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Als Praktikantin ist Diana Buniatyan im Grunde total überqualifiziert. Nach einem abgeschlossenem Medizinstudium hat die 29-jährige Armenierin auch die Facharztausbildung zur Neurologin beendet. Und dennoch absolviert sie derzeit ein Praktikum im Rahmen des fünfmonatigen Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS) im Deutschen Bundestag.
"Ich möchte in der Zukunft zu Verbesserungen im Gesundheitsbereich Armeniens beitragen", nennt sie ihre Beweggründe und liefert eine erschütternde Beschreibung der derzeitigen Situation in den Krankenhäusern ihrer Heimat: Unglaublich schlecht bezahlte Ärzte, die auf die "Trinkgelder" der Patienten angewiesen sind. Und Patienten, die wiederum nur dann überhaupt behandelt werden, wenn sie die Kosten der Behandlung gegenüber der Klinik tragen können.
"Wenn ich in meinem Land etwas tun kann, damit sich die Lage verbessert, geht das nur als Politikerin", sagt sie. Ihr Plan: Nach etwa zehnjähriger ärztlicher Tätigkeit den Schritt in die Gesundheitspolitik wagen. "Mein großer Traum ist es, Gesundheitsministerin zu werden", sagt sie und bleibt dennoch realistisch: "Das muss ja nicht so kommen. Es ist aber gut, wenn man ein Ziel hat, auf das man hinarbeiten kann."
Das IPS ist da sicherlich ein erster Schritt. Um so mehr, als dass Diana Buniatyan die Zeit im Bundestag im Büro des CDU-Gesundheitspolitikers Rudolf Henke verbringt. "Da habe ich wohl Glück gehabt", freut sich die Armenierin.
Erste Erkenntnisse hat sie schon gesammelt. In Deutschland, so erzählt die Ärztin, beschäftige sich die Politik sehr stark mit dem Thema Prävention. "Bei uns ist das leider kein Thema, dabei wäre Aufklärung sehr wichtig", sagt sie. Etwa wenn es um das Thema Schlaganfall geht.
Kein Nachtdienst im Universitätsklinikum der Hauptstadt Jerewan vergehe, ohne dass drei oder vier derartige Notfälle eingeliefert würden. Kein Wunder, sagt Diana Buniatyan. Armenier hätten oft mit hohem Blutdruck zu tun, was wiederum auf die Essgewohnheiten zurückzuführen sei: zu fettig, zu salzig und zu viel Fleisch.
Das größte Problem des armenischen Gesundheitssystems aber ist: Es gibt überhaupt kein Krankenkassensystem. "Als ich das Herrn Henke erzählt habe, war er regelrecht geschockt", sagt Diana Buniatyan. Konkret bedeutet das: Wer nicht zahlen kann, wird auch nicht behandelt.
"Wir Ärzte müssen also erst mal herausbekommen, ob der Patient die Behandlung bezahlen kann." Eine denkbar unangenehme und irgendwie mit dem Arztberuf überhaupt nicht in Einklang zu bringende Aufgabe.
Dazu kommt noch der Verdienst. 150 bis 200 Euro Lohn erhielten Fachärzte, sagt Diana Buniatyan. Unvorstellbar! Wovon leben die Ärzte dann? Von den "Trinkgeld-Zuwendungen" der Patienten, erzählt Diana Buniatyan. Das sei in Armenien völlig normal.
Eine weitere unangenehme Folge dieser Art der "Entlohnung": Ärzte wüssten nie im Voraus, wie viel Geld sie in einem Monat bekommen. "Das ist abhängig davon, ob die Patienen viel oder wenig nebenbei zahlen." So verwundert ihre Einschätzung auch nicht weiter: "Die Ärzte sind unmotiviert und kümmern sich mehr schlecht als recht um ihre Patienten", sagt sie. "Die meisten haben einfach keinen Bock mehr."
Dagegen will sie etwas tun, obwohl es für Diana Buniatyan persönlich sicherlich der bequemste Weg wäre, sich als Ärztin in Deutschland anzusiedeln. Ihre Deutschkenntnisse zumindest sind hervorragend, die Bezahlung an deutschen Kliniken bei Weitem besser als in Armenien.
Die 29-Jährige räumt ein, schon darüber nachgedacht zu haben. Vielleicht, so sagt sie, werde sie auch ein paar Jahre in Deutschland bleiben. "Im Hinterkopf habe ich aber immer, dass ich zurück will und etwas ändern möchte." In Deutschland, so Diana Buniatyan weiter, wäre sie "eine unter Millionen". Anders zuhause. "In Armenien könnte ich etwas Grundsätzliches tun." Eine sehr ehrenvolle Haltung.
Was aber tun die derzeitigen Politiker in Armenien, um an dem Zustand etwas zu ändern? Nichts, sagt Diana Buniatyan, die offenbar wenig Vertrauen in die Regierung, aber auch in das Parlament hat. Die Abgeordneten in ihrer Heimat seien alles Geschäftsleute, die ihr Mandat nur nutzen würden, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Abgeordnete wie Regierungsmitglieder lebten in totalem Luxus auf Kosten der Bevölkerung, sagt sie.
Wahlen hätten daran nichts ändern können, da sie schlicht gefälscht gewesen seien. "Ich war selbst – wie viele meiner Freunde – Wahlbeobachterin und habe gesehen, wie mit den Wahlzetteln umgegangen wurde und wie wir als Wahlbeobachter bedroht wurden", erzählt sie.
Daher habe es sie auch geärgert, dass internationale Wahlbeobachter zu der Erkenntnis gelang sind, die Wahlen seien korrekt verlaufen. "Ich wünsche den Leuten mal eine solche Wahl in ihrem eigenen Land", findet sie deutliche Worte.
Wie die Zukunft der Diana Buniatyan aussieht, wird sich zeigen. Nach der Zeit im Bundestag fliegt sie mit ihrem deutschen Freund zuerst einmal in ihre Heimat. "Er soll Armenien kennenlernen", wünscht sie sich. Im Herbst will sie an der Universitätsklinik in Mainz ihre Doktorarbeit fertigschreiben.
Und dann? "Ich weiß es noch nicht genau – vielleicht mache ich noch einen Aufbaustudiengang in Gesundheitsmanagement", denkt sie laut nach. Ja, und vielleicht wird sie ja mal wirklich Gesundheitsministerin in Armenien. Ärzten und Patienten wäre es zu wünschen. (hau/14.04.2014)