinvestitionsprogramm forderte. Dann müsse aber über neue Einnahmemöglichkeiten geredet werden.
Zugleich kritisierte er "Haushaltshaltstricks" zur Subventionierung staatsnaher Monopolisten wie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das aus mehreren Einzelplänen subventioniert werde. Solche Tricks, aus mehreren Etats immer die gleichen Institutionen zu subventionieren, "werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen".
Im Entwurf des Einzelplans 09 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie heißt es zur Energiepolitik: "Zentrales Anliegen ist dabei, die Ziele des energiepolitischen Dreiecks aus Klima- und Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit sowie Bezahlbarkeit miteinander in Einklang zu bringen." Dem Etat des Wirtschaftsministerium sollens in diesem Jahr insgesamt 7,41 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, rund 1,29 Milliarden Euro mehr als im Haushalt des Jahres 2013 vorgesehen waren.
Der Haushaltsentwurf weist zudem 427,08 Millionen Euro an Einnahmen aus. Das sind rund 762.000 Euro mehr als 2013. Größter Ausgabenposten sind mit 5,06 Milliarden Euro die Zuweisungen und Zuschüsse, die um 1,25 Milliarden Euro ansteigen sollen. (hle/10.04.2014)