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Der Bundestag dringt auf weitere Hilfsmaßnahmen für Flüchtlinge aus Syrien. "Die internationale Gemeinschaft und auch Deutschland sollten ihre humanitäre Hilfe weiter intensivieren", heißt es in einem Antrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD (18/1333), den das Parlament am Donnerstag, 8. Mai 2014, gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Linksfraktion verabschiedete.
Keine Mehrheit fand dagegen ein Antrag der Grünen-Fraktion (18/1335), der ebenfalls auf verstärkte Hilfsbemühungen für die Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland abzielte. In beiden Vorlagen wird die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, die deutschen Sondermittel für humanitäre Hilfe und Krisenbewältigung in Syrien und in der Region zu verstetigen "und gegebenenfalls im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel zu erhöhen" sowie auf die anderen EU-Staaten einzuwirken, ebenfalls deutlich mehr Gelder für die humanitäre Unterstützung in der Region zu verwenden.
Nach dem Parlamentsbeschluss soll sich die Bundesregierung zudem auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass auch die anderen Länder der Europäischen Union deutlich mehr syrische Flüchtlinge außerhalb des Asylsystems aufnehmen. In der Begründung verweisen CDU/CSU und SPD darauf, dass es in Syrien nach Angaben der Vereinten Nationen derzeit 6,5 bis 7,6 Millionen Binnenflüchtlinge gebe; 9,3 Millionen Menschen seien auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Hinzu kämen 2,4 Millionen syrische Flüchtlinge, die in den Nachbarländern registriert sind sowie Hunderttausende nicht registrierte Flüchtlinge aus Syrien.
Nach dem Willen der Grünen sollte die Bundesregierung darüber hinaus unter anderem auf die Bundesländer einwirken, die Anforderungen für den Familiennachzug von Schutzsuchenden zu in Deutschland lebenden Verwandten zu reduzieren und die Einreise für Familienangehörige aus Syrien zu vereinfachen.
In der Debatte sprach der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Dr. Gerd Müller (CSU), mit Blick auf die Situation in dem Bürgerkriegsland von der "größten humanitären Katastrophe der letzten Jahrzehnte". Müller mahnte, man dürfe die Menschen in Syrien nicht alleine lassen. Er verwies darauf, dass die Bundesregierung "seit Beginn der Krise mehr als eine halbe Milliarde an Hilfsleistungen erbracht" habe.
Man werde die Unterstützung verstärken und weiter vor Ort helfen. Mehr leisten müsse aber auch die Europäische Union. Dies betreffe ihre Mitgliedstaaten bei der Aufnahme syrischer Flüchtlinge. Auch sei an die EU-Kommission die Frage zu richten, wo "die Reaktion aus Brüssel" bleibe. Gebraucht werde ein "Sonderrat zur Lage der Flüchtlinge in Syrien" und ein europäisches Sonderprogramm zur Unterstützung der Anrainerländer.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Dr. Ole Schröder (CDU), sagte, der Schwerpunkt der deutschen Flüchtlingshilfe solle weiterhin vor Ort liegen. Dort sei der Einsatz der Mittel besonders wirkungsvoll. Schröder verwies zugleich darauf, dass seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs 36.000 Menschen aus Syrien nach Deutschland eingereist seien, um hier Asyl zu beantragen.
Darüber hinaus habe die Bundesregierung ein humanitäres Aufnahmeprogramm organisiert, um besonders Schutzbedürftige nach Deutschland zu holen. Ein Ziel dabei sei es gewesen, auch andere EU-Mitgliedstaaten zu ähnlichen Aufnahmeprogrammen zu bewegen, doch fänden sich nur "relativ zögerliche Nachahmer". Außerhalb der Krisenregion nehme die Bundesrepublik weltweit die meisten Flüchtlinge aus Syrien auf. Man könne aber die "Not des Bürgerkriegs hier nicht in Deutschland lösen".
Für Die Linke begrüßte ihre Abgeordnete Ulla Jelpke, dass die Bundesrepublik schon "einiges getan" habe, um syrische Flüchtlinge zu unterstützen. Deutschland könne und müsse aber mehr tun, betonte Jelpke. Sie kritisierte zugleich, in dem Koalitionsantrag werde darüber geschwiegen, dass es keine sicheren Wege für Flüchtlinge in die EU gebe und sich Deutschland an der der "Abschottung der Grenzen Europas" beteilige.
Ebenso schweige der Antrag darüber, welche tödlichen Folgen auch für syrische Flüchtlinge in diesem Zusammenhang zu beklagen seien. Man sei es aber den Opfern schuldig, hierüber nicht zu schweigen. Man könne nicht "Grenzen abschotten und so tun, als wenn man humanitäre Politik macht".
Die Grünen-Parlamentarierin Claudia Roth sagte, Syrien sei "Schauplatz einer humanitären Katastrophe unbeschreiblichen Ausmaßes". Deutschland helfe zwar, doch reiche dies "vorne und hinten nicht aus – auch wenn es besser ist als das, was der Rest Europas tut mit Ausnahme von Schweden".
Europa versage "erschreckend" und verweigere sich völlig seiner "humanitären Schutzverantwortung". Man müsse sehr viel mehr tun und sich auch in Europa für sehr viel mehr einsetzen. Notwendig seien etwa "deutlich mehr Flüchtlingsaufnahmebereitschaft hier bei uns" sowie eine Erleichterung der Familienzusammenführung.
Der SPD-Abgeordnete Achim Post erinnerte daran, dass am Ende des Zweiten Weltkriegs 500.000 Flüchtlinge aus Deutschland es 80 Aufnahmeländern zu verdanken hatten, "dass sie den Nazi-Terror überlebt haben". Deshalb sei Deutschland jetzt besonders in der Pflicht, etwas für Flüchtlinge – "in diesem Fall für Flüchtlinge aus Syrien" – zu tun.
Es sei aber auch zu fragen, was die Europäische Union mache. Er kenne keine EU-Programme für Syrien-Flüchtlinge oder verbindliche Vereinbarungen aller EU-Staaten. Nur wenn es eine EU-Flüchtlingskonferenz über Syrien gebe, könne man darüber reden, wie ein faires Verfahren organisiert werden könne. Es sei zwar gut, wenn Deutschland und auch Schweden in dieser Frage "viel tun, aber es ist nicht gut, wenn sehr viele sehr wenig oder gar nichts tun". Notwendig sei eine gesamteuropäische Lösung.
Als "vorbildlich" bewertete der CDU-Parlamentarier Philipp Mißfelder den humanitären Beitrag Deutschlands.
"Natürlich wünschten wir uns, alle europäischen Mitgliedsländer würden so handeln wie wir", fügte er hinzu. Die Bereitschaft dazu sei jedoch nicht so vorhanden wie in der Bundesrepublik. (sto/08.05.2014)