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Schon knapp eine Woche nach seiner Wahl zum Vorsitzenden des NSA-Untersuchungsausschusses ist Clemens Binninger (CDU/CSU) am Mittwoch, 9. April 2014, überraschend von diesem Amt zurückgetreten. Zur Begründung sagte der CDU-Abgeordnete, im Gefolge des Streits um die von der Opposition betriebene Ladung des ehemaligen NSA-Bediensteten Edward Snowden als Zeuge habe sich schon bei der Konstituierung des Gremiums offenbart, dass eine "sachdienliche Zusammenarbeit aller Fraktionen nicht möglich sein wird".
Zum Nachfolger Binningers wurde am Donnerstag, 10. April, Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) bestimmt. Der bisherige CDU/CSU-Obmann kündigte an, sich im Sinne des von allen Fraktionen beschlossenen Untersuchungsauftrags erneut um Gemeinsamkeit im Ausschuss bemühen zu wollen. Neuer Obmann der Unionsfraktion ist Roderich Kiesewetter. Stellvertretender Ausschussvorsitzender bleibt Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD).
Das achtköpfige Gremium will die massenhafte Überwachung der Telefon- und Internetdaten von Bürgern, Unternehmen und Politikern bis hin zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor allem durch den US-Geheimdienst NSA und den britischen Nachrichtendienst durchleuchten. Ins Rollen gebracht hatten diesen Spähskandal die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden.
Linke und Grüne hatten schon bei der Konstituierung des Ausschusses am Donnerstag, 3. April, einen Antrag zur Ladung Snowdens eingebracht, der momentan aufgrund russischen Asyls in Moskau lebt. Schon am Donnerstag, 10. April, wollen die Oppositionsfraktionen über dessen Benennung als Zeugen abstimmen lassen, was sie aufgrund ihrer Minderheitenrechte auch allein durchsetzen können.
Über den Zeitpunkt und die Modalitäten einer Befragung Snowdens muss indes mit Mehrheit entschieden werden, was somit in der Hand der Großen Koalition liegt. Die Grünen erklärten am Donnerstag, eine Ladung dieses Zeugens notfalls gerichtlich erwirken zu wollen.
Bei der Bekanntgabe seines Rücktritts warf Binninger der Opposition vor, ausschließlich die Vernehmung Snowdens in den Mittelpunkt der Arbeit stellen zu wollen. Diese "einseitige Fixierung" würde, so der CDU-Abgeordnete, auch zu "Aufgabenkonflikten" mit seiner Tätigkeit als Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums führen.
Linke und Grüne wollten die Personalie Snowden "medial inszenieren", kritisierte Binninger. Seitens der Opposition sei ein gemeinsamen Vorgehen "offensichtlich nicht gewünscht". Ein Untersuchungsausschuss solle nicht in erster Linie der parteipolitischen Profilierung dienen. Er zeigte sich skeptisch, ob Snowden Neues zur Aufklärung der NSA-Affäre beisteuern könne.
Sensburg äußerte Verständnis für eine "gewisse Enttäuschung" Binningers. Christian Flisek (SPD) sagte mit Blick auf die Debatte von Linken und Grünen zu Snowden: "Da wird eine Show inszeniert." Diese "unnötige Schärfe" bringe die Aufklärung nicht voran, so der SPD-Obmann.
Snowden sei zwar ein "Schlüsselzeuge", doch dürfe man den Ausschuss nicht auf eine "reine Snowden-Veranstaltung reduzieren". Das Gremium werde nur etwas erreichen, "wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen und nicht ins parteipolitische Klein-Klein verfallen".
Flisek kündigte an, die Koalition werde am Donnerstag den Antrag der Opposition auf die Benennung Snowdens als Zeuge vertagen. Erst einmal solle die Regierung "verbindlich" darlegen, wie der rechtliche Rahmen für einen Auftritt des von Washington als Staatsfeind per Haftbefehl gesuchten US-Amerikaners im Bundestag aussehe. Dessen Befragung müsse gut vorbereitet werden.
Sensburg betonte, es sei nicht Aufgabe des Ausschusses, Snowden "Asyl zu verschaffen". Er lehne dessen Anhörung nicht prinzipiell ab, doch müsse geprüft werden, ob dies das Gremium überhaupt weiterbringe. Der designierte Vorsitzende betonte, eine Vernehmung Snowdens im Bundestag könne nur geheim erfolgen. Es existiere kein Zeitdruck, da Snowden vorerst bis August in Moskau Asyl genieße.
Die Linke bedauerte den Rücktritt Binningers, den man beim NSU-Komplex als "engagierten Aufklärer" kennengelernt habe. Die Abgeordnete Martina Renner (Die Linke) zeigte sich über diesen Schritt überrascht, da die Beratungen im NSA-Gremium bislang konstruktiv verlaufen seien.
Offenbar aber wollten CDU und CSU eine persönliche Vernehmung Snowdens im Ausschuss noch nicht akzeptieren.
Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) nannte es "schlicht absurd", die Opposition für Binningers Rücktritt verantwortlich zu machen.
Der Grünen-Abgeordnete führte dessen Rückzug auf den "massiven Druck" zurück, den die Fraktionsführung der Union und das Kanzleramt auf den Ausschuss ausübten. Diese Einflussnahme hintertreibe die "dringend notwendige Aufklärungsarbeit des größten Überwachungs- und Geheimdienstskandals aller Zeiten". (kos/10.04.2014)