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Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses Digitale Agenda, Jens Koeppen (CDU), plädiert dafür, den Providern zusätzliche „Servicedienste“ zu erlauben, wenn sie ländliche Regionen an die Datenautobahn anschließen. „Irgendwo muss das Geld verdient werden, was anschließend von den Providern in die Infrastruktur investiert wird“, sagt der Unionsabgeordnete aus Brandenburg am Montag, 20. Oktober 2014, im Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“.
Was die von der Bundesregierung vorgelegte digitale Agenda 2014 bis 2017 angeht, über die am Donnerstag, 16. Oktober, der Bundestag debattiert hatte, so ist aus seiner Sicht das darin vorgegebene Ziel, bis 2018 eine flächendeckende Breitbandinfrastruktur mit einer Downloadgeschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde zu erreichen, durchaus realistisch. Klar sei aber, dass sich die Länder ebenfalls engagieren müssten. Das Interview im Wortlaut:
Herr Koeppen, Ihr Wahlkreis umfasst die Uckermark und den Barnim – ländliche Regionen im Norden Brandenburgs. Wie sieht es dort mit der Versorgung mit schnellen Internetanschlüssen aus?
Der Ausbau geht zwar voran, dennoch haben wir in meinem Wahlkreis noch zu viele weiße Flecken, die mittlerweile ein echter Nachteil für die Unternehmen und die Einwohner sind. Brandenburg ist leider auch bei der Versorgung mit schnellen Internetanschlüssen insgesamt kein Vorreiter.
Haben wir in Deutschland die Entwicklung der Digitalisierung zu lange ignoriert?
Die Entwicklung der Digitalisierung wurde nicht ignoriert, aber die rasante Dynamik wurde schlicht unterschätzt.
Nun gibt die Bundesregierung in ihrer digitalen Agenda das Ziel vor, bis 2018 eine flächendeckende Breitbandinfrastruktur mit einer Downloadgeschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde zu erreichen. Ist das realistisch?
Für mich ist dieses Ziel realistisch. Aber ganz klar ist, diese Infrastruktur gibt es nicht zum Nulltarif. Und ganz klar ist auch, dass die Länder sich ebenfalls engagieren müssen. Im Übrigen machen alternative Verlegetechniken, wie etwa das Verlegen von Leerrohren, Micro- oder Minitrenching, oder die Mitnutzung offener Gräben, den Ausbau auch schneller und kostengünstiger.
Für die Zielerreichung wurde ein Zeitraum bis 2018 benannt. Dann ist die derzeitige Regierung aber gar nicht mehr im Amt. Will man sich so vor der Verantwortung im Falle eines Scheiterns drücken?
Nein! 2017 ist doch klar erkennbar, ob das Ziel erreicht wird oder nicht. 2017 wird das Ziel aber noch nicht erreicht sein. Eine Festschreibung von 45,8 oder 46,3 Mbit/s für das Jahr 2017 im Koalitionsvertrag wäre eine seltsame Festlegung.
Was die Finanzierung des Ausbaus des Internets angeht, so findet sich in der digitalen Agenda der Bundesregierung nicht allzu viel Konkretes. Sie haben unlängst dafür plädiert, den Providern zusätzliche „Servicedienste“ zu erlauben, wenn sie ländliche Regionen an die Datenautobahn anschließen.
Irgendwo muss das Geld verdient werden, was anschließend von den Providern in die Infrastruktur investiert wird. Die Serviceleistungen müssen für mich ganz klar diskriminierungsfrei angeboten werden und das Ganze darf nicht zu Lasten der Leistung für die übrigen Nutzer gehen. Davon profitieren aus meiner Sicht letztendlich alle Nutzer.
Dennoch gab es Kritik an ihrem Vorschlag. Auch aus den Reihen der SPD hieß es, die Netzneutralität im Gegenzug für Investitionsversprechen in den Breitbandausbau aufzuweichen komme nicht in Frage. Was halten Sie dagegen?
Ich halte es für verfehlt, wenn wir Regionen von den Entwicklungschancen abkoppeln und die digitale Spaltung der Gesellschaft riskieren, nur weil wir die Netzneutralität zu dogmatisch formulieren wollen. Ich finde, wir brauchen hier eine Lösung, die für die Nutzer gut ist. Neue Erkenntnisse müssen auch zu neuen Entscheidungen führen.
Entscheidungen zum Thema Netzneutralität fallen den Bereich des SPD-geführten Wirtschaftsministeriums. Was auf das Problem hinweist, dass sich mit dem Wirtschafts-, dem Infrastruktur- und dem Innenministerium gleich drei Häuser um das Thema Digitale Agenda kümmern. Oder ist das gar kein Problem?
Ich sehe das gegenwärtig durchaus positiv. In drei ganz zentralen Ressorts der Regierung wird die Digitale Agenda engagiert vorangebracht. Die Teamarbeit, die hier zwischen den Ressorts jetzt notwendig ist, kann beispielhaft für das Arbeiten der Verwaltung werden. Zudem: Ich bin ein Fan von Wettbewerb und letztendlich nützt ein gesunder Wettbewerb zwischen den Ressorts, damit die besten Ideen und gute Lösungen schnell vorankommen.
Der von ihnen geleitete Ausschuss Digitale Agenda wurde von Kritikern anfangs als zahnloser Tiger belächelt, weil er keine Themen federführend beraten sollte. Nun haben Sie die Federführung bei der Digitalen Agenda der Bundesregierung. Sehen Sie das als ein Zeichen der Wertschätzung des Ausschusses?
Der Bundestag will die Digitalisierung nicht als Randthema in den einzelnen Fachausschüssen abarbeiten. Oft ist das Zusammenführen sehr vieler Fachbereiche notwendig, um innovative Lösungen anzubieten. Wir sind damit die Klammer und die Treiber für digitale Themen. Wir haben viel zu tun.
Die konkreten Maßnahmen, die zur Erreichung der Ziele in der Agenda nötig sind, werden aber nach wie vor von den genannten Ministerien und den ihnen zugeordneten Ausschusses beraten und entschieden. Wäre eine Bündelung in einem „Internet-Ministerium“ und dem federführenden Ausschuss Digitale Agenda nicht sinnvoller?
Dann würden wir über Nacht alle großen Themen in unseren Ausschuss ziehen. Von der Energiewende, über Industrie 4.0, über den Datenschutz, den Netzausbau, e-health bis zu sämtlichen Fragen des Verbraucherschutzes im Netz. Für mich als Ausschussvorsitzender ist das natürlich eine verlockende Idee. Aber man muss einfach nüchtern konstatieren, dass die bisherige Verantwortungs- und Zuständigkeitsaufteilung im Parlament eine gute Lösung ist. Das gleiche gilt für die Regierungsseite. Wir brauchen jetzt eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen meinem Ausschuss und den Fachpolitikern. Und nicht Reibungsverluste durch langwieriges Umstrukturieren und Neusortieren.
Der Netzausbau ist ein großes Thema bei Ihnen im Ausschuss. Doch es geht auch um die Datensicherheit, die digitale Wirtschaft, ein neues Urheberrecht, Medienkompetenz oder auch die Digitale Verwaltung. Wie gewichten Sie angesichts dieser Themenflut?
Das erfolgt selbstverständlich gemeinsam mit den Fraktionen. Für mich ist ganz wichtig, dass unser Ausschuss die Chancen der Digitalisierung für die Menschen greifbar macht. E-health ist nicht nur ein nettes Schlagwort, sondern kann die medizinische Unterversorgung in ländlichen Gebieten verhindern. Die Digitalisierung insgesamt kann die peripheren Regionen als Lebens- und Arbeitsort insgesamt wieder attraktiver machen. Durch neue Arbeitsmodelle müssen Arbeits- und Lebensort schließlich nicht mehr aufs engste mit dem Sitz der Firma verbunden sein.
Welche Bedeutung hat denn eigentlich die Digitalisierung für uns? Ist sie in ihrer Dimension mit der industriellen Revolution Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts vergleichbar?
Ganz sicher. Es ist der Wachstums- und Wohlstandsmotor der kommenden Jahrzehnte. Das müssen wir für Deutschland nutzen.
Braucht das Internet eine stärkere Regulierung, um beispielsweise gesetzwidrige Inhalte von Kindern fernzuhalten?
Wir brauchen vor allem mehr Medienkompetenz bei den Kindern, den Eltern und den Lehrern.
Wie ist eigentlich ihr persönliches Internet-Nutzungsverhalten zu beschreiben? Sind Sie ein Nerd? Werden Sie nervös, wenn Sie mal länger als geplant offline sein müssen?
So schnell werde ich nicht nervös. Ich bin oft bewusst am Wochenende offline, bin weder ein Nerd noch ein ,digital native‘. Ich nutze das Netz und auch die sozialen Medien oft und gern. Den Wert von einem persönlichen Austausch und dem Treffen von Freunden bei mir zu Hause,können Chats für mich aber nicht ersetzen.
(hau/20.10.2014)