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Der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei US-Präsident Barack Obama wird von den Fraktionen des Deutschen Bundestags unterschiedlich bewertet. Das wurde bei einer von der Linksfraktion beantragten Aktuellen Stunde am Donnerstag, 8. Mai 2014, deutlich. Die Bundeskanzlerin habe eine der letzten Chancen vertan, Obama gegenüber zum Thema NSA-Ausspähung Klartext zu reden, sagte Jan Korte (Die Linke). Merkel habe beim Schutz der Bürgerrechte vollkommen versagt, urteilte er. Auch Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) zeigte sich von den Ergebnissen des Besuches enttäuscht. Die Bundeskanzlerin habe noch nicht einmal darauf beharrt, dass ihre eigene Ausspähakte vernichtet wird, sagte er.
Aus Sicht der Abgeordneten Elisabeth Motschmann (CDU/CSU) hat der Fokus der Reise jedoch darauf gelegen, eine gemeinsame Position in der Ukraine-Frage zu finden. Die deutliche gewordene Einigkeit zwischen Deutschland und den USA sei das richtige Signal an Russlands Präsident Wladimir Putin, sagte sie.
Auch Dr. Rolf Mützenich (SPD) nannte er richtig, dass der Schwerpunkt der Reise dem Thema Ukraine gegolten habe. Außerdem, so Mützenich, habe Merkel bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Präsident Obama auf vorhandene Meinungsunterschiede in anderen Punkten durchaus hingewiesen.
Mit "völligem Desinteresse und ohne Mut" reagiere Bundeskanzlerin Merkel auf den "größten Datenschutz- und Bürgerrechtsverletzungsskandal" der letzten Jahrzehnte, kritisierte der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion Jan Korte.
Statt gegenüber den USA deutlich zu machen, dass Deutschland "solange die deutsche Bevölkerung systematisch und ohne Grund bespitzelt wird" auch einen begrenzten diplomatischen Konflikt eingehe, habe Merkel "wie ein Wackeldackel" neben Obama gestanden und nichts getan. Der Grund für diese "Unterwürfigkeit", so Korte, sei, dass die Bundesregierung und die deutschen Geheimdienste "Komplizen und Gehilfin der NSA-Praxis sind".
Wer die Ergebnisse des Treffens der Kanzlerin mit dem amerikanischen Präsidenten bewerten will, müsse sich den weltpolitischen Hintergrund der Reise ansehen, forderte Elisabeth Motschmann für die Union. Blicke man auf die Lage in der Ukraine aber auch in einigen Teilen Afrikas, könne man nur feststellen, dass die Bundeskanzlerin mit der Reise "wichtige Signale" gesetzt habe. "Sie hat gezeigt: Die transatlantischen Beziehungen sind intakt."
Ungeachtet aller Differenzen seien Deutschland und die USA enge Verbündete. Das "kritische Thema NSA" darf ihrer Ansicht nach nicht vergessen lassen, "was wir diesem Bündnis zu verdanken haben". Im Übrigen, so die Unionsabgeordnete weiter, habe Merkel erneut ein No-Spy-Abkommen gefordert. Die Umsetzung dieser Forderung allerdings sei die Sache Barack Obamas.
Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) stimmte der Einschätzung zu, dass Deutschland und die USA eine gemeinsame Wertegemeinschaft verbinde. Es gebe jedoch "eine lange Liste praktischer Beispiele der Politik der USA, die dieser Wertegemeinschaft nicht entsprechen". Dies bringe viele Fragen mit sich, so Nouripour.
Die Bundeskanzlerin sei jedoch "mit leeren Händen" zurückgekommen. Das betreffe sowohl die NSA-Affäre als auch den völkerrechtwidrigen Drohnenkrieg der Amerikaner in Pakistan, der nach Expertenaussagen ohne militärische Basen der Amerikaner etwa in Deutschland nicht möglich sei. Dass Merkel ohne die wichtigen Antworten zurückgekommen sei, müsse darauf zurückgeführt werden, dass sie die Fragen gar nicht gestellt habe. "Differenzen unter Partner können aber nur beseitigt werden, wenn man sie anspricht", sagte der Grünenabgeordnete.
Die NSA-Ausspähungen hätten die Beziehungen zwischen den USA und Deutschland "nachhaltig beschädigt", sagte Rolf Mützenich (SPD). Dies habe der Bundestag auch schon "mehrfach und ausreichend festgestellt". Für ihn persönlich, so fügte Mützenich hinzu, sei dadurch auch das Bild von Präsident Obama verändert worden. Der SPD-Außenpolitiker verteidigte die Kanzlerin gegen den Vorwurf, die NSA-Affäre nicht angesprochen zu haben. So habe Merkel während der gemeinsamen Pressekonferenz durchaus auf vorhandene Meinungsunterschiede hingewiesen.
Zugleich habe sie bei anderer Gelegenheit darauf hingewiesen, dass es gelingen müsse, dass Europa und die USA künftig zu einem anderen Verhalten kommen. Entscheidendes Thema der Reise sei aber die Ukraine-Frage gewesen, ebenso wie die Situation in anderen Krisenherden, betonte er. Angesichts der Gefahr die daraus erwachsen können, sei es gut, dass die Bundeskanzlerin keine Schaufensterdiplomatie betreibe, sondern verantwortungsvolle Außenpolitik. (hau/08.05.2014)