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Der Vorsitzende des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union, Gunter Krichbaum (CDU/CSU), spricht sich angesichts der Situation in der Ukraine für Wirtschaftssanktionen gegen Russland aus. "Der Schlüssel für die Lösung liegt in den Händen des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Daher muss auch der Druck auf die russische Regierung zunehmen", sagt der Unionsabgeordnete, der vom 13. bis 16. April 2014 mit einer Delegation des EU-Ausschusses im Ostteil der Ukraine weilte und sich dort auch mit dem Oligarchen Rinat Achmetow traf. Aus Krichbaums Sicht ist der milliardenschwere Unternehmer ein wichtiger Gesprächspartner, weil er "nicht nur in beide Teile der Ukraine vermitteln könnte, sondern auch gute Kontakte nach Russland hat". Was die Ängste der Nachbarn Russlands angeht, so zeigt der Parlamentarier im Interview Verständnis. Das System der Destabilisierung der Ukraine sei auch auf andere Staaten anwendbar, warnt Krichbaum und fordert: "Wir sollten so viel Salz in die ukrainische Suppe streuen, dass Putin der Appetit vergeht." Sonst bestehe die Gefahr, dass der Machthunger Russlands weitergeht – über die Ukraine hinaus. Das Interview im Wortlaut:
Herr Krichbaum, was macht eine Delegation des EU-Ausschusses im Ostteil der Ukraine, die doch gar nicht der EU angehört?
Das ist zwar richtig. Im Rahmen der sogenannten "Östlichen Partnerschaft" befassen wir uns aber schon lange mit der Ukraine. Im Übrigen muss uns das Schicksal unserer Nachbarn interessieren. Wir können in der Europäischen Union nicht in Stabilität, in Frieden und Freiheit leben, wenn es an den Außengrenzen kracht.
Wie empfanden Sie denn die Sicherheitslage vor Ort?
Nun ja, die war nicht ganz unbedenklich. Wir waren beispielsweise am Dienstag noch im Rathaus zu einem Treffen mit dem Oberbürgermeister von Donezk. Mittwoch wurde das Rathaus von bewaffneten Kräften gestürmt. Auf der anderen Seite haben wir auch festgestellt, dass die Verwaltungsabläufe – auch in den besetzten Gebäuden – ganz normal weitergehen. Das ist schon bizarr: Die Mitarbeiter gehen da morgens rein und zum Feierabend wieder ganz normal nach Hause.
In russischen Medien ist aber von bürgerkriegsähnlichen Zuständen die Rede…
Das ist gewollt. So soll in der Welt der Eindruck von großen Umwälzungen, an denen sich Hunderttausende beteiligen, entstehen. Die Separatisten wollen einen neuen Maidan – aber unter umgekehrten Vorzeichen. Während auf dem Maidan in Kiew den ganzen Winter über Zehntausende aus allen Schichten der Gesellschaft demonstrierten, sind das hier professionelle militärische Kräfte, die andere Schergen anziehen. Man wartet gerade sehnsüchtig darauf, dass die besetzen Gebäude gestürmt werden. Solche Bilder würden dann durch die Welt gehen und wären Wasser auf die Mühlen der russischen Seite und böten die Möglichkeit, einzugreifen.
Aber Russland Präsident Wladimir Putin sagt, man habe mit den bewaffneten Kräften, die für eine Spaltung der Ukraine kämpfen, nichts zu tun. Glauben Sie ihm das?
Nein, das tue ich nicht. Es gibt sehr Vieles, was daraufhin deutet, das Russland hier die Finger im Spiel hat. Die Besetzung von Polizeiposten oder Verwaltungsgebäuden erfolgt immer nach einem gewissen Schema: Zuerst kommen bewaffnete Milizen – 10 bis 20 Mann stark. Das zieht danach andere kriminelle Kräfte an. Die Milizen wirken professionell ausgebildet und haben auch eine einheitliche Bewaffnung russischer Bauart. Außerdem sprechen sie untereinander ein Russisch, wie es in der russischsprachigen Bevölkerung der Ostukraine nicht gepflegt wird. Zudem gibt es noch abgehörte Telefonate zwischen Moskau und dem Ostteil der Ukraine, in denen es regelrechte Direktiven gibt.
Wie soll es nun in der Ukraine weitergehen?
Der Schlüssel für die Lösung liegt in Moskau, er liegt in den Händen des russischen Präsidenten Putin. Daher muss auch der Druck auf die russische Regierung zunehmen. Der Erfolg der bisherigen Maßnahmen, wie der Einreisebeschränkungen und Kontensperrungen, bleibt ja offenkundig aus.
Also doch Wirtschaftssanktionen?
Ja, auch wenn wir es im Grunde nicht wollen, müssen wir Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland aussprechen. Diese würden im Übrigen Russland sehr viel mehr treffen als uns.
Wo steht eigentlich die Bevölkerung der Ostukraine? Gibt es eine Mehrheit für einen Anschluss an Russland?
Nein, auch im Ostteil will eine satte Mehrheit – etwa 75 Prozent – weiterhin in der Ukraine leben. Die Menschen möchten aber mehr Eigenverantwortung, mehr Mitbestimmung. Es geht um eine Regionalisierung. Schlussendlich wird auch da die Lösung zu finden sein. Aus dieser verfahrenen Situation kommt man nur heraus, wenn beide Teile der Ukraine aufeinander zugehen. Derzeit gibt es aber auch sehr viel Misstrauen gegenüber der Zentralregierung, die als eine ihrer ersten Amtshandlungen versuchte, Ukrainisch als alleinige Amtssprache festzulegen.
Als einer, der zwischen beiden Seiten vermitteln kann, gilt der Unternehmer und Oligarch Rinat Achmetow. Sie haben auf ihrer Reise auch mit ihm gesprochen…
Nicht nur ich – auch Außenminister Steinmeier hat das unlängst getan. Das ist auch nötig, um zu einer Lösung zu kommen. In der Ukraine haben wir es nun einmal mit Strukturen der Oligarchie zu tun. Achmetow ist einer, der nicht nur in beide Teile der Ukraine vermitteln könnte. Er hat auch gute Kontakte nach Russland.
Die aktuelle Situation in der Ukraine – beginnend mit der Annexion der Krim – sorgt auch bei anderen Nachbarn Russlands für Ängste. Haben Sie dafür Verständnis?
Auf jeden Fall. Die Destabilisierung der Ukraine hat System. Dieses System ist auch auf andere Staaten anwendbar, ich erinnere nur an Georgien und vor allem die Republik Moldau mit dem Transnistrien-Konflikt. Daher sollten wir soviel Salz in die ukrainische Suppe streuen, dass Putin der Appetit vergeht. Sonst besteht die Gefahr, dass der Machthunger Russlands weitergeht – über die Ukraine hinaus.
(hau/17.04.2014)