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Sie hatten als erste die kanadischen Dateien in Händen, in denen sich der Name des damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy befand: Drei Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA), die der 2. Untersuchungsausschuss am Donnerstag, 9. Oktober 2014, als Zeugen befragt hat. Die Unterlagen stammten aus Ermittlungen gegen einen kanadischen Kinderporno-Vertrieb. Edathy war als Kunde der Firma gelistet, die sowohl strafbare als auch nicht strafbare Bilder und Videos im Angebot hatte. Warum der Name des Politikers so spät auffiel, ist eine der Fragen, die der Ausschuss zu klären versucht.
In der öffentlichen Sitzung unter Vorsitz von Dr. Eva Högl (SPD) befragten die Abgeordneten zunächst Kriminaloberkommissar Florian Gruber. Er saß im September 2011 gerade an Ermittlungen in einem schweren Missbrauchsfall, als ihn die E-Mail einer kanadischen Kollegin erreichte: Sie habe Material, das für seine Ermittlungen wichtig sein könnte. So schilderte Gruber die erste Berührung eines deutschen Ermittlers mit dem, was mehr als zwei Jahre später als „Edathy-Affäre“ Schlagzeilen machen sollte.
Da die kanadische Polizistin zwei Monate später zu einer Europol-Fortbildung ins westfälische Selm kommen wollte, vereinbarte Gruber den Schilderungen zufolge, dass sich eine Kollegin und ein Kollege aus seinem Referat, die ebenfalls zu der Schulung angemeldet waren, das Material dort auf eine Festplatte überspielen lassen. Es handelte sich um rund 150 Videos, Hunderte Fotos sowie eine Liste deutscher Kunden der kanadischen Firma, die das Material vertrieben hatten.
Gruber sagte aus, er habe nur mit einer Stichwortsuche geprüft, ob es in dem Material Verbindungen zu seinem Fall geben könnte, das Material dann in der Beweismittelablage auf dem gesicherten Server seines Referats abgespeichert. Der Datei gab er den Namen „Selm“. Mit der späteren „Operation Selm“ des BKA, der Suche nach Straftätern in den übergebenen Daten, habe er nichts mehr zu tun gehabt.
Der zweite Zeuge, Kriminalkommissar Ronny Liersch, hatte zusammen mit der dritten Zeugin, Kriminaloberkommissarin Julia Wiegand, die Dateien in Selm entgegengenommen. Liersch versicherte, nach der Übergabe der Festplatte an Gruber nicht mehr mit den Daten befasst gewesen zu sein. Wiegand dagegen wurde von ihrem Vorgesetzten mit der Auswertung des Materials beauftragt.
Warum es dann immer noch fast zwei Jahre dauerte, bis gegen Edathy ermittelt wurde, erscheint nach den Aussagen der drei Zeugen über die Abläufe in ihrem Referat plausibel. Danach muss zunächst alles Bildmaterial daraufhin gesichtet werden, ob es strafbare Darstellungen enthält. Dann muss anhand der Bestelllisten geklärt werden, welcher Kunde Material der strafbaren Kategorie 1 erhalten hat.
Die Namen dieser Kunden werden dann den jeweiligen Landeskriminalämtern zur Identitätsprüfung zugesandt. Dabei geht es auch darum zu prüfen, ob sie, etwa aufgrund ihres Berufs, Umgang mit Kindern haben, weil dann zur Gefahrenabwehr vorrangig ermittelt werden müsste.
Erst wenn die Datensätze komplettiert und den Staatsanwaltschaften übergeben sind, kommen die Personen in Bearbeitung, die nur nicht strafbares Material der Kategorie 2 bestellt hatten. Darunter befand sich auch Sebastian Edathy. Dass es sich bei ihm um den damaligen Bundestagsabgeordneten handelte, fiel der Zeugin Wiegand zufolge erst einem Polizeibeamten in Edathys Heimatregion Nienburg auf, der eine Identitätsprüfung vornehmen sollte.
Warum es danach noch einmal Monate dauerte, bis bei Edathy eine Hausdurchsuchung stattfand, wird der Ausschuss zu einem späteren Zeitpunkt bei der Vernehmung niedersächsischer Ermittler zu klären versuchen.
Zwei der drei am 9. Oktober befragten Kriminalbeamten hatten, ebenso wie viele weitere benannte Zeugen, bereits vor dem Innenausschuss ausgesagt, der sich in der ersten Jahreshälfte in mehreren Sondersitzungen mit der „Affäre Edathy“ befasst hatte. Einige Fragen waren dabei insbesondere aus Sicht der Opposition ungenügend oder sogar widersprüchlich beantwortet worden, weshalb man sich fraktionsübergreifend zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses entschieden hatte.
Hier droht Zeugen, ähnlich wie vor Gericht, bei einer Falschaussage Strafverfolgung. Aus dem umfangreichen Aktenmaterial, das der Untersuchungsausschuss mittlerweile erhalten hat, haben sich zudem neue Fragen ergeben.
In den nächsten fünf Sitzungen bis Anfang Dezember sollen noch elf weitere Beamte des Bundeskriminalamtes befragt werden, dazu ab November die ersten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Staatsanwaltschaften, die mit Teilen des Ermittlungskomplexes befasst waren.
Dabei geht der Ausschuss in der zeitlichen Reihenfolge vor, in der die einzelnen Ermittler involviert waren. Die Ausschussmitglieder wollen so die Abläufe auf der Arbeitsebene im Detail klären, bevor sie sich der Führungsebene und Fragen der politischen Verantwortung zuwenden. (pst/10.10.2014)