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Seit 2009 haben Besucher des Reichstagsgebäudes die Möglichkeit, sich beim Gang auf die Kuppel das Gebäude und die sichtbaren Sehenswürdigkeiten Berlins erklären zu lassen - und zwar von einer Stimme in einem Kopfhörer. Audioguide heißen diese Geräte, die auf der Dachterrasse kostenlos ausgeliehen werden können. Bundestagsvizepräsidentin Ulla Schmidt (SPD) hat am Mittwoch, 21. Mai 2014, eine Neuheit vorgestellt: den Audioguide gibt es jetzt auch in "Leichter Sprache".
Den Audioguide gab es bisher schon in zehn Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Polnisch, Russisch, Portugiesisch, Niederländisch, Türkisch. Von den rund zwei Millionen Kuppelbesuchern des Jahres 2013 nutzten 55 Prozent den Audioguide in deutscher Sprache. Seit 21. Mai gibt es ihn auch in Chinesisch (Mandarin) und eben auch in "Leichter Sprache".
„Leichte Sprache bedeutet, dass spachliche Äußerungen an die Lesekompetenz der Nutzer angepasst sind“, erläuterte Anne Wrede vom Büro für Leichte Sprache der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Bremen, das den Text des Audioguides in die „Leichte Sprache“ übertragen hat.
„Leichte Sprache“ zeichnet sich nach ihren Worten dadurch aus, dass sich der Text auf sehr kurze Sätze und ausschließlich gebräuchliche, allgemein bekannte und verständliche Wörter stützt. Wiederholungen werden bewusst eingesetzt und Spielräume für unterschiedliche Deutungen des Textes vermieden.
„Leichte Sprache“ sei hilfreich für Menschen mit Lese- und Rechtschreibschwäche, von denen es 2011 in Deutschland etwa 7,5 Millionen gegeben habe. „Leichte Sprache“ ist für Texte und gesprochene Sprache gleichermaßen genau das, was eine Rampe für ein Gebäude ist“, sagte Anne Wrede. Sie machte zudem deutlich, dass der Bundestag hier eine Vorbildfunktion einnehme.
Ulla Schmidt erinnerte in diesem Zusammenhang an die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, die darauf abziele, allen Menschen die Teilhabe am kulturellen, gesellschaftlichen, politischen Leben sowie am Erwerbsleben zu ermöglichen.
Dieses „unveräußerliche Menschenrecht" müsse umgesetzt werden, betonte die Vizepräsidentin: „Es gibt viele Menschen, die wollen nicht immer Fremdwörter hören."
Bundestagsvizepräsidentin Edelgard Bulmahn (SPD) erinnerte daran, dass das Parlament das „Haus für alle Bürgerinnen und Bürger" sei, in dem „wesentliche Entscheidungen" getroffen werden. Sie hoffe, dass die technischen Hilfen von allen gut genutzt werden: „Wir wollen dieses Haus erfahrbar, erlebbar für alle Bürger machen."
Beide Vizepräsidentinnen dankten ausdrücklich dem Bundestag und der Bundestagsverwaltung für das Engagement auf dem Gebiet der Barrierefreiheit: „Wir lassen nicht locker, bis die Barrieren eingerissen sind. Das Einreißen von Barrieren ist der Weg zu einer inklusiven Gesellschaft", hob Ulla Schmidt hervor.
Schon in der Vergangenheit wurden für Kuppelbesucher mit Behinderung Angebote geschaffen. Reiner Delgado, Sozialreferent des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes, stellte die Audioguide-Version für Blinde vor. Die 20-minütige Textverlesung dauert in der Version für Blinde 45 Minuten, weil ausführlicher beschrieben wird, was beim Gang auf die Kuppel zu sehen ist.
Delgado präsentierte auch den Umhängekoffer mit elf Tastreliefs ausgewählter Objekte (Reichtstagsgebäude, Bundeskanzleramt, Brandenburger Tor, Siegessäule, Fernsehturm und andere). Fünf solcher Tastkoffer stehen für die Besucher zur Verfügung.
Ein Tastmodell des Reichstagsgebäudes, ein Umgebungsrelief vom Parlaments- und Regierungsviertel sowie ein Tiefenrelief von Plenarsaal und Kuppel befinden sich auf der Plenarsaalebene.
Professor Burkhard Lüdtke von der Technischen Universität Berlin, der vor 13 Jahren mit der Entwicklung der Tastmodelle begann, freute sich über den Preis, den er für den Tastkoffer bei der Internationalen Design-Biennale 2013 im französischen Saint Etienne gewonnen hat.
Die Gebärdensprachdolmetscherin Joanna Martin und Cornelia von Pappenheim vom Deutschen Gehörlosen-Bund stellten den Videoguide für Gehörlose mit Gebärdensprache und Texteinblendung. Der Text wird dabei von einem Moderator, der selber gehörlos ist, in Gebärdensprache übersetzt.
Über ein Audioguide-Empfangsgerät wird der Videoguide, ein Kleinbildschirm, angesteuert. Gezeigt werden Filme von Orten, die von der Kuppel aus zu sehen sind. (vom/11.08.2014)