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In der Fragestunde des Bundestages am Mittwoch, 5. November 2014, von etwa 13.35 bis 15.35 Uhr erkundigt sich die Abgeordnete Sevim Dağdelen (Die Linke), inwieweit die Bundesregierung in der extrem rechten Gruppierung „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) ein bundesweites Phänomen sieht und welche Hooligan-Gruppen bei der Demonstration in Köln am 26. Oktober 2014 vertreten waren. Im Interview macht Dağdelen deutlich, dass sie vom Ausmaß der Hooligan-Aktion in Köln eher erschrocken, denn überrascht war. Eine gemeinsame Szene aus Neonazis und Hooligans sei schließlich schon seit geraumer Zeit zu beobachten. Allerdings habe Köln wieder einmal gezeigt, „dass die Gefahr durch Neonazis unterschätzt wird“. Das Interview im Wortlaut:
Frau Dağdelen, waren Sie überrascht von dem Ausmaß der Hooligan-Aktion in Köln?
Ich war eher erschreckt als überrascht. Seit geraumer Zeit ist eine gemeinsame Szene aus Neonazis und Hooligans schon zu beobachten. Fußballstadien werden von den Nazis als Bühne für rechtsradikale Parolen genutzt. Und gleichzeitig sind die Hooligans bei Aufmärschen von Neonazis dabei. Das Phänomen war früher vor allem in Ostdeutschland verbreitet. Auch in Thüringen. Eine solche Mischszene ist auch deshalb so gefährlich, da der NSU laut Experten genauso rekrutiert hat. Diese Vernetzung gibt es jetzt aber auch im Westen – etwa die Standarte Bremen, aber auch bei mir im Wahlkreis die Brigade Bochum, die gar bei der Organisation in Köln mitgemischt hat. Es ist also kein neues Phänomen. Neu ist nur die bundesweite Mobilisierung der Szene.
Von der die Sicherheitsbehörden offenkundig überrascht wurden…
Köln hat wieder gezeigt, dass die Gefahr durch Neonazis unterschätzt wird. Dabei sind auch die Netzwerke, die sich antisalafistisch geben, nicht neu. Die Verharmlosung muss aufhören - seitens der Politik und auch der Sicherheitsbehörden. Es gab genug ähnliche Veranstaltungen im Vorfeld, gerade auch in Nordrhein-Westfalen, die aber ignoriert wurden. Das ist völlig inakzeptabel. Nicht nur die Salafistenszene ist sehr beweglich, auch die der Neonazis.
Hooligans und Neonazis versuche nun den Eindruck zu erwecken, sie allein könnten den Salafismus in Deutschland bekämpfen. Hat die Politik in diese Richtung zu wenig unternommen?
Rechtsextreme suchen sich immer neue Allianzen. Und auch neue Themen wie jetzt Salafismus oder vorher den Kampf gegen „Kinderschänder“ oder Hartz IV. Es ist aber in der Tat so, dass die Bundesregierung nichts dafür getan hat, die finanzielle Förderung der radikalen salafistischen Gruppen gerade durch Saudi-Arabien zu stoppen. Das muss aber gestoppt werden! Die Bundesregierung muss ganz konsequent gegen Salafismus, gegen radikal islamistische Kräfte in Deutschland vorgehen. Dazu gehört auch, Schulen zu schließen, die in ihren Schulbüchern radikal-islamistische Inhalte propagieren. Wie etwa die König-Fahd-Akademie in Bonn. Dass diese Akademie in Deutschland, benannt nach einem saudischen Diktator, der für eine weltweite Verbreitung der salafistischen Ideologie stand, auch noch gemeinnützig ist, ist ein wirklicher Skandal. Acht Stunden salafistischer Religionsunterricht pro Woche werden so auch noch vom deutschen Steuerzahler gefördert. Bonn und das Rheinland sind mittlerweile ein Zentrum des Salafismus in Deutschland. Ich finde, das geht nicht. Da darf man keine Rücksicht auf deutsche Rüstungskonzerne und deren Geschäfte mit den Saudis nehmen. Die Salafisten wollen einen Gottesstaat – das sind Antidemokraten hinter der Maske der Religion, wie sie im Buche stehen. Ein Rechtsstaat wie die Bundesrepublik muss das deutlich bekämpfen. Sonst wird die Gefahr immer größer, dass sich Hooligans und Nazis anmaßen, das Recht in Deutschland durchzusetzen.
Haben Sie den Eindruck, dass es in der Bevölkerung einen Rückhalt für deren Aktivitäten gibt?
Nein. Die Mehrheit lehnt diesen Rassismus ab, nur muss sie sich auch deutlicher artikulieren. Wir brauchen gegen die große Gefahr von Rechts auch einen gesellschaftlichen Widerstand. Und auch ein klares Nein gegen Angriffe auf Migranten und Flüchtlinge. Hier muss die Gesellschaft klare Kante zeigen, damit sich Köln nicht in anderen Städten wiederholt.
Das Hooligan-Bündnis wollte am 15. November, ursprünglich sogar am 9. November, dem Jahrestag der Nazi-Pogrome, am Brandenburger Tor in Berlin demonstrieren. Das ist nun offenbar abgesagt worden. Hätte man ansonsten die Demonstration verbieten sollen?
Für Die Linke ist die Demonstrationsfreiheit wichtig. Aber sie darf nicht zu einer Pogromfreiheit umgedeutet werden. Was in Köln passiert ist, hatte Pogrom-Charakter. Meiner Meinung nach sollte man aber faschistische Parteien und Gruppen verbieten – nicht nur den Aufmarsch. Gerade vor dem Hintergrund unserer Geschichte sollte es hier keine Experimente geben.
(hau/04.11.2014)