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In der Debatte um die europäische und deutsche Flüchtlingspolitik ist der Ruf nach mehr legalen Einreisemöglichkeiten für Flüchtlinge bei Experten umstritten. Dies wurde am Mittwoch, 2. Juli 2014, bei einer Anhörung des Innenausschusses unter Vorsitz von Wolfgang Bosbach (CDU/CSU) zu einem Antrag der Fraktion Die Linke (18/288) „für eine offene, solidarische und humane Flüchtlingspolitik der Europäischen Union“ deutlich.
Darin plädiert die Fraktion dafür, sichere Einreisemöglichkeiten für Flüchtlinge zu schaffen, „indem Visa zur Durchführung eines Asylverfahrens erteilt werden“. Auch bedürfe es eines gemeinsamen Programms zur Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Personen, die vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) in anderen Ländern als Flüchtlinge bereits anerkannt wurden, dort jedoch nicht bleiben können.
Zudem sei es vor dem Hintergrund von Millionen syrischer Flüchtlinge auf EU-Ebene erforderlich, unverzüglich eine gemeinsame Aufnahmeaktion zur Entlastung der überforderten Nachbarstaaten Syriens zu starten und Evakuierungen aus Syrien vorzunehmen.
Ferner fordert die Fraktion in der Vorlage, die EU-Grenzschutzagentur Frontex aufzulösen. Die Rettung von in Seenot geratenen Menschen dürfe nicht durch Straf- und Sanktionsandrohungen verhindert werden; gerettete Schutzsuchende müssten einen sicheren Zugang zu einem fairen Asylverfahren in der EU erhalten.
Auch soll nach dem Willen der Fraktion unter anderem die sogenannte Dublin-Verordnung geändert werden, „sodass Asylsuchende die Wahl haben, in welchem der Mitgliedstaaten sie ihr Asylverfahren durchführen wollen, etwa wegen familiärer Bindungen oder besonderer Sprachkenntnisse“.
Dr. Steffen Angenendt vom Deutschen Institut für internationale Politik und Sicherheit betonte, zur Verhinderung weiterer Tragödien an den Außengrenzen wäre es naheliegend, die legalen Möglichkeiten für schutzsuchende Flüchtlinge zum Familiennachzug zu erweitern und weitere Programme zur Arbeitsmigration einzurichten. Letztlich fehlten Angebote für legale Migration.
Günter Burkhardt vom Förderverein Pro Asyl plädierte ebenfalls dafür, Flüchtlingen legale Wege in die EU zu eröffnen. Ferner formulierte er als „zentrale Forderung“, „die Push-back-Praxis an den Außengrenzen zu stoppen“.
Der Direktor des Italienischen Flüchtlingsrates, Christopher Hein, verwies darauf, dass in den vergangenen 15 Jahren Schätzungen zufolge mehr als 20.000 Menschen „auf dem Weg nach Europa“ ums Leben gekommen seien. Es gebe keine Antwort auf die Frage, wie ein Schutzbedürftiger „physisch nach Europa herein“ kommt. Die Situation sei gekennzeichnet von illegaler Wanderung, da es keine Möglichkeit der legalen Wanderung gebe.
Der Konstanzer Professor Dr. Dr. h.c. Kay Hailbronner sagte demgegenüber, eine Erweiterung der Zugangswege sei kontraproduktiv, „weil sie letztlich zu einem Verlust der Steuerung führt“. Grenzüberwachung und Einwanderungskontrolle seien unverzichtbar.
Klaus Rösler von der EU-Grenzschutzagentur Frontex unterstrich, dass Grenzschutz nicht alleine der Migrationskontrolle diene, sondern in erster Linie der Förderung regulärer Reisebewegungen und der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität.
Vor allem sei Grenzschutz nicht das einzige und „kein umfassend geeignetes Mittel zur Migrationssteuerung“. Für Frontex gehörten „effektiver Grenzschutz und Förderung des Grundrechtsschutz zusammen“.
Dr. Jan Schneider vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration warb dafür, über eine Weiterentwicklung des Dublin-Mechanismus nachzudenken. Derzeit gebe es „keine gerechte Aufteilung der Verantwortlichkeiten bei der Aufnahme von Asylsuchenden in Europa“.
Dr. Robert K. Visser vom European Asylum Support Office hob hervor, dass die Zahl der Flüchtlinge in den letzten Jahren ständig angestiegen sei. Zugleich sah er beträchtliche Fortschritte auf dem Weg hin zu einem gemeinsamen europäischen Rechtsrahmen in Asylfragen. In seiner schriftlichen Stellungnahme nannte er es als „oberstes Ziel“ des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, durch ein einheitliches Verfahren in der EU „in gleichen Situationen zu gleichen Ergebnissen zu kommen“. (sto/02.07.2014)