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Menschen, meistens sind es Mitarbeiter, die auf Missstände in ihren Unternehmen oder Behörden hinweisen und dadurch Schaden von der Allgemeinheit abwenden, müssen besser vor Repressalien durch ihre Arbeitgeber geschützt werden. Darin sind sich alle Fraktionen einig. Das wurde in der ersten Lesung eines Gesetzentwurfs von Bündnis 90/Die Grünen (18/3039) und eines Antrags der Fraktion Die Linke (18/3043) am Freitag, 7. November 2014, deutlich. Beide Fraktionen streben an, den Schutz von Hinweisgebern durch ein Whistleblower-Schutzgesetz und Änderungen unter anderem im Arbeits-, Beamten- und im Strafrecht deutlich auszubauen. Aus Sicht der Koalitionsfraktionen bieten beide Initiativen jedoch nicht mehr Rechtssicherheit als derzeit, weshalb sie den Vorschlägen nicht zustimmten. Sie wurden zunächst zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen.
Der grüne Rechtsexperte Hans-Christian Ströbele bezeichnete den Entwurf seiner Fraktion dagegen als „wichtigen Beitrag zur Entwicklung der parlamentarischen Gesellschaft in unserem Land“. Denn glücklich könne ein Land sein, das keine Whistleblower brauche, aber Deutschland gehöre nicht dazu, sagte er.
Ohne engagierte Steuerfahnder wären die öffentlichen Kassen um Millionenbeträge leichter, ohne den mutigen Kraftfahrer, wäre der Gammelfleischskandal nicht aufgedeckt worden und ohne den Einsatz einer Berliner Altenpflegerin wären die unhaltbaren Pflegezustände dort nicht bekannt geworden, zitierte Ströbele einige Beispiele aus der Vergangenheit. Er betonte, es gehe nicht nur darum, Einzelne zu schützen, sondern auch Unternehmen und Behörden, die kein Interesse daran haben könnten, dass dort Missstände weiter bestehen.
Wilfried Oellers betonte für die Unionsfraktion, dass die Zivilcourage von Hinweisgebern nicht hoch genug gewürdigt werden könne. „Sie müssen vor den ihnen drohenden Gefahren geschützt werden“, unterstrich er. Gleichzeitig verwies Oellers jedoch darauf, dass die geltende Rechtslage diesen Schutz gewährleiste. So lege zum Beispiel das allgemeine „Anzeigerecht“ im Bürgerlichen Gesetzbuch fest, dass die Kündigung eines Arbeitnehmers rechtswidrig ist, wenn sie mit der Inanspruchnahme dieses Rechts begründet wird.
Auch das Kündigungsschutzgesetz diene dem Schutz von Hinweisgebern. „Die Besonderheit liegt darin, dass wir immer auch den Einzelfall begutachten müssen, im Streitfall durch die Gerichte. Und etwas anderes geht aus Ihren Vorlagen auch nicht hervor. Sie bieten nicht mehr Rechtssicherheit“, sagte der CDU-Abgeordnete.
Die Linke hielt an der Auffassung fest, dass ein umfassendes Whistleblower-Schutzgesetz „dringend nötig“ sei, weil die derzeitige Rechtslage den Mitarbeitern den Schutz vor Repressalien eben nicht garantiere, wie Karin Binder ausführte. Als Beispiel nannte sie unter anderem elf Altenpflegerinnen aus dem Münstlerland, die entlassen worden waren, nachdem sie die Zustände in ihrem Pflegeheim angeprangert hatten.
„Was nützt der beste Diskriminierungsschutz oder das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, wenn so etwas möglich ist?“, fragte Binder. Hinweisgebern müsse Anonymität gewährleistet und die Möglichkeit gegeben werden, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, denn interne Beschwerdewege wirkten sich meistens zum Nachteil des Beschäftigten aus, so ihre Begründung.
Markus Paschke unterstrich: „Wir sind in der Pflicht, diesen Aufklärern Rechtssicherheit darüber zu geben, was sie dürfen und was nicht.“ Es sei beschämend, dass diese Helden mit Repressalien rechnen müssten, wenn sie Schaden von der Allgemeinheit abwendeten, sagte er unter Verweis auf den Gammelfleischskandal. Paschke verwies auf eine entsprechende parlamentarische Initiative seiner Fraktion in der vergangenen Legislaturperiode und zugleich auf Differenzen zum Koalitionspartner CDU/CSU in diesem Punkt.
Immerhin sei im Koalitionsvertrag ein „Prüfauftrag“ festgelegt worden, der für ihn bedeute, diesen dann auch umzusetzen, so Paschke. Er kritisierte an den Vorlagen der Opposition, dass auch diese zu viele unklare Rechtsbegriffe enthalten wie „konkrete Anhaltspunkte“ oder „angemessene Frist“. Auch hier seien es dann wieder die Gerichte, die Klarheit herstellen müssten, so sein Einwand. (che/07.11.2014)