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Das kanadisch-europäische Handelsabkommen Ceta, EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei, ermäßigter Umsatzsteuersatz für E-Books – insgesamt 40 Fragen zu ganz unterschiedlichen Themen haben die Abgeordneten für die Fragestunde (18/2831) des Bundestages am Mittwoch, 15. Oktober 2014, vorgelegt. Dr. André Hahn (Die Linke) will sich dann unter anderem nach der Barrierefreiheit im Fernbuslinienverkehr erkundigen. Nach der Marktöffnung zum 1. Januar 2013 boomt das Geschäft: Die Fahrgastzahlen verdreifachten sich laut Statistischem Bundesamt innerhalb nur eines Jahres auf 6,7 Millionen, und die Zahl der Linien und Anbieter steigt. Warum dennoch längst nicht alles zum Besten in der Branche steht, erklärt der Abgeordnete aus Sachsen im Interview:
Herr Dr. Hahn, Sie fragen die Bundesregierung, wie viele Fernbuslinien parallel zum Angebot auf der Schiene bestehen – und wie viele ergänzend. Warum interessiert Sie das?
Als der Bundestag im Rahmen der Änderung des Personenbeförderungsgesetzes den Markt für private Fernbusanbieter geöffnet hat, versprach man sich davon vor allem eine Ergänzung zum Liniennetz der Bahn. Jetzt zeigt sich allerdings, dass vor allem dort Busverkehre parallel zu den bestehenden Bahnlinien entstanden sind, wo es sich um lukrative Strecken mit vielen Fahrgästen handelt. Das aber ist nicht das, was der Gesetzgeber bezwecken wollte. Zudem profitieren kleine und mittelständische Busunternehmen fast gar nicht von der Liberalisierung des Marktes. Den beherrschen bislang vier bis fünf große Anbieter.
Befürchten Sie, dass sich die Fernbusunternehmen zu einer ernsthaften Konkurrenz für die Bahn entwickeln?
Wie sehr sie die Preisgestaltung der Bahn schon beeinflussen zeigt doch, dass die Deutsche Bahn zum Jahresende die Fahrkartenpreise für die zweite Klasse nicht erhöhen will. Das ist für die Fahrgäste angenehm – aber wir dürfen auch nicht übersehen, dass die Bahn selbst auf dem Fernbuslinienmarkt aktiv ist und möglicherweise ein Interesse daran hat, Konkurrenten auszuschalten.
Dass sich die Fernbusunternehmen gegenseitig mit Dumpingpreisen unterbieten, geht oft auch zulasten von Angestellten und Fahrgästen – etwa, wenn Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer nicht eingehalten werden. Ist das ein Fall für die Politik?
Natürlich, aber es gibt bereits hinsichtlich von Lenk- und Ruhezeiten klare gesetzliche Regelungen. Deren Einhaltung gilt es zu kontrollieren.
Ihnen macht aber offenbar noch ein anderer Aspekt Sorgen: Sie wollen wissen, was die Bundesregierung tut, um Barrierefreiheit zu fördern.
Ja, denn die Schaffung von Barrierefreiheit war eines der wichtigsten Ziele bei der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes. Beschlossen wurde damals, dass alle neuen Fernbuslinien 2016 und alle älteren spätestens ab 2020 barrierefrei und mit mindestens zwei rollstuhlgerechten Plätzen ausgestattet sein müssen. Allerdings sehe ich hier gar keine Entwicklung. Mir ist nicht eine Fernbuslinie bekannt, die durchgehend barrierefrei ist – von Pauschalreisen und so genannten Gelegenheitsverkehren gar nicht zu reden.
Es geschieht also zu wenig?
Offenbar fehlt der nötige politische Druck: Die Bundesregierung und insbesondere das Verkehrsministerium könnten viel mehr tun, um die Barrierefreiheit zu fördern – etwa durch eine wissenschaftliche Begleitung und Zuschüsse für die Unternehmen, die ihre Busse umrüsten. Es wäre auch sinnvoll, den Bundesverband deutscher Omnibusunternehmer und die Behindertenverbände an einen Tisch zu bringen, um zu diskutieren, wie sich Barrierefreiheit schneller schaffen lässt. Denn grundsätzlich gilt: Menschen mit Behinderungen muss die Nutzung von Fernbussen ebenso möglich sein wie Menschen ohne Beeinträchtigungen.
(sas/14.10.2014)