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Der Bundestag hat den Weg für die geplante Novelle des Antiterrordateigesetzes frei gemacht. Gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen verabschiedete das Parlament am Donnerstag, 16. Oktober 2014, den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Änderung des Antiterrordateigesetzes und anderer Gesetze“ (18/1565) in der vom Innenausschuss geänderten Fassung (18/2902). Damit sollen Vorgaben aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April vergangenen Jahres (Aktenzeichen: 1 BvR 1215/07) umgesetzt werden.
Danach ist die Errichtung einer Antiterrordatei als Verbunddatei verschiedener Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus „in ihren Grundstrukturen mit der Verfassung vereinbar“, wie die Regierung in der Vorlage ausführt. Bei einigen Regelungen verlange das Gericht jedoch „im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz und das Übermaßverbot Änderungen“.
Dies betreffe die „Bestimmung der beteiligten Behörden, die Reichweite der als terrorismusnah erfassten Personen, die Einbeziehung von Kontaktpersonen, die Nutzung von verdeckt bereitgestellten erweiterten Grunddaten“ und die „Konkretisierungsbefugnis der Sicherheitsbehörden für die zu speichernden Daten“, schreibt die Bundesregierung in der Begründung des Entwurfs.
Ebenfalls betroffen sind danach „die Gewährleistung einer wirksamen Aufsicht und die Einbeziehung von Daten in die Antiterrordatei, die durch Eingriffe in das Brief- und Fernmeldegeheimnis und das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung erhoben wurden“.
Nach der Neuregelung soll unter anderem das Bundeskriminalamt (BKA) dem Bundestag und der Öffentlichkeit alle drei Jahre - erstmalig zum 1. August 2017 - über den Datenbestand und die Nutzung der Antiterrordatei berichten müssen. Darüber hinaus sollen die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder künftig im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit Datenschutzkontrollen mindestens alle zwei Jahre durchführen.
Ferner soll die Möglichkeit der "erweiterten Datennutzung im Rahmen konkreter Projekte", wie sie bereits im Rechtsextremismus-Datei-Gesetz vorgesehen ist, auch für die Antiterrordatei geschaffen werden. Neben den vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Vorschriften im Antiterrordateigesetz sollen mit der Novelle zudem auch die entsprechenden Vorschriften im Rechtsextremismus-Datei-Gesetz geändert werden.
Mit den Stimmen der CDU/CSU- und SPD-Fraktion hatte der Innenausschuss einem Änderungsantrag der Koalition zugestimmt, wonach Kontaktpersonen künftig nicht mehr eigenständig recherchierbar sein sollen. Die Angaben sollen „nur noch als erweiterte Grunddaten mit den zur Identifizierung und Kontaktaufnahme notwendigen Elementardaten zur jeweiligen Hauptperson gespeichert werden“. Geändert wurde auch die Gesetzespassage zur erweiterten projektbezogenen Datennutzung. Danach gelten die dort genannten Befugnisse nur für Behörden des Bundes.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Dr. Günter Krings (CDU), wertete die Vorlage als „guten und praktikablen Gesetzentwurf“, der sowohl den verfassungsrechtlichen Anforderungen als auch den „Herausforderungen der Praxis bei der effektiven Terror- und Extremismusbekämpfung“ gerecht werde.
Dank der Antiterrordatei und der Rechtsextremismusdatei könne ein Behördenmitarbeiter bei seinen Ermittlungen schnell herausfinden, ob zu einer bestimmten Person auch bei anderen Sicherheitsbehörden Informationen vorhanden sind. Daher brauche man diese Dateien dringend. In Umsetzung des Karlsruher Urteils fasse man nun die Definition der Personen, die gespeichert werden, enger. Daneben habe man die Analysefähigkeit der Datei erweitert.
Für Die Linke kritisierte ihre Abgeordnete Ulla Jelpke die Vorlage als „dürftige Flickschusterei“. Ihre Fraktion lehne den Gesetzentwurf ab, weil er zur Bekämpfung des Terrors nichts beitrage, aber „den Grundrechten weiter Ketten anlegt“. In seinem Urteil zur Antiterrordatei habe das Bundesverfassungsgericht die „allzu weit ausgedehnten Kompetenzen von Polizei und Geheimdiensten wieder einschränken müssen“.
Mehrere Sachverständige hätten darauf hingewiesen, dass die Vorgaben der Karlsruher Richter nicht umgesetzt würden. Ein neuer Paragraf sehe zudem vor, dass in sogenannten Projektdateien die Daten miteinander verknüpft und kombiniert werden sollten. Dies sei ein klarer Verstoß gegen den Grundsatz der Zweckbindung.
Die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic hielt der Regierungskoalition vor, keinen verfassungskonformen Gesetzentwurf vorgelegt zu haben. „Am informationellen Trennungsprinzip und an der Verfassung“ störe sich die Koalition „in ihrem Gesetzentwurf nicht im Geringsten“. Auch lasse die Koalition „die Sicherheitsbehörden bei der konkreten Umsetzung dieses Gesetzentwurfes schlicht und ergreifend im Regen stehen“.
Die im Änderungsantrag enthaltene Definition eines Projekts bei der erweiterten Datennutzung verstehe „außerhalb von Professorenzirkeln kein Mensch“. Mit dieser „Scheindefinition“ wälze die Koalition die Verantwortung für die richtige Auslegung des Gesetzes auf die Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden ab. Dies könne nicht sein.
Der SPD-Parlamentarier Uli Grötsch argumentierte, wenn es darum gehe, Anschläge zu verhindern, zähle jeder Tag. Daher halte er eine Diskussion über die Notwendigkeit der Antiterrordatei für unverantwortlich. Er sei erleichtert, dass man fristgerecht den Entwurf zur Novellierung des Antiterrordateigesetzes vorlege, „damit dieses wertvolle Instrument zum Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden“ weitergeführt werden könne.
Dabei habe das Bundesverfassungsgericht eindeutig festgestellt, dass die Antiterrordatei verfassungsgemäß sei. Das sei insbesondere für diejenigen eine wichtige Nachricht, „die sich um das Trennungsgebot von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden Sorgen machen“.
Der CDU-Parlamentarier Clemens Binninger sagte, eine solche Verbunddatei sei notwendig, weil es bei der föderalen Struktur der Bundesrepublik 37 verschiedene Behörden gebe, die für die Bekämpfung des internationalen Terrorismus zuständig seien. Wenn man wolle, dass diese Behörden im Interesse der Sicherheit der Bürger erfolgreich sind, müsse man sicherstellen, dass die Informationen dieser 37 verschiedenen Stellen zusammengeführt werden.
Dazu könne er sich kein anderes Instrument vorstellen, als diese Informationen in einer Datei zusammenzuführen. Binninger verwies zugleich darauf, dass die Definition der Projektdatei beispielsweise für „Syrien-Rückkehrer aus Kampfgebieten“ gelte. „Mit etwas gutem Willen“ verstehe man diese Definition. (sto/16.10.2014)