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Die Kommission Endlagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe (Endlager-Kommission) hat sich in ihrer öffentlichen Sitzung am Samstag, 6. Dezember 2014, unter Vorsitz von Ursula Heinen-Esser intensiv auf die Erfahrungen des sogenannten „AkEnd“ fokussiert, der sich als unbhängiger „Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte“ von 1999 bis 2002 im Auftrag des Bundesumweltministeriums mit der Endlagersuche beschäftigte. Dazu berichteten vier Kommissionsmitglieder über verschiedene Aspekte des Arbeitskreises.
Dr. Detlef Appel stellte die geowissenschaftlichen Kriterien und einen möglichen Verfahrensablauf dar, die sich aus den Beratungen des Arbeitskreises ergeben hatten. Appel verwies indes auch darauf, dass der AkEnd eigentlich am Anfang eines Prozesses hätte stehen sollen, der dann zu einer Endlagersuche hätte führen sollen. Dies sei aber nicht geschehen.
Michael Sailer konzentrierte sich auf die sozialwissenschaftlichen Aspekte der AkEnd-Empfehlungen. Diese seien eigentlich nicht Teil des Auftrags gewesen, hätten sich dann aber als wichtig erwiesen. Im Ergebnis, so Sailer, habe der AkEnd die Hoffnung geäußert, dass durch ein an solchen Kriterien orientiertes Verfahren in der betroffenen Region ausreichend Zustimmung, wenn auch „zähneknirschend“, gefunden werden könne.
Prof. Dr. Bruno Thomauske ging auf die Arbeitsweise und den Zeitbedarf der Standortsuche ein. Er referierte, dass schon der Zeitansatz im AkEnd - ein Endlager sollte demnach bis 2030 in Betrieb genommen werden - nie hätte realisiert werden können. Nach seinen Berechnungen werde auch das aktuell vorgesehene Verfahren nicht in dem angedachten zeitlichen Rahmen - Auswahl des Standortes bis 2031, Inbetriebnahme bis 2051 - bleiben können. Thomauske schätzte, dass ein Standort nicht vor 2058 gefunden werden könne, mit der Inbetriebnahme sei nicht vor 2083 zu rechnen. Er regte an, über Beschleunigungsmaßnahmen nachzudenken. Dies sei auch in Hinblick auf die Betroffenen an den Zwischenlagerstandorten notwendig.
Hartmut Gaßner fokussierte auf die Ergebnisse des AkEnds in Hinblick auf die Öffentlichkeitsbeteiligung. Im Rückgriff darauf regte er an, dass zum Beispiel darüber nachgedacht werden könne, den zu erstellenden Bericht der Kommission nicht nur dem Bundestag zur Zustimmung vorzulegen, sondern auch Voten anderer Gruppen einzuholen.
In der anschließenden Diskussion wurde vor allem Thomauskes Prognose kontrovers diskutiert. Dr. Ulrich Kleemann wies darauf hin, dass im Nachgang des AkEnd bereits einige Projekte angegangen worden seien, auf deren Grundlage nun weitergearbeitet werden könne. Es müsse im Grundsatz an dem „ambitionierten“ Zeitplan festhalten werden. Er befürchtete, dass durch Beschleunigung eine Vorfestlegung auf Gorleben stattfinden könnte.
Ralf Meister warnte aus einer ethischen Perspektive davor, den Zeithorizont aufzuweichen, da es als eine „Vermeidungsstrategie“ verstanden werden könnte. Michael Sailer sprach sich ebenfalls für die Beibehaltung des Zeitplans aus und begründete dies mit der Situation in den Zwischenlagern. So habe er an dem Sicherheitskonzept mitgewirkt, das auf einen Lagerungszeitraum von 40 Jahren ausgelegt sei. Alles darüber hinaus sei riskant, denn es sei zum Beispiel unklar, wie etwa nach 80 Jahren mit den Castor-Behältern umgegangen werden könne.
Prof. Dr.-Ing. Wolfram Kudla hingegen bezeichnete die Schätzung von Thomauske als „nicht gänzlich unrealistisch“. Sie sei als „Weckruf“ zu verstehen. Auch Hubertus Zdebel (Die Linke) sprang Thomauske bei. Der im Standortauswahlgesetz vorgesehene Zeitrahmen sei nicht realistisch. Allerdings lehnte Zdebel Beschleunigungsmaßnahmen ab. Gründlichkeit müsse Vorrang vor Geschwindigkeit haben.
Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen), die den Zeitansatz weniger kritisch sah, meinte, Beschleunigungsmaßnahmen seien nicht „das Gebot der Stunde“. Steffen Kanitz (CDU) schlug hingegen vor, sich mit solchen Maßnahmen in einer Arbeitsgruppe auseinanderzusetzen.
Grundsätzlicher gingen Ko-Vorsitzender Michael Müller und Klaus Brunsmeier vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) auf die Verwertbarkeit der AkEnd-Ergebnisse ein. Müller schlug eine wesentlich umfangreichere, soziologisch-philosophische Annäherung an die Thematik vor. Brunsmeier wies auf die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen hin, die die Übertragbarkeit der Ergebnisse einschränkten. Das gelte zum einem für den Fokus auf das Endlager, das eben nur ein Teilaspekt der Gesamtproblematik sei, zum anderen für die vorgeschlagene Form der Öffentlichkeitsbeteiligung, die heute anderen Maßstäben genügen müsse.
Dr. h.c. Bernhard Fischer wiederum warnte vor einer Entgrenzung. Es sei die Aufgabe der Kommission, einen gangbaren Prozess zur Endlagersuche zu entwickeln. „Wenn wir das Thema in alle Richtungen offen gestalten, dann wird es uns nicht gelingen“, sagte Fischer. Die eigentlich geplante Befassung mit der Abfallbilanz, die in den vergangenen Wochen für Schlagzeilen gesorgt hatte, wurde mangels Zeit auf die nächste Sitzung im Januar verschoben. (scr/08.12.2014)