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Die Vermeidung von Steuerzahlungen großer Unternehmen in Europa und das Handeln einzelner EU-Staaten stößt auf Kritik im Bundestag. Auf Verlangen der Fraktion Die Linke debattierten die Parlamentarier in einer Aktuellen Stunde zur Haltung der Bundesregierung zu den umstrittenen Steuermodellen in Luxemburg und der Rolle Jean-Claude Junckers am Mittwoch, 12. November 2014.
Klaus Ernst (Die Linke) sah es als erwiesen an, dass das Land Luxemburg von 2002 bis 2010 als Steueroase fungiert habe. „PricewaterhouseCoopers entwickelte für internationale Konzerne geradezu Modelle und bot sie den Unternehmen an“, sagte er. Dadurch sei es den Unternehmen gelungen, ihre Steuersätze, die in Luxemburg normalerweise bei 29 Prozent liegen würden, auf bis zu ein Prozent zu reduzieren. Den Verlust für Europa durch diese Steuermodelle, bei denen sich Luxemburg hervorgetan habe, werde von Gutachtern der EU auf insgesamt 1.000 Milliarden Euro geschätzt.
Ausgerechnet der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, habe in genau der Zeit als Premier- und Finanzminister die Verantwortung in Luxemburg getragen. Ernst wunderte sich deshalb nicht darüber, dass es in der Europäischen Union nicht gelinge, Steueroasen auszutrocknen. Mit der Berufung Junckers zum Kommissionspräsidenten sei der „Bock zum Gärtner“ gemacht worden.
Doch auch die Bundesregierung habe nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, durch nationale Regelungen den „Steuertricks Luxemburgs einen Riegel vorzuschieben“. So sollte es nicht erlaubt sein, dass Betriebsausgaben für Lizenz- oder Patentgebühren in der Bundesrepublik Deutschland abzugsfähig sind. So müssten Gewinne in Deutschland versteuert werden und könnten nicht in Billigsteuerländer verschoben werden: „Sie stehen in der Pflicht.“
Dr. h.c. Hans Michelbach (CDU/CSU) bemängelte das unsolidarische Handeln vor allem kleiner EU-Länder, die ein Geschäft mit Steuerlockangeboten betreiben würden. „Dabei wird das Steuersubstrat von Ländern abgesaugt, in denen ein Unternehmen einen Gewinn erwirtschaftet.“ Zudem sei es eine fragwürdige Unternehmensstrategie, mit der durch Gewinnverlagerung Wettbewerbsvorteile erreicht werden. „Das ist so etwas wie modernes Raubrittertum“, sagte Michelbach.
Deswegen müsse mit Luxemburg, den Niederlanden, Irland und anderen Ländern darüber geredet und vor allem in Brüssel, bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und bei den G20, den zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländern, die Lösung gesucht werden. Michelbach verwies darauf, dass die EU-Kommission nach mehreren Mahnungen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen drei Länder eingeleitet habe. „Ich vertraue auf die Aufklärungsarbeit der EU-Kommission.“
Dr. Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte Junckers Rolle in Luxemburg scharf und fragte, ob „jemand an der Spitze der Kommission stehen kann, der in seinem Staat ein Verhalten zu verantworten hatte, das für die Europäische Union eindeutig schädlich ist?“ Nun gehe es um die Frage, ob der Kommissionspräsident ein Teil der Lösung oder ein Teil des Problems sei.
„Wir fordern ihn auf, ein Teil der Lösung zu werden und europafreundliche Vorschläge zu machen, die dafür sorgen, dass diese Steuervermeidungsindustrie in Europa beendet wird.“ Schick kritisierte auch das Handeln der Bundesregierung, die auf den Informationsaustausch der Steuerbehörden untereinander setze. „Wir brauchen Transparenz darüber, wo die Gewinne stattfinden und wo sie versteuert werden, das sogenannte Country-by-Country-Reporting. Wir brauchen länderbezogene Transparenz bei den Steuern.“
Dr. Jens Zimmermann (SPD) stellte fest, dass die meisten Steuerpraktiken nach nationalem Recht legal seien: „Das ist ein Problem.“ Doch wichtig für Europa sei, dass „wir von diesem Unterbietungswettbewerb wegkommen müssen“. Mache ein Unternehmen ordentlich Gewinn, soll es auch ordentlich Steuern zahlen. Steuern sollen dort gezahlt werden, wo Gewinne erwirtschaftet werden.
Doch Zimmermann kritisierte jedoch am laufenden Beihilfeverfahren der EU gegen die betreffenden Länder, dass das Verfahren nicht die Unternehmen, sondern die Staaten treffe. „Das ist nicht das, was wir wollen.“ Der Sozialdemokrat hielt zudem fest, dass Kommissionspräsident Juncker das größte Interesse daran haben müsse, aufzuklären und „klar Schiff zu machen“. Europa müsse dahin kommen, sich in der Steuerpolitik besser abzustimmen.
Steffen Kampeter (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, entgegnete der Kritik der Linksfraktion, dass Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) zahlreiche Maßnahmen gegen die „beklagenswerten Missstände“ in Europa angeschoben habe.
So sei vor Kurzem von mehr als 50 Finanzministern eine Erklärung zum internationalen Informationsaustausch unterzeichnet worden, nach der bei Steuerfragen zukünftig kooperiert und Transparenz geschaffen wird. „Das ist ein grundlegender Qualitätsfortschritt und eine epochemachende Veränderung.“ Außerdem werde mit der BEPS-Initiative der OECD (Base erosion and profit shifting) das Problem bearbeitet, dass internationale Konzerne Gewinne nicht dort versteuern, wo sie entstehen.
Zudem sei zwischen Großbritannien und Deutschland eine wichtige Einigung erzielt worden, nur das zu privilegieren, wo auch die tatsächliche Wertschöpfung stattfindet. „Wenn wir dieses Projekt in der nächsten Zeit zu einem Abschluss bringen, bedeutet dieseinen wichtigen Quantensprung für mehr Fairness bei der Besteuerung im internationalen Kontext.“ (eis/13.11.2014)