Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Eine Vergabe von Visa für Flüchtlinge zur Durchführung eines Asylverfahrens. Die freie Wahl des EU-Mitgliedstaates, in dem der Asylantrag gestellt werden kann. Das sind zwei der Forderungen, die die Linksfraktion in einem Antrag (18/288) erhebt, über den der Bundestag am Donnerstag, 6. November 2014, im Anschluss an die um 12.30 Uhr beginnende einstündige Debatte abstimmt. „Ein ‚Weiter so‘ in der Asylpolitik darf es angesichts der Zehntausenden Toten als Opfer dieser Politik nicht geben“, schreibt die Linksfraktion in der Vorlage und plädiert für eine grundsätzliche Änderung der EU-Flüchtlingspolitik. Die Bundesregierung, so die Abgeordneten, müsse sich im Europäischen Rat und auf EU-Ebene für eine „offene, solidarische und humane Flüchtlingspolitik der Europäischen Union einzusetzen, um das Massensterben an den EU-Außengrenzen zu beenden“.
Die Debatte wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Außerdem bedarf es nach Ansicht der Linksfraktion eines gemeinsamen Programms zur Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Personen, die vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) in anderen Ländern als Flüchtlinge bereits anerkannt wurden, dort jedoch nicht bleiben könnten. EU-weit könnten so jährlich etwa 100.000 Flüchtlinge legal aufgenommen werden, schreibt die Fraktion.
Angesichts der Millionen syrischer Flüchtlinge sei es zudem auf europäischer Ebene erforderlich, unverzüglich eine gemeinsame Aufnahmeaktion zur Entlastung der überforderten Nachbarstaaten Syriens zu starten und Evakuierungen aus Syrien vorzunehmen. Die humanitäre Unterstützung bei der Einreise von Asylsuchenden und Flüchtlingen dürfe dabei nicht kriminalisiert werden, fordern die Abgeordneten mit Verweis auf einen Beschluss des EU-Gipfels vom Oktober 2013, härter gegen „kriminelle Schleuser“ vorzugehen.
Bei einer öffentlichen Expertenanhörung des Innenausschusses Anfang Juli wurde deutlich, dass die Forderung nach mehr legalen Einreisemöglichkeiten für Flüchtlinge umstritten ist. So plädierte Steffen Angenendt vom Deutschen Institut für internationale Politik und Sicherheit dafür, zur Verhinderung weiterer Tragödien an den EU-Außengrenzen die legalen Möglichkeiten für schutzsuchende Flüchtlinge zum Familiennachzug zu erweitern und weitere Programme zur Arbeitsmigration einzurichten. Die „Push-back-Praxis“ an den Außengrenzen müsse gestoppt werden, verlangte auch Günter Burkhardt vom Förderverein Pro Asyl.
Prof. Dr. Kay Hailbronner von der Universität Konstanz vertrat hingegen die Ansicht, eine Erweiterung der Zugangswege sei kontraproduktiv, „weil sie letztlich zu einem Verlust der Steuerung führt“. Grenzüberwachung und Einwanderungskontrolle seien unverzichtbar. Das sah auch der Vertreter der EU-Grenzschutzagentur Frontex so, der deutlich machte, dass Grenzschutz nicht alleine der Migrationskontrolle diene, sondern in erster Linie der Förderung regulärer Reisebewegungen und der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität.
Im Verlauf der ersten Lesung zur Vorlage der Linken zeigte sich, dass die sich häufenden Schiffsunfälle mit überfüllten und seeuntauglichen Flüchtlingsbooten im Mittelmeer zu Betroffenheit in allen Fraktionen führen. Sowohl bei der Suche nach den Gründen für die Katastrophen als auch den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen gab es jedoch unterschiedliche Auffassungen.
Während Vertreter der Linken und Grünen die Abschottungspolitik der EU für die Toten im Mittelmeer verantwortlich machten und bei der SPD-Fraktion von einem Versagen der europäischen Flüchtlingspolitik die Rede war, sahen Redner der Unionsfraktion „kriminelle Schleuser“ als Verantwortliche für die Katastrophen auf See an. Ein „hohes Maß an Verantwortung“ haben aus Sicht von CDU und CSU aber auch die nordafrikanischen Staaten selbst. (hau/29.10.2014)