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Der Entscheidung, das Kooperationsverbot zwischen Bund und Länder aufzuheben und den Artikel 91b des Grundgesetzes zu verändern, ist ein jahrelanges Ringen vorausgegangen. Mit dem Gesetzentwurf (18/2710, 18/3141), der am Donnerstag, 13. November 2014, mit 482 Stimmen bei 54 Gegenstimmen und 56 Enthaltungen und damit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen wurde, sollen die Hochschulen vom Bund künftig institutionell und zeitlich unbegrenzt unterstützt werden und in der Förderung durch den Bund mit außeruniversitären Forschungsinstitutionen gleichgestellt werden. Diese Kooperationsmöglichkeit des Bundes mit den Ländern war bislang nur zeitlich und thematisch begrenzt möglich. Die Opposition warb vergeblich dafür, die Kooperation auch auf die Bildung auszuweiten.
Nach der Grundgesetzänderung kann nun die Zusammenarbeit von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen leichter als bisher von Bund und Ländern unterstützt werden. Der Bundesregierung und den Ländern war es in dem Diskussionsprozess stets wichtig, dass diese Grundgesetzänderung nicht die föderalen Strukturen betreffen und die Zuständigkeit für das Hochschulwesen bei den Ländern bleibt.
Bundesbildungs- und Forschungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka (CDU) wandte sich gegen die allgemeine Darstellung zum Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern. „Der Witz ist, es gibt überhaupt kein Kooperationsverbot“, so Wanka. Sie betonte, dass die Änderung dennoch sehr sinnvoll sei, weil sie die Zusammenarbeit erweitere, denn nun sei sie institutionell und zeitlich unbegrenzt mit den Hochschulen möglich.
Mit dieser Grundgesetzänderung sollen aber auch verstärkt Themen überregionaler Bedeutung angegangen werden. Sie nannte als Beispiele die Frauenförderung oder die Stärkung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Am Ende ihres Beitrages warb sie noch einmal für die Zustimmung zur Grundgesetzänderung und sagte: „Hier wird die Tür aufgestoßen für eine neue Qualität der Zusammenarbeit zwischen Bund und Länder im Hochschulbereich.“
Dr. Rosemarie Hein (Die Linke) ging auf die These der Bundesbildungsministerin ein, dass es gar kein Kooperationsverbot gebe. Und fragte: „Worüber haben wir dann die ganzen letzten vier Jahre geredet?“ Sie fügte an: „Ich glaube, ich bin im falschen Film“, denn „selbstverständlich“ gebe es das Kooperationsverbot.
Grundsätzlich will die Linke das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der Bildung aufheben. Die Fraktion verlangt, eine „umfassende Gemeinschaftsaufgabe Bildung im Artikel 91b im Grundgesetz“ zu verankern, wie es im Antrag der Linken heißt.
Hein hob drei Kritikpunkte an der jetzigen Änderung hervor: Es sei schlecht, dass der nicht akademische Bereich der Bildung außen vor bleibe; zudem sei es schwierig, dass nur Vorhaben von überregionaler Bedeutung gefördert werden könnten, da dieses Auslegungssache sei. Ebenso sei es nicht sinnvoll, dass zu jedem Vorhaben, das Hochschulen betreffe, die Einstimmigkeit aller Bundesländer benötigt werde. Dadurch könnte ein einziges Bundesland alles blockieren.
Die SPD hatte zusammen mit der CDU/CSU in der Föderalismusreform 2006 das zeitlich begrenzte und an Einzelprojekte gebundene Kooperationsverbot auf die Agenda gehoben und dies später als Fehler erkannt. Als Folge davon war die SPD dafür eingetreten, das Kooperationsverbot auch für die Bildung aufzuheben, konnte sich aber beim Koalitionspartner CDU/CSU mit dieser Haltung nicht durchsetzen.
Entsprechend warb Ernst Dieter Rossmann (SPD) zwar für die Grundgesetzänderung zu Artikel 91b, sagte aber auch: „Für die Sozialdemokratie ist es nicht das ganze Stück. Denn wir wollen, dass der Geist der gemeinsamen Förderung nicht auf Hochschulen begrenzt ist.“ In der Bildung gebe es nach wie vor ein Kooperationsverbot, was man auch „Förderungsverbot“ nennen könnte. Die SPD wolle vom Bund aus keine „Schwurgesetze“ machen, aber man wolle das „Sinnfällige tun“, das nämlich, was der Bildung gut täte. Dennoch sei die Grundgesetzänderung des Artikels 91b ein Erfolg, da die Vorhaben der Wissenschaft nun insgesamt im Grundgesetz verankert würden.
Bündnis 90/Die Grünen hatten schon 2006 vor den Nachteilen des Kooperationsverbots gewarnt. Die Grünen wollen, dass die Bundesregierung einen Vorschlag vorlegt, wie das Grundgesetz so geändert werden kann, dass Bund und Länder auch im Bereich der allgemeinen Bildung auf der Grundlage gemeinsamer Vereinbarungen zusammenarbeiten können.
Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grüne) sagte in der Debatte: „Das Kooperationsverbot muss weg, ohne die Kulturhoheit der Länder infrage zu stellen.“ Auch er freue sich über neue Horizonte, aber es gebe doch einige graue Wolken am Himmel. Die Grundgesetzänderung sei ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, werde aber wohl kaum als Meilenstein in die Geschichte eingehen. Da das Kooperationsverbot in der Bildung bestehen bleibe, könnten die Grünen dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
Gehring kritisierte wie zuvor schon Rosemarie Hein das Einstimmigkeitsprinzip der Bundesländer. Zudem warf er der Koalition vor, dass sie keine Idee habe, was sie mit der neuen Kooperationsmöglichkeit in der Wissenschaft überhaupt anfangen soll. Zudem forderte Gehring einen Pakt für wissenschaftlichen Nachwuchs und gute Karrierewege.
Tankred Schipanski (CDU/CSU) sagte: „Wir verabschieden heute ein Gesetz, mit dem wir die föderale Ordnung in unserem Land optimieren.“ Es sei gut, dass die Kooperationshemmnisse nun abgebaut würden und die Hochschulen grundsätzlich gestärkt werden würden.
Ähnlich wie Bundesbildungsministerin Wanka nahm er auch die Änderungen durch die Föderalismuskommission in Schutz und verwies darauf, dass 2006 die Grundlage für die erfolgreichen Pakte gelegt worden sei, die die Wissenschaftspolitik von heute positiv prägten. Nun gehe es darum, Kooperationshemmnisse abzubauen. Schipanski untermauerte Sinn und Zweck der Grundgesetzänderung mit einem Zitat des Wissenschaftsrats: „Wir wollen die Unwucht zwischen außeruniversitärer Forschung und universitärer Forschung beheben.“
In namentlicher Abstimmung lehnte der Bundestag in zweiter Lesung einen Änderungsantrag der Linken (18/3162) mit 538 Nein-Stimmen gegen 54 Ja-Stimmen ab. Keine Mehrheit fand mit 482 Nein-Stimmen bei 54 Enthaltungen ein Änderungsantrag der Grünen (18/3163), dem 54 Abgeordnete zugestimmt hatten. Ein Entschließungsantrag der Linken scheiterte bei Enthaltung der Grünen.
Der Bundestag lehnte ferner einen Antrag der Grünen (18/2745) bei Enthaltung der Linken ab, die BAföG-Reform zu überarbeiten und vorzuziehen. Auch die Linke scheiterte bei Enthaltung der Grünen mit einem Antrag (18/479, 18/715), die BAföG-Reform zügig umzusetzen.
Auch der Bundesrat muss der Grundgesetzänderung nach Artikel 79 Absatz 2 des Grundgesetzes mit Zweidrittelmehrheit zustimmen (rol/13.11.2014)