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Das geplante Maßnahmenpaket zur Bankenrekapitalisierung findet weitgehend die Zustimmung der Sachverständigen. Dies wurde am Montag, 6. Oktober 2014, deutlich bei einer öffentlichen Anhörung des Haushaltsausschusses unter Vorsitz von Bettina Hagedorn (SPD), bei der es um die Gesetzentwürfe der Bundesregierung zur Änderung des ESM-Finanzierungsgesetzes (18/2577, 18/2629) sowie zur Änderung der Finanzhilfeinstrumente nach Artikel 19 des Vertrags vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (18/2580, 18/2628) ging.
Die vorgesehenen Änderungen der Gesetze zielen darauf ab, dass der Euro-Rettungsschirm ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) auch zur direkten Rekapitalisierung von Finanzinstituten beitragen kann, sobald ein einheitlicher Aufsichtsmechanismus für Banken in der Eurozone unter Einbeziehung der Europäischen Zentralbank (EZB) eingerichtet ist.
Für den Managing Director des ESM, Klaus Regling, ist die direkte Bankenrekapitalisierung durch den ESM die „letzte Verteidigungslinie“ zur Unterstützung eines Landes. Er wies in seiner schriftlichen Stellungnahme darauf hin, dass auch dieses Instrument auf der Eigenverantwortung des Staates, der die Finanzhilfe beantragt, basiere. Zudem komme die direkte Bankenkapitalisierung überhaupt erst infrage, wenn es bereits zur Gläubigerbeteiligung gekommen sei. Insgesamt hielt er es für „relativ unwahrscheinlich“, dass das Instrument der direkten Bankenrekapitalisierung gebraucht werde. „Aber es ist gut, es zu haben“, sagte er.
Regling betonte, dass der ESM nur in überlebensfähige Banken investieren dürfe. Der ESM könne eine Bank erst dann rekapitalisieren, wenn Staatshilfen und damit verbunden ein Umstrukturierungsplan von der Europäischen Kommission genehmigt seien. Wichtig sei auch noch, dass der ESM von seiner maximalen Ausleihkapazität von 500 Milliarden Euro höchstens 60 Milliarden Euro für die direkte Rekapitalisierung von Banken verwenden dürfe. Er wies darauf hin, dass bei allen Grundsatzentscheidungen der Bundestag beteiligt werden müsse.
Die Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, Prof. Dr. Claudia M. Buch, hält die Einführung eines ESM-Instruments zur direkten Bankenrekapitalisierung vor dem Hintergrund der Einigungsnotwendigkeit auf europäischer Ebene „politisch und in der Sache vertretbar“. Jede Form der gemeinsamen Haftung berge jedoch das Risiko von Fehlanreizen, was in der Ausgestaltung der Leitlinien für das ESM-Instrument berücksichtigt werden sollte. Es müsse darauf geachtet werden, dass das maximale Volumen des Instruments die von den Mitgliedstaaten der Eurozone vereinbarten 60 Milliarden Euro nicht überschreite.
Kritisch wäre es beispielsweise, so Buch, wenn die finanzielle Hilfe in Ausnahmefällen über Garantien statt in Form eines Erwerbs von Aktien des in Schieflage geratenen Finanzinstituts geleistet werden könnte, heißt es in ihrer schriftlichen Stellungnahme. Garantien hätten gegenüber Kapitalmaßnahmen den entscheidenden Nachteil, dass sie in der Regel nicht mit der Übernahme von entsprechenden Kontrollfunktionen verbunden seien.
Auch Dr. Michael Wolgast vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband unterstützte die Gesetzesvorschläge. Besonders die im Entwurf verankerte Verknüpfung der Inanspruchnahme des Instruments mit der Erfüllung von wirtschafts- und finanzpolitischen Auflagen durch den antragstellenden Mitgliedstaat sowie die vertraglich festgesetzte Höchstgrenze der Finanzmittel von 60 Milliarden Euro würden die Regelung unbedenklich erscheinen lassen. Das neue Instrument sei eine wichtige Säule im neuen Ordnungsrahmen, sagte er.
Dr. Guntram B. Wolff von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel hält ein direktes Rekapitalisierungsinstrument für Banken für sinnvoll. Deshalb empfahl er den Abgeordneten, dem neuen Instrument zuzustimmen. Dies sei eine Ergänzung der Bankenunion und könne zur Stabilisierung des Finanzsystems beitragen, indem staatliches Risiko reduziert werde, schreibt er. Allerdings sei seine Anwendung aufgrund zahlreicher Bedingungen unwahrscheinlich und nur nach starker Beteiligung der Gläubiger und des ESM-Mitgliedslandes möglich. Er kritisierte, dass das Ziel der Entkoppelung von Staats- und Bankenrisiko mit dem Instrument nicht gelöst werde.
Für Prof. Dr. Michael Koetter von der Frankfurt School of Finance and Management ist das Instrument ein „gangbarer Kompromiss“. Trotzdem hielt er den gewählten Weg für „ungleich imperfekter“ als ein systematisches Hinwirken der Politik auf eine demokratisch breit legitimierte Fiskal- und Wirtschaftsunion, welche notwendig sei, um die Leistungskraft einzelner EU-Staaten zu gewährleisten. Von dieser wirtschaftlichen Leistungskraft einzelner Mitgliedstaaten hänge letztlich die Inanspruchnahme des ESM ab.
Auch Prof. Dr. Jörg Rocholl von der European School of Management and Technology sprach sich für die Gesetzentwürfe aus. Die entscheidenden Punkte bei der Beurteilung der Möglichkeiten der direkten Bankenrekapitalisierung durch den ESM seien die Fragen nach der Glaubwürdigkeit der Gläubigerbeteiligung und nach der genauen Gestaltung der Abfolge von indirekter und direkter Bankenrekapitalisierung. Diese beiden Punkte müssten deutlicher und transparenter geklärt werden, um Risiken zu verringern, fordert er in seiner schriftlichen Expertise.
Prof. Dr. Christian Calliess von der Freien Universität Berlin hatte keine europa- oder verfassungsrechtlichen Bedenken. (mik/06.10.2014)