Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Im November kommt die europäische Einigung einen weiteren Schritt voran. Dann beginnt die Bankenunion mit einer gemeinsamen Aufsicht über die 120 wichtigsten Geldhäuser in der EU, die einer Anteil von 85 Prozent an der gesamten Bankenbilanzsumme haben. „Die Finanz- und Bankenkrise hat uns mit ihrer unglaublichen Dynamik gezeigt, dass die grenzüberschreitenden Banken mit nationaler Aufsicht nicht mehr hinreichend zu beaufsichtigen sind“, sagte Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU) am Donnerstag, 25. September 2014, in der Debatte des zur Schaffung der Bankenunion.
Besonders heftige Kritik erntete Schäuble von der Linksfraktion, die ihm vorwarf, dass entgegen seinen Versprechungen weiter Steuergeld zur Rettung von Banken eingesetzt werde.
Schäuble nannte einen weiteren Grund für die Bankenunion. Das Risiko aus dem Bankensektor müsse von der Staatsverschuldung getrennt werden. Das sei ein besonderes Risiko in den vergangenen Jahren gewesen. Der Finanzminister sagte, die Aufsicht habe nur bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelt werden können, weil andernfalls mit einem neuen europäischen Vertrag eine neue Institution hätte geschaffen werden müssen.
Die Übertragung von geldpolitischer Verantwortung und Bankenaufsicht auf eine Institution sei „nicht unproblematisch“ und deshalb sei eine strikte Trennung ganz wichtig, um den möglichen Anschein eines Interessenkonflikts zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund sei er über die derzeitige von der EZB begonnene Debatte über den etwaigen Ankauf von Verbriefungsprodukten „nicht besonders glücklich“. Schäuble zeigte sich aber überzeugt, dass deutsche Banken keine Probleme mit dem von der EZB begonnenen Stresstest haben werden.
Der Finanzminister begrüßte die für den Fall von Bankenkrisen jetzt geplante Beteiligung von Eigentümern und Anleihegläubigern sowie die Schaffung des Bankenfonds, in den die Banken selbst einzahlen müssen: „Der Sinn des Ganzen ist, dass die Steuerzahler nicht mehr das Risiko tragen, sondern die Banken selber.“
Die deutsche Einlagensicherung der Sparkassen und Raiffeisenbanken werde nicht vergemeinschaftet, versicherte Schäuble. Die Möglichkeit einer direkten Bankenrekapitalisierung aus dem europäischen Rettungssystem „bleibt allerdings nachrangig“.
Daran zweifelte die Fraktion Die Linke. Deren Rednerin Sahra Wagenknecht erinnerte an die Versprechen von Schäuble und der Bundesregierung, „dass Steuerzahler nie wieder für waghalsige Geschäfte von Bankstern bluten müssen“. Und es sei „hoch und heilig“ versprochen worden, dass es aus dem europäischen Rettungsschirm ESM, für den der deutsche Steuerzahler mit 200 Milliarden Euro geradezustehen habe, kein Geld direkt für Banken geben werde.
Entweder habe Schäuble gelogen oder seine Versprechen nicht halten können. Denn jetzt würden Gesetze beraten, durch die Banken direkt den ESM anzapfen könnten. Banker könnten also auch in Zukunft ihren finanziellen Giftmüll auf den Schultern der Allgemeinheit abladen. „Da muss man sich nicht wundern, dass immer mehr Menschen jeden Glauben an die Demokratie verloren haben“, beklagte Wagenknecht.
Die Linke-Abgeordnete kritisierte, dass die von Schäuble genannte Haftungskaskade ausgesetzt werden könne. Mit den Regelungen der Bankenunion würden alle europäischen Steuerzahler gemeinsam „für den Irrsinn der europäischen Finanzmafia“ haften.
Wagenknechts Rede stieß auf drastische Kritik der Koalition. So bezeichnete Carsten Schneider (SPD) die Äußerungen als „puren Rückfall in den Populismus eines Nationalstaates“.
Fernab der wissenschaftlichen und ökonomischen Debatte habe Wagenknecht eine Rede gehalten, die auch ein Funktionär der AfD hätte halten können, sagte Schneider. Er sei froh, dass die Alternative für Deutschland nicht im Bundestag sitze.
Auch von der CDU/CSU kam scharfe Kritik: Diese Rede hätte viel Beifall beim Kongress der europäischen Rechtspopulisten gefunden, kritisierte der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus, der Wagenknechts Vorwurf der Untätigkeit zurückwies. Das deutsche Bankenrestrukturierungsgesetz sei die Blaupause für die jetzt anstehende europäische Regelung gewesen: „Wir haben damit Maßstäbe gesetzt.“
Schneider erinnerte daran, dass bei der Verstaatlichung der deutschen Bank „Hypo Real Estate“, die in der Finanzkrise vor dem Zusammenbruch stand, die Aktionäre hätten entschädigt werden müssten, „weil wir keine gesetzliche Grundlage für die Abwicklung von Banken hatten. Das war ein Fehler.“ Dieser Fehler werde jetzt beseitigt und eine klare Haftungsreihenfolge geschaffen. Der Staat werde vor Verlusten aus dem Bankensektor geschützt, erwartet Schneider, der die Kritik an der Rekapitalisierung durch den ESM als überzogen bezeichnete. Er bezeichnete die geplante Regelung als sehr restriktiv.
Für Bündnis 90/Die Grünen erklärte Dr. Gerhard Schick die grundsätzliche Zustimmung zur Bankenunion. Die Bankenrettung habe die Steuerzahler bisher viele Milliarden gekostet. Das Prinzip, Bankenprobleme mit Steuergeld zu lösen, müsse endlich der Vergangenheit angehören, forderte Schick, der Schäuble und der Regierung aber vorwarf, sich zu lange gegen eine europäische Lösung gewehrt und erst auf den Druck anderer Länder nachgegeben zu haben: „Das müssen sie sich zuschreiben lassen.“
Die Regierung habe sich antieuropäisch verhalten, „und das belastet uns bis heute“. Dass es eine Regelung gebe, wonach man bei einer Gefahr für die Finanzmärkte „doch wieder retten kann“, bezeichnete Schick als „sehr gefährliche Lücke“.
Insgesamt vier Gesetzentwürfe (18/2575, 18/2626, 18/2576, 18/2627, 18/2577, 18/2629, 18/2580, 18/2628) zur Regelung der Bankenunion wurden vom Parlament an die zuständigen Ausschüsse überwiesen. Die Gesetzentwürfe haben das Ziel, einerseits die europäischen Vereinbarungen zur Bankenunion umzusetzen und andererseits die bisher schon in Deutschland aufgrund der Erfahrungen in der Finanzkrise getroffenen Regelungen an die europäischen Vorgaben anzupassen.
Außerdem geht es um die Einführung eines neuen Instruments für den europäischen Rettungsschirm ESM, der in Zukunft unter bestimmten Bedingungen auch zur direkten Bankenrekapitalisierung eingesetzt werden kann. (hle/25.09.2014)