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Mit einem abwaschbaren Graffiti "Mindestlohn für alle, jetzt! 8,50" wirbt der DGB für einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro. © dpa
Noch vor der parlamentarischen Sommerpause will die Große Koalition eines ihrer wichtigsten und umfassendsten arbeitsmarktpolitischen Projekte durch den Bundestag bringen: Am Donnerstag, 3. Juli 2014, wird sich das Parlament in zweiter und dritter Lesung mit dem Tarifautonomiestärkungsgesetz (18/1558) befassen, besser bekannt unter dem griffigen Titel „Tarifpaket“. Die rund 105-minütige Debatte beginnt um 10.30 Uhr. Im Anschluss wird über den Gesetzentwurf, zu dem der Ausschuss für Arbeit und Soziales eine Beschlussempfehlung (18/2010) vorgelegt hat, ebenso namentlich abgestimmt wie über einen Änderungsantrag der Linken (18/2019). Abgestimmt wird auch über zwei weitere Änderungsanträge der Linken (18/2017, 18/2018) sowie über Entschließungsanträge der Linken (18/2019) und der Grünen (18/2020).
Die Debatte wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de, und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, die Grundlagen für die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde ab dem Jahr 2015 zu schaffen. Tarifverträge mit niedrigeren Brutto-Stundenlöhnen sollen demnach aber bis Ende 2016 weitergelten können, sodass der Mindestlohn uneingeschränkt erst ab Januar 2017 voll greifen kann.
Eine Mindestlohnkommission soll künftig jährlich über die Anpassung des Mindestlohns entscheiden, erstmals im Juni 2017. Ab 1. Januar 2018 soll dadurch die erste Anpassung des Mindestlohns erfolgen. Die Mindestlohnkommission soll aus sechs stimmberechtigten Mitgliedern (je drei aus dem Arbeitnehmer- und drei aus dem Arbeitgeberlager), einem Vorsitzenden (oder einer Vorsitzenden) und zwei beratenden Mitgliedern aus der Wissenschaft bestehen.
Laut Entwurf plant die Bundesregierung außerdem, die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen zu erleichtern. Mit dieser können auf Antrag einer Tarifpartei bisher Tarifverträge auch auf nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgedehnt werden.
Voraussetzung ist laut Tarifvertragsgesetz jedoch bisher, dass mindestens 50 Prozent der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer tarifgebunden beschäftigt sind. Dieses 50-Prozent-Quorum will die Bundesregierung nun abschaffen. Sie schreibt dazu zur Begründung: „Durch das starre 50-Prozent-Quorum wurde in Zeiten sinkender Tarifbindung die Nutzung des Instruments der Allgemeinverbindlichkeitserklärung gehemmt.“ An seine Stelle soll ein „konkretisiertes öffentliches Interesse“ treten.
Teil des Tarifpaketes ist außerdem die Reform des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, das es ermöglicht, Branchenmindestlöhne festzusetzen. Dieses habe sich bewährt, schreibt die Regierung. Künftig soll es deshalb „zugunsten inländischer und ausländischer Arbeitnehmer“ auf alle Branchen erweitert werden können.
Dazu soll neben dem bisherigen Branchenkatalog für alle übrigen Branchen ein separates Rechtsordnungsverfahren geschaffen werden. Es soll aber auch künftig eine Ergänzung des bisherigen Branchenkatalogs um weitere konkret definierte Branchen möglich sein, heißt es in dem Gesetzentwurf.
Aufgehoben werden soll außerdem das Mindestarbeitsbedingungsgesetz. Dieses ermöglicht bisher die Festsetzung von Mindestarbeitsentgelten für jene Wirtschaftszweige, in denen weniger als 50 Prozent der Arbeitnehmer tarifgebunden beschäftigt sind.
Es gebe jedoch keinen Wirtschaftszweig, in dem Mindestarbeitsentgelte nach diesem Gesetz festgelegt worden sind, führt die Regierung zur Begründung der Abschaffung des Gesetzes an. Strittig waren bis zuletzt die im Gesetzentwurf festgelegten Ausnahmeregelungen vom Mindestlohn. (che/30.06.2014)