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Redner der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD haben die Subventionen für energieintensive Betriebe massiv verteidigt. Dagegen warnten die Oppositionsfraktionen am Freitag, 23. Mai 2014, bei der Bundestagsdebatte über die Industrierabatte von der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) davor, die Energiewende zu gefährden.
Von einem „Anschlag auf die Energiewende“ sprach sogar der Abgeordnete Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen). Es geht um 5,1 Milliarden Euro Entlastung für die Betriebe von der Umlage in diesem Jahr, die die Koalition mit der „Besonderen Ausgleichsregelung“ sichern möchte, während die Opposition auf Reduzierungen drängt.
„Wie in einem Baukasten müssen wir jetzt die verschiedenen Teile zusammenfügen, die die Energiewende voranbringen“, sagte Wolfang Tiefensee (SPD). Neben der Einführung der erneuerbaren Energien gehe es auch darum, die Kosten im Griff zu behalten, die Versorgung zu stabilisieren und den Industriestandort zu erhalten.
„Nur wenn das gelingt, wird das Erneuerbare-Energien-Gesetz eine Blaupause für andere werden“, sagte Tiefensee, der sich von dem von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Besonderen Ausgleichsregelung für stromkosten- und handelsintensive Unternehmen (18/1449) Planungssicherheit für die Wirtschaft verspricht. Die Koalition stehe für erneuerbare Energien und für den Industriestandort Deutschland zugleich. „Das schaffen wir mit dem Gesetz.“
Tiefensee erinnerte daran, dass die Wirtschaft nicht generell von der Zahlung der EEG-Umlage befreit sei, sondern mit zwölf Milliarden Euro jährlich einen namhaften Beitrag leiste. Er warnte davor, die Stromkunden gegen Industrie und Arbeitsplätze auszuspielen. „Hätten wir diese Ausgleichsregelung nicht, würden die Haushalte um monatlich 3,50 Euro entlastet.“ Auf der anderen Seite wären dann aber Arbeitsplätze und Wertschöpfungsketten gefährdet.
Die Beispiele von Tiefensee griff auch Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) auf. Die Wirtschaft zahle die Hälfte der EEG-Umlage. Wenn alle Entlastungen der energieintensiven Industrie gestrichen würden, würde die EEG-Umlage nur um einen Cent pro Kilowattstunde sinken. Das nur eine geringe Entlastung. Der wirkliche Kostentreiber seien die erneuerbaren Energien.
Pfeiffer sagte, allein eine Million Arbeitsplätze sei direkt in den energieintensiven Unternehmen gebunden, „die wir mit dieser Umsetzung sichern wollen“. Man könne stolz auf den in Deutschland hohen industriellen Wertschöpfungsanteil von 23 Prozent sein. Frankreich habe zwölf, Großbritannien elf, und die USA hätten einen Industrieanteil von 13 Prozent. Diese Wertschöpfungsketten in Deutschland müssten erhalten bleiben.
Die Ausgleichsregelung sei kein Privileg, sondern in Wirklichkeit ein Nachteilsausgleich für Betriebe in Deutschland. Die Industriestrompreise seien in Deutschland 40 Prozent höher als in Frankreich und doppelt so hoch wie in den USA.
Die Opposition übte scharfe Kritik. Eva Bulling-Schröter (Die Linke) warf der Koalition vor, mit der Besonderen Ausgleichregelung nur für eine Umschichtung, aber „in der Summe keine nennenswerte Rücknahme der Privilegien für die energieintensiven Unternehmen“ zu sorgen. Zwar seien einige Unternehmen nicht mehr antragsberechtigt, andere Unternehmen würden aber neu hineinrutschen.
Selbst für die, die rausfallen, habe die Koalition mit einer zeitlich unbefristeten Härtefallregelung ein „weiches Polster“ geschaffen. Das sei ein „Skandal“ und unverantwortlich. Hinzu kämen weitere verdeckte Industriesubventionen, die Bulling-Schröter auf 16 Milliarden Euro bezifferte. Diese verdeckten Subventionen verschafften den Unternehmen Vorteile in Europa.„So sichert sich Deutschland in Europa seine Stärke, und so sehr pfeift Deutschland auf den Rest von Europa.“
Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte, dass von der Besonderen Ausgleichsregelung 219 Branchen erfasst würden – von Panzerschmieden bis Phantasie-Schmuckherstellern und Schlachtereien. „Sie definieren alles als strom- und außenhandelsintensiv. Es bleibt fast nichts mehr übrig.“ Und wenn eine Branche wie die Braunkohle herausgenommen werde, definiere der Vattenfall-Konzern auf das Eigenstromprivileg um und sei wieder komplett von der Umlage befreit. Es gebe keine Entlastung der privaten Verbraucher, sondern eine Belastung. Im Gegenzug profitiere die Industrie mit 700 Millionen von der Energiewende.
Krischer sagte, die Koalition rede immer von Arbeitsplätzen in energieintensiven Industrien, aber nie über Arbeitsplätze in der Branche der Erneuerbaren. Diese Branche habe einmmal 400.000 Arbeitsplätze gehabt. Die bisher stets im März veröffentlichten Angaben zu diesen Arbeitsplätzen seien in diesem Jahr nicht veröffentlicht worden, „weil man da die Bremsspuren Ihrer Politik sehen würde“.
In dem vom Deutschen Bundestag an die Ausschüsse überwiesenen Gesetzentwurf formulieren die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD das Ziel, Deutschland als wettbewerbsfähigen Industriestandort zu erhalten. Beide Fraktionen halten daher Sonderregelungen für die stromintensive Industrie, die im internationalen Wettbewerb steht, bei der Beteiligung an den Förderkosten für Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien für erforderlich. Mit dem Entwurf wollen die Fraktionen die bisherigen Ausnahmeregelungen des (EEG) fortführen und so zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts- und Industriestandorts Deutschland beitragen.
Nach den Regelungen des Entwurfs können Anträge auf Reduzierung der EEG-Umlage von Unternehmen aus den Branchen gestellt werden, die von den Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien der EU-Kommission als strom- und handelsintensiv eingestuft worden sind. Außerdem muss der Anteil der Stromkosten an der Bruttowertschöpfung der Unternehmen einen nach Branchen unterschiedlichen Mindestanteil aufweisen. Die Eintrittsschwelle in die Besondere Ausgleichsregelung wird nach Angaben der Fraktionen gegenüber der bisherigen Regelung (einheitlich 14 Prozent) moderat angehoben und zielt darauf ab, „zu verhindern, dass der Kreis der privilegierten Unternehmen sich künftig vergrößert“.
Die privilegierten Unternehmen sollen grundsätzlich 15 Prozent der EEG-Umlage bezahlen. Diese Belastung soll jedoch auf vier beziehungsweise 0,5 Prozent der Bruttowertschöpfung der Unternehmen begrenzt werden. Ungeachtet dessen sollen alle privilegierten Unternehmen für die erste Gigawattstunde die EEG-Umlage in voller Höhe und für alle darüber hinaus gehenden Kilowattstunden mindestens 0,1 Cent bezahlen. Unternehmen, die höher belastet werden als bisher, sollen bis 2019 Zeit erhalten, um sich auf den Anstieg der Belastung einzustellen: „Zu diesem Zweck darf sich die von einem Unternehmen zu zahlende EEG-Umlage von Jahr zu Jahr höchstens verdoppeln“, heißt es in dem Entwurf, der noch weitere Übergangs- und Härtefallregelungen vorsieht.
Wie aus dem Gesetzentwurf weiter hervorgeht, wird in diesem Jahr eine Strommenge von 107,1 Terawattstunden als privilegiert anerkannt. Davon betreffen 90 Prozent die Industrie und zehn Prozent Schienenbahnen. (hle/23.05.2014)