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Die Fraktion Die Linke fordert einen sofortigen Stopp von sogenannten "Zwangsverrentungen" von Leistungsbeziehern nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II). Der Bundestag debattierte über den entsprechenden Antrag der Linksfraktion (18/589) am Donnerstag, 8. Mai 2014, in erster Lesung. Während die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Unterstützung für den Antrag signalisierte, lehnten ihn die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD als "Schnellschuss" ab.
Nach der derzeitigen Gesetzeslage würden 63-jährige arbeitslose Bezieher von Leistungen nach dem SGB II, also zum Beispiel Arbeitslosengeld II, von den Jobcentern aufgefordert, auch dann einen Antrag auf vorzeitige Verrentung zu stellen, wenn sie eigentlich arbeiten wollen, sagte der Abgeordnete Matthias Birkwald (Die Linke). Dies widerspreche dem rentenrechtlichen Grundsatz, dass ausschließlich die betroffene Person über einen Antrag auf vorzeitige Rente zu entscheiden hat und sei somit ein "massiver Eingriff in die Freiheitsrechte".
Zudem führe eine vorzeitige Verrentung zu erheblichen Abschlägen bei der Rente. Aktuell bedeute eine vorzeitige Verrentung eines 63-Jährigen zu einer lebenslangen Kürzung der Rentenbezüge um 8,7 Prozent. Da diese Regelung unabhängig von der zu erwartenden Rentenhöhe gelte, sei es nicht ausgeschlossen, dass Menschen im Alter in eine dauerhafte Fürsorgeabhängigkeit des Staates gerieten. Birkwald forderte die Bundesregierung auf, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, um der "Zwangsverrentung" ein Ende zu machen.
Markus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen) unterstützte den Antrag und forderte die Koalitionsfraktionen auf, ihn in den Ausschussberatungen gründlich zu prüfen und nicht von vornherein zu verwerfen. Der Antrag sei wohlbegründet.
Die Geschichte des SGB II sei in der Tat eine "Geschichte der fortgesetzten Diskriminierung", kritisierte Kurth. Die Diskriminierung von Langzeitarbeitslosen durch die zwangsweise Frühverrentung müsse beendet werden.
Die Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion lehnten den Antrag hingegen ab. Die Linke wolle sich vor der Europawahl lediglich wichtig machen, kritisierte die CDU-Parlamentarierin Christel Voßbeck-Kayser. Der Antrag sei ein "Schnellschuss" und konterkarriere die laufende Überarbeitung des SGB II durch die Arbeitsgruppe von Bund und Ländern.
Ihre Fraktionskollegin Dr. Astrid Freudenstein hielt der Linksfraktion entgegen, dass die derzeitige Regelung dem System der deutschen Sozialgesetzgebung entspreche. So seien Leistungen nach dem SGB II gegenüber der Rente eine nachrangige Fürsorgeleistung des Staates. Es sei deshalb folgerichtig, dass arbeitslose Bezieher von Leistungen vorzeitig verrentet würden.
Das Gesetz sehe aber auch eine Reihe von Ausnahmen vor. So würden 63-jährige Arbeitslose, die eine Beschäftigung in Aussicht hätten, eben nicht vorzeitig in Rente geschickt. Gleiches gelte für die sogenannten Aufstocker nach dem SGB II.
Der SPD-Parlamentarier Markus Paschke räumte ein, dass die Gefahr von Bedürftigkeit im Alter in jedem Fall gebannt werden müsse. Dafür setze sich die Koalition auch ein und habe Erfolge vorzuweisen. Eile bei der Änderung der aktuellen Gesetzeslage sei fehl am Platz.
Auch Pasche verwies auf die Ausnahmeregelungen bei den Frühverrentungen. Allerdings sei auch die Wirtschaft an diesem Punkt gefordert, sie müsse mehr Arbeitsplätze für ältere Menschen berei stellen. Die Beschäftigungsrate von älteren Menschen habe in den vergangenen Jahren jedoch auch zugenommen. (aw/08.05.2014)