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Die Fraktionen im Bundestag dringen nachdrücklich auf eine diplomatische Lösung der Krise in der Ukraine und fordern alle Seiten zu einer Wiederaufnahme der Genfer Verhandlungen auf. "Noch kann Vernunft die Oberhand gewinnen, aber sie kann nur die Oberhand gewinnen, wenn alle Beteiligten bereit sind, auf den Weg von politischen Lösungen zurückzufinden - allen voran in Moskau und in Kiew", sagte Außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Mittwoch, 7. Mai 2014, in einer Aktuellen Stunde zur Lage in der Ukraine.
Die Situation im Osten und Südosten des Landes sei angesichts des "brutalen Aufeinanderstoßen" prorussischer Kräfte und ukrainischer Sicherheitskräfte "furchtbar". "Wir spüren, dass die Nachrichten nicht nur immer schlechter, sondern immer schneller schlecht werden", sagte Steinmeier.
Er warnte entschieden davor, die Situation mit einer Rhetorik der Stärke und der militärischen Entschlossenheit zu verschlimmern: "Eine militärische Lösung wäre keine Lösung, sondern ein Weg in die größere Katastrophe". Gegen ein solches Szenario, eine neue Konfrontation auf dem europäischen Kontinent, müsse und werde sich die deutsche Politik "mit allen diplomatischen Mitteln" stemmen.
Wolfgang Gehrcke (Die Linke) stimmte Steinmeier zu, dass es "keine Alternative zu einer diplomatischen Lösung" geben könne. Aber wenn das so sei, müsse man zuallererst die Regierung in Kiew auffordern, "nicht die Armee und nicht die Nationalgarde gegen das eigene Volk einzusetzen". Nur das "kann Hass aus der Situation nehmen", sagte der stellvertretende Fraktionschef der Linken.
Eine weitere Runde der Genfer Verhandlungen der Ukraine, Russlands, der EU und der USA sei dringend notwendig. Gewaltverzicht, die Schritte zur Entwaffnung in der Ukraine wäre eine Aufgabe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), deren Bedeutung man im Westen in den vergangenen Jahren als "viel zu gering erachtet habe".
Gehrcke kritisierte zudem die Mission von Bundeswehrsoldaten in Ukraine im Rahmen der OSZE, deren Teilnehmer von prorussischen Aktivisten festgesetzt worden waren und erst nach tagelangen diplomatischen Bemühungen am vergangenen Wochenende freigelassen wurden. Statt zur Deeskalation habe diese Mission zur Eskalation beigetragen, sagte Gehrcke.
Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) warnte daraufhin davor, die Diskussion "vom Kopf auf die Füße zu stellen". Die Mission sei konform mit den OSZE-Regeln, die Einladung durch die Ukraine sei an alle OSZE-Mitglieder gegangen, die Aufenthaltsorte der Mission seien "exakt bezeichnet" gewesen, sämtliche Informationen seien allen OSZE-Mitgliedern zur Verfügung gestellt worden. Es sei "ihr völlig unverständlich, wenn die völkerrechtliche Legitimation der Mission infrage gestellt wird", sagte von der Leyen.
"Wenn jemand einen Rechtsbruch begangen hat, dann die Aggressoren." Deutschland werde weiterhin "unbeirrbar seine Aufgaben in der OSZE" wahrnehmen. Die Organisation sei "fast der letzte Raum", für das Gespräch zwischen der Ukraine, Russland und dem Westen. Sie könne einen Rahmen bieten für den Weg zu Wahlen, zu einem Verfassungsprozess und einer "inklusiven Regierung" in der Ukraine, die in allen Teilen des Landes Anerkennung finde.
Auch Dr. Frithjof Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen) wies die Kritik an der Organisation zurück: "Die Rolle der OSZE muss gestärkt und ausgebaut werden." Es brauche "viele OSZE-Beobachter" im ganzen Land. Eine Kritik an einer regelkonforme Mission unbewaffneter Militärbeobachter sei nicht angebracht: "Hier irren Herr Gauweiler und Herr Gehrcke gemeinsam." Allerdings könne die OSZE direkte Verhandlungen zwischen den Akteuren nicht ersetzen. Entscheidend sei, Russland von seiner "Destabilisierungspolitik" in der Ukraine abzubringen.
Es sei richtig, wenn die EU weitere Sanktionen verhänge, falls sich Russland dem verweigere. Schmidt warnte allerdings wie Gehrcke vor aggressiver Rhetorik. Dazu gehörten Äußerungen des Nato-Generalsekretärs Anders Fogh Rasmussen zur Truppenstationierung in den osteuropäischen Nato-Ländern genauso wie ein "Schwadronieren" der Regierung in Kiew über einen "dritten Weltkrieg".
Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU) forderte, der "Tatsache ins Auge zu blicken", dass im Falle der Krim "russische Panzer über fremde Grenzen gerollt sind" und im Osten der Ukraine ein "asymmetrischer Krieg" im Gange sei. Man könne diese Vorgänge nicht ignorieren, "nur weil es unserem Ruhebedürfnis oder deutscher Sentimentalität entgegenkommt".
Zum Gesamtbild gehöre außerdem, dass die russische Regierung innenpolitisch einen Werterahmen "mit imperialen und völkischen Elementen, und Elementen der Homophobie" programmiere, sagte Wellmann. Die europäische Solidarität mit der Ukraine sei vor diesem Hintergrund nicht einfach freundliche Geste: "Wenn Europa der Zerstörung der Ukraine tatenlos zusieht, würde es sich aufgeben." (ahe/07.05.2014)