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Ein aktuelles Bild vom vielseitigen Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit zeichneten die Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung des Unterausschusses „Bürgerschaftliches Engagement“ unter Vorsitz von Willi Brase (SPD) am Mittwoch, 4. Juni 2014. Gabriella Büssemaker von Engagement Global beschrieb ihre Organisation als „den zentralen Dienstleister in der Entwicklungspolitik“.
Die vor zwei Jahren aus verschiedenen entwicklungspolitischen Organisationen gebündelte Einrichtung wolle für alle freiwillig Engagierten ein „Wegweiser durch den entwicklungspolitischen Dschungel“ sein. Büssemaker gab einen Einblick in die verschiedenen Programme von Engagement Global, die dazu dienen sollten, das „richtige Schuhwerk“ für den weiteren Weg in der Entwicklungshilfe zu finden.
Auch die Arbeitsgemeinschaft der Eine-Welt-Landesnetzwerke in Deutschland (AGL) sehe sich als eine „zentrale Plattform“ für die Entwicklungszusammenarbeit, berichtete Dr. Simon Ramirez-Voltaire. Er ist Geschäftsführer dieser Organisation, die 16 Landesnetzwerke mit individueller Ausprägung vereint.
Ramirez-Voltaire stellte die sogenannten „Eine-Welt-PromoterInnen“ als das zentrale Programm heraus, das die entwicklungspolitischen Akteure in den Kommunen vernetzen wolle. Die „Promoter“ arbeiteten mit thematischen oder regionalen Schwerpunkten und seien im gesamten Bundesgebiet zu finden. Damit wolle die AGL „in die Fläche hineinwirken“ und die Akzeptanz für Entwicklungshilfe bei den Bürgern erhöhen.
Als regional klar eingegrenzte Initiative arbeitet seit über 30 Jahren der Verein „Partnerschaft Rheinland-Pfalz – Ruanda“. Präsident Dr. Richard Auernheimer zählte Bildung, Zusammenarbeit mit den Hochschulen sowie die Gesundheitsvorsorge als Schwerpunkte seines Vereins auf.
So habe der Verein 20 bis 30 Prozent der Schulen in Ruanda mit aufgebaut. In Kaiserslautern gebe es dank der jahrelangen Zusammenarbeit besonders viele Studierende aus Ruanda. Ein in Ruanda gebautes Krankenhaus biete mit deutscher Hilfe inzwischen regelmäßig Spezialbehandlungen vor Ort an.
Michael Bogatzki ging als Vertreter der Dachorganisation Arbeitskreis Lernen und Helfen in Übersee auf die Motivation jener zumeist jungen Menschen ein, die von einem Freiwilligendienst aus der Entwicklungshilfe zurückkehrten. Mehr als ein Drittel von ihnen engagiere sich weiterhin ehrenamtlich. Die meisten Rückkehrer wollten ein Studium beginnen. Ihnen könnte mit der Anrechnung von Wartesemestern für den Freiwilligendienst ein zusätzlicher Anreiz für ihr Engagement gegeben werden.
Bogatzki plädierte für mehr gegenseitigen Austausch in der Entwicklungszusammenarbeit. Die sogenannten „Incoming“-Programme, mit denen Freiwillige aus Partnerländern nach Deutschland kommen, sollten seiner Ansicht nach ausgebaut werden.
Bisher 600 bis 800 solcher „Incomers“ gäbe es derzeit pro Jahr, schätzten Julia Eberhardt und Hanna Hielscher vom Centrum für soziale Innovationen und Investitionen der Universität Heidelberg. Sie hätten eine Reihe von Hürden zu überwinden. „Wie oft muss ich zum Konsulat fahren, um ein Visum zu bekommen?“, sei eine Frage, an der schon viele Interessenten aus Kostengründen in ihrem Heimatland scheiterten, erklärte Hanna Hielscher.
In Deutschland müsse eine bezahlbare Unterkunft gefunden werden, idealerweise in einer Gastfamilie. Da die „Incomers“ hauptsächlich durch Mund-zu-Mund-Propaganda von den Programmen Kenntnis erlangt hätten, regten Hielscher und Eberhardt an, die Programme in den deutschen Konsulaten bekannter zu machen.
Angesprochen auf die Vernetzung der verschiedenen Initiativen untereinander, lobten die Sachverständigen die Kooperation aller Akteure. Dr. Simon Ramirez-Voltaire betonte im Hinblick auf die ähnlichen Zielsetzungen mit der staatlichen Organisation Engagement Global: „Wir ziehen an einem Strang.“ Dennoch sehe er auch „die Gefahr von Doppelstrukturen bei einzelnen Maßnahmen“. Er regte an, bei den staatlich gesteuerten Initiativen wie Engagement Global regelmäßig zu schauen, „wo kann man korrigieren und nachjustieren“.
Dr. Richard Auernheimer ging auf eine Frage zur Bedeutung und Veränderung der Milleniumsziele in der Entwicklungshilfe ein. „Wir brauchen die Ziele weiterhin“, sagte Auernheimer. Sie seien eine Orientierung, um die Alltagsprobleme in den Entwicklungsländern nicht aus dem Blick zu verlieren. Optimistisch stimmte Auernheimer das wachsende Engagement junger Menschen in der Entwicklungshilfe. Eine Art „Dritte-Welt-Romantik“ in seiner Generation habe sich gewandelt zu einem starken „Eine-Welt-Interesse“ bei den jungen Leuten. (tk/05.06.2014)