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Nichts spricht dafür, dass Sebastian Edathy durch ein früheres Kinderporno-Verfahren gewarnt gewesen sein könnte. Das ergab die Zeugenvernehmung am Donnerstag, 13. November 2014, im 2. Untersuchungsausschuss unter Vorsitz von Dr. Eva Högl (SPD) . In dem Beweismaterial aus Kanada, in dem sich viel später der Name des damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten fand, war eine Ermittlerin des Bundeskriminalamts (BKA) schon beim ersten Durchsehen auf den Namen eines leitenden Kollegen aufmerksam geworden. Sie übergab daraufhin der für den Wohnort dieses „Beamten X“ zuständigen Staatsanwaltschaft in Mainz das Beweismaterial, darunter eine Liste mit 800 deutschen Kunden eines kanadischen Kinderporno-Vertriebs.
Da auf dieser Liste auch der Name Edathys stand, hätte es sein können, dass jemand dies bemerkt und ihn vor möglichen Ermittlungen gewarnt hat. Allerdings fand der Untersuchungsausschuss bei der Befragung der beiden mit dem Fall befassten Mainzer Staatsanwaltschaft keinen Anhaltspunkt dafür. Auch dass der „Beamte X“ selbst vorzeitig von dem Verfahren gegen ihn Wind bekommen haben könnte, erscheint nach diesen Aussagen unwahrscheinlich.
Oberstaatsanwältin Andrea Keller, zu diesem Zeitpunkt unter anderem für Sexualdelikte zuständige Abteilungsleiterin der Staatsanwaltschaft Mainz, berichtete dem Ausschuss von einem ersten Treffen mit Beamten des BKA im Februar 2012, kurz nachdem das BKA die Bearbeitung des Datenmaterials aus Kanada begonnen hatte. Das BKA habe anders als üblich zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden, ob es einen Anfangsverdacht sieht, sondern die Staatsanwaltschaft um diese Entscheidung gebeten.
Die Aussagen Kellers und des von ihr mit dem Fall beauftragten Mitarbeiters, Staatsanwalt Dr. Joachim Schumacher, ließen das Bemühen des BKA erkennen, das Verfahren gegen den eigenen Mitarbeiter möglichst schnell aus dem Haus zu bekommen, um ein Leck zu vermeiden.
Schumacher nannte schon die persönliche Übergabe des Beweismaterials bei erwähnter Besprechung absolut unüblich. Das BKA habe sich dann, wie Keller ergänzte, erst nach der im April erfolgten Durchsuchung beim „Beamten X“ wieder zum Stand des Verfahrens erkundigt. Dies sei legitim gewesen, da es um die Abstimmung mit dem dienstrechtlichen Verfahren gegen den Mitarbeiter im BKA ging.
Die Staatsanwaltschaft Mainz hat ihren Aussagen zufolge die Polizei in Bad Kreuznach mit Ermittlungsmaßnahmen beauftragt, das BKA sei hier völlig außen vor gewesen. Er selbst habe beim BKA lediglich wegen Dienstreisen des „Beamten X“ nachgeforscht, um ein mögliches Alibi auszuschließen, berichtete Schumacher. Das gesamte Verfahren sei „extrem schnell“ durchgeführt worden.
Zu dem Zeitpunkt Ende 2013, als das Ermittlungsverfahren gegen Sebastian Edathy anlief, sei ihr Verfahren längst abgeschlossen gewesen, sagte Keller aus. Sie selbst habe die sieben DVDs mit dem Beweismaterial nur gesehen, als sie vom BKA übergeben wurden, und nie hineingeschaut.
Schumacher berichtete, er habe das Material damals übernommen und immer in seinem Büro aufbewahrt, bis es dem Amtsgericht Bingen für das Strafverfahren gegen den „Beamten X“ übergeben wurde. Er könne sich nicht erinnern, die darauf abgespeicherte Liste mit den Kundennamen jemals geöffnet zu haben. Auch der Verteidiger des „Beamten X“ habe nie Einsicht in das Beweismaterial verlangt.
Der 2. Untersuchungsausschuss zog später in den abhörsicheren Sitzungssaal des Verteidigungsausschusses um, um die beiden Staatsanwälte in nichtöffentlicher Sitzung nach Einzelheiten des Ermittlungsverfahrens gegen den „Beamten X“ zu fragen.
Zuvor in öffentlicher Sitzung hatte der Untersuchungsausschuss auch Kriminaloberrat Jörn Theissig vernommen, stellvertretender Leiter des für Kinder- und Jugendpornografie zuständigen Referats SO 12 im BKA. Seine Aussagen deckten sich mit denen von Mitarbeitern seines Referats in früheren Ausschusssitzungen. Theissig verwahrte sich vor allem gegen Kritik an einer zu langen Verfahrensdauer. Vorwürfe im Bereich des Kindesmissbrauchs könnten Existenzen vernichten, auch wenn sie sich später als falsch herausstellten. Deshalb prüfe das BKA akribisch sowohl be- als auch entlastende Gesichtspunkte.
Der 2. Untersuchungsausschuss will sich auf seiner nächsten Sitzung am 26. Oktober von fünf BKA-Mitarbeitern ermittlungstechnische Fragen erläutern lassen. Für den 18. Dezember ist dann Sebastian Edathy vorgeladen. Ob er der Pflicht zu erscheinen, Folge leisten wird und falls ja, ob er aussagen oder von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch machen wird, ist aber ungewiss. (pst/13.11.2014)