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Der parlamentarische Dauerstreit über die sogenannte "Pille danach" geht weiter. Die Unionsfraktion lehnt eine Freigabe der Notfallverhütung mit dem Wirkstoff Levonorgestrel (LNG) aus der Rezeptpflicht nach wie vor ab und begründet dies vor allem mit der nötigen Beratung der Frauen in solchen Notlagen. Die SPD-Fraktion machte am Donnerstag, 25. September 2014, im Plenum eigenen Beratungsbedarf bei dem Thema geltend, was die Opposition scharf kritisierte.
Nach Ansicht der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen gibt es keinen Grund dafür, die Freigabe des seit vielen Jahren ausgetesteten Mittels LNG zu verweigern. Gesundheitsexpertinnen der Opposition warfen der SPD vor, in einem "Koalitionsgefängnis" zu stecken und nur deshalb nicht auch für die Freigabe des Hormonmittels zu votieren.
Die Linke-Abgeordnete Cornelia Möhring sagte, die Frauen könnten in einer solchen Lage selbst eine Entscheidung treffen. Zudem seien Apotheker ebenso wie Ärzte in der Lage, eine qualifizierte Beratung zu gewährleisten. Es gehe ganz praktisch um einen schnellen und unkomplizierten Zugang zu einer Notfallverhütung. Im Zentrum stehe das Selbstbestimmungsrecht der Frauen, die nicht länger bevormundet werden dürften. Der SPD warf Möhring eine unerträgliche "Verhinderungstaktik" vor.
Auch die Grünen-Abgeordnete Kordula Schulz-Asche ging den Koalitionspartner der Union scharf an und monierte, die Sozialdemokraten seien gefangen in der Koalitionsdisziplin. "Sie will zwar, aber sie kann nicht." Es sei ein "Trauerspiel" zu sehen, wie die Union bei diesem Thema gegen die Mehrheit des Bundestages, des Bundesrates und gegen die Vernunft agiere.
Die Union verweigere den Frauen den direkten, schnellen Weg zur Notfallverhütung, was möglicherweise auch mit Pharmainteressen zu tun habe, mutmaßte Schulz-Asche in Anspielung auf eine anstehende Entscheidung auf europäischer Ebene zur Freigabe des Alternativwirkstoffs Ulipristalacetat. Die Grünen-Parlamentarierin betonte, ihre Fraktion wolle, dass die Frauen "selbstbestimmt eine nicht gewollte Schwangerschaft verhindern können".
Die SPD-Abgeordneten Mechthild Rawert und Hilde Mattheis räumten ein, dass aus medizinischer Sicht nichts gegen eine Freigabe des Wirkstoffes LNG spreche. Auch lägen entsprechende behördliche Empfehlungen vor, und in anderen Ländern sei das Mittel bereits frei verfügbar. Rawert verwahrte sich aber gegen den Eindruck, nur aus Koalitionsräson mit der Union eine Freigabe zu blockieren und betonte: "Wir sind keine Freigänger aus dem Koalitionsgefängnis, wir sind frei gewählte Abgeordnete."
Die SPD sehe noch Beratungsbedarf, auch weil es um Kostenfragen gehe. So sollten Frauen nicht auch noch mit Mehrkosten belastet werden. Sie sprach sich dafür aus, weiter "intensiv" zu diskutieren. Auch Mattheis sagte, die Beratungszeit sollte ausgeschöpft werden, um zu überzeugen. Die SPD-Haltung sei eindeutig: "Wir wollen die Selbstbestimmung und die optimale Beratung für die Frauen."
Die CSU-Abgeordnete Emmi Zeulner erinnerte daran, dass in der Expertenanhörung zum Thema zahlreiche Argumente dafür genannt worden seien, an der Rezeptpflicht festzuhalten. So gebe es eine gefährliche Unwissenheit über die Wirkung der Notfallverhütung. Das hohe Gut der Patientensicherheit und das Recht auf Selbstbestimmung der Frauen müssten genau abgewogen werden. Ein Vieraugengespräch mit einem Arzt im geschützten Raum sei nicht zu ersetzen. Der Arzt müsse "die zentrale Beratungsfigur" bleiben.
Die CDUAbgeordnete Karin Maag gab zu bedenken, dass in vielen Fällen vom Arzt erst einmal geklärt werden müsse, ob die Einnahme der Hormonpille überhaupt nötig sei. Das Argument eines möglichst schnellen Zugangs ließ sie nicht gelten. Es gebe in Deutschland flächendeckend einen ärztlichen Bereitschafts- und Notdienst. Die Versorgung sei jederzeit gewährleistet. Es gibt aus ihrer Sicht wenig Gründe, von dem funktionierenden System abzuweichen.
Der Antrag der Fraktion Die Linke (18/2630), die ,,Pille danach" mit dem Wirkstoff Levonorgestrel (LNG) aus der Rezeptpflicht zu entlassen, wurde zur weiteren Beratung an den Gesundheitsausschuss überwiesen. Die Linke hatte den Antrag kurzfristig eingebracht, weil es im Gesundheitsausschuss am Mittwoch keine Beschlussempfehlung zu den bereits vorliegenden Anträgen der Opposition (18/303; 18/1617; 18/492) gegeben hatte.
Die SPD-Fraktion hatte darum gebeten, eine Entscheidung noch zurückzustellen. Daraufhin stellte die Linke nunmehr einen alten Antrag (18/1617) neu. (pk/25.09.2014)