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Die Forderungen von Linken und Grünen nach einer umfassenden Reform der Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinderungen stoßen bei Sachverständigen auf ein geteiltes Echo. In der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales unter Vorsitz von Kerstin Griese (SPD) zu vier Anträgen der Linken (18/972, 18/1949) und der Grünen (18/977, 18/2878) sah zwar eine Mehrheit der Sachverständigen Reformbedarf. Die Teilhabe von Behinderten müsse deutlich verbessert werden, so die überwiegende Meinung. Über die detaillierten Wege dorthin gab es jedoch unterschiedliche Auffassungen. Einigkeit herrschte jedoch darin, das Wunsch- und Wahlrecht der Menschen mit Behinderungen zu stärken, die Beratungsangebote und die Durchlässigkeit der Werkstätten für Behinderte zu verbessern.
So regte Dr. Felix Welti, Professor für Sozialrecht der Rehabilitation und Recht der Menschen mit Behinderung an der Universität Kassel an, bei den Überlegungen nicht die Frage in den Vordergrund zu stellen, wo die Teilhabeleistungen „formal verortet“ werden. Es sei nicht entscheidend, ob sie im Neunten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch geschehe, sondern „was man damit erreichen will“. So müssten zum Beispiel die bestehenden gesetzlichen Mechanismen besser zugunsten der Betroffenen umgesetzt werden. Da gebe es auf Länderebene einige verwaltungsmäßige Defizite, gab Welti zu bedenken.
Daniel Heinisch vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge betonte, es sei derzeit nicht absehbar, welche Kosten durch eine völlige Freistellung der Teilhabeleistungen von Einkommen und Vermögen entstehen würden. Sein Verein habe dazu noch keine abschließende Position gefunden. Nach geltendem Recht werden Teilhabeleistungen mit dem Einkommen und Vermögen der Betroffenen verrechnet, denen lediglich ein „Schonvermögen“ von 2.600 Euro für Anschaffungen gewährt wird.
Dazu sagte Nancy Poser als Betroffene, die eine 24-Stunden-Assistenzbetreuung benötigt: „Ich bin als Richterin am Landgericht tätig und muss trotzdem immer noch meine Eltern um Unterstützung bitten, wenn ich zum Beispiel einen Urlaub plane.“ Auch an eine Familiengründung sei nicht zu denken, da dann auch das Vermögen des Ehepartners zur Finanzierung der nötigen Teilhabeleistungen herangezogen würde und erst einmal dafür aufgebraucht werden müsse. „Dies will man niemandem zumuten“, sagte Poser.
Irene Vorholz vom Deutschen Landkreistag versprach sich von einem Bundesteilhabegesetz „bessere Steuerungsmöglichkeiten durch eine Gesamtverantwortung des Hauptleistungsträgers“. Sie hielt allerdings den Vorschlag von Linken und Grünen für bundeseinheitliche Kriterien nur für den Prozess der Hilfeplanungen für sinnvoll. Ganz konkrete bundeseinheitliche Instrumente zur Bedarfsermittlung beurteilte sie dagegen skeptisch. „Alles Gute kann nicht von oben kommen“, betonte Vorholz.
Sie lehnte auch die Forderung nach einem einschränkungslosen Wunsch- und Wahlrecht ab. Die derzeitigen Regelungen seien ausreichend. Bereits heute könne das schon kaum gewährleistet werden. „Eine völlige Freistellung von Leistungen würde uns als Träger völlig überfordern“, warnte sie.
Achim Backendorf vom Sozialverband VdK Deutschland betonte, die Beratung der Betroffenen sei „unheimlich wichtig“, denn nur sie ermögliche es überhaupt, die Mitgestaltung der Betroffenen zu realisieren. Die Beratungsangebote dürften allerdings nicht interessegeleitet sein, ihre Unabhängigkeit müsse gewährleistet sein. „Die Beratung und die Bedarfsentscheidung müssen getrennt voneinander abgewickelt werden“, forderte er.
Silvia Helbig vom Deutschen Gewerkschaftsbund betonte, dass es in den Jobcentern oft an qualifiziertem Personal für die Belange von Behinderten fehle. Dies sei aber eine Bedingung dafür, wenn man eine bessere Teilhabe am Arbeitsmarkt für die Betroffenen erreichen wolle. In den Betrieben müssten die Interessenvertretungen für Menschen mit Behinderungen gestärkt werden, forderte Helbig.
Dr. Lisa Pfahl, Professorin am Institut für Rehabilitationswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin, machte sich, wie andere Sachverständige auch, für eine stärkere Fokussierung der Aufgaben von Werkstätten für Behinderte stark. Dort würden zunehmend auch lernbehinderte Menschen und solche mit psychischen Krankheiten untergebracht. „Menschen mit Mehrfachbehinderungen fallen da oft raus, weil fehlende Plätze zu eine Art Verdrängungswettbewerb geführt haben. Die Werkstatt muss aber für die funktionieren, für die sie konzipiert worden ist“, betonte Pfahl.
Martin Danner von der BAG Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung verwies darauf, dass man nicht erst bei den Werkstätten ansetzen dürfe, sondern bereits bei der inklusiven Bildung. Denn dann könnten mehr Menschen in den ersten Arbeitsmarkt anstatt in den Werkstättenbetrieb integriert werden. „Wir brauchen ein inklusives System, das sektorübergreifend ist“, so Danner weiter.
Anstatt jetzt zusätzlich zu den Werkstätten Plätze bei anderen Anbietern auf niedrigerem Niveau zu schaffen, seien komplexe Erhebungen nötig, um „angemessene Angebote gemäß den Fähigkeiten der Betroffenen zu schaffen“, ergänzte er. (che/10.11.2014)