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Sachverständige haben eine Zuordnung der Rückstellungen für die Beitragsrückerstattung (RFB) zu den Eigenmitteln der Lebensversicherungen völlig unterschiedlich beurteilt. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Mittwoch, 3. Dezember 2014, unter Vorsitz von Ingrid Arndt-Brauer (SPD) zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen (18/2956, 18/3252) bezeichnete Professor Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt-Universität Berlin die Benutzung von Kundengeldern als Eigenkapital, obwohl die Kunden keine Eigentümer seien, als Verstoß gegen das Grundgesetz.
Außerdem wandte er sich gegen eine Bevorzugung der Aktionäre im Vergleich zu Versicherungsnehmern. Versicherten dürfe nach den Vorschriften keine Überschussbeteiligung zugewiesen werden, solange nicht ein Gewinn in Höhe von mindestens vier Prozent des Grundkapitals verteilt worden sei.
Aktionäre bekämen also zunächst vier Prozent vom Bilanzgewinn, während die Versicherten, mit deren Geld die vier Prozent erwirtschaftet worden seien, erst danach an die Reihe kämen. „In jedem anderen Unternehmen ist es umgekehrt“, so Schwintowski in seiner Stellungnahme. Auch der Bund der Versicherten konnte nicht nachvollziehen, dass die Rückstellungen für die Beitragsrückerstattung, die ausschließlich den Kunden gehören würden, als Risikokapital verwendet werden könnten.
Dem widersprach Professor Fred Wagner vom Institut für Versicherungswissenschaften an der Universität Leipzig. Die RFB-Mittel würden durch Überschüsse entstehen. Die Versicherten würden dieses Geld auch in aller Regel erhalten. Sie würden allerdings erst nach etwa zwei Jahren von den freien RFB in die gebundenen RFB überführt und damit den Versicherten direkt zugeordnet. Die freien RFB seien eine Art Risikopuffer. Auch gebe es keine Garantien für Aktionäre. Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bezeichnete die Verwendung von RFB als Eigenmittel als nicht neu. Das System habe schon immer sehr gut funktioniert.
In der Anhörung wurde der Bundesregierung auch vorgehalten, bei der Neuregelung der Versicherungsaufsicht zum Teil weit über die europäischen Vorgaben hinauszugehen und kleine Versicherer zu benachteiligen. Mit dem Gesetzentwurf, der die europäische Solvabilität II-Richtlinie (Solvency II) umsetzt, soll die Aufsicht über die Versicherungen gestärkt und es soll dem Aufbau von Risiken im Bereich der Versicherungsunternehmen frühzeitig entgegengewirkt werden. Kern der Neuregelung sind umfassendere, risikoorientierte Eigenmittelvorschriften für die Versicherungsunternehmen.
Professor Hermann Weinmann vom Institut für Finanzwirtschaft an der Hochschule Ludwigshafen sagte, mittelständische Versicherer könnten durch die Neuregelungen in einen „Schicksalskampf“ geraten. Er erklärte, Aufgabe des Gesetzgebers sollte es sein, börsennotierte große Konzerne nicht über Gebühr zu bevorteilen und auch dem „Mittelstand“ der Versicherer eine aussichtsreiche Zukunftsoption zu eröffnen.
Professor Dietmar Pfeifer von der Universität Oldenburg empfahl in seiner schriftlichen Stellungnahme, die Vorgaben der Richtlinie im Zweifelsfall grundsätzlich zu Gunsten der kleinen und mittleren Unternehmen auszulegen. Der deutsche Versicherungsmarkt werde im Gegensatz zu einigen anderen EU-Ländern in erheblichem Maß von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (VVaG) geprägt. Kleine Unternehmen hätten zum Teil nur einen zweiköpfigen Vorstand, so dass sich die personelle Trennung von Funktionen wie Revision, Organisation und andere „nicht ohne erheblichen und gegebenenfalls substanzgefährdenden Kostenaufwand durchführen“ lasse.
Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) kritisierte in seiner Stellungnahme, die geplante Testierpflicht durch externe Wirtschaftsprüfer könne die Prüfung durch die Aufsichtsbehörde nicht ersetzen. Der Einsatz externer Abschlussprüfer führe zu „hohem bürokratischen Aufwand ohne Mehrwert bei den Unternehmen“.
Professor Meinrad Dreher von der Gutenberg-Universität Mainz sah „nationales Draufsatteln“ und kritisierte die Testierpflichten. Professor Wagner widersprach den Behauptungen von der Benachteiligung kleiner Versicherer. Er kenne keine Studie, die zeige, dass große Versicherer eine bessere Performance hätten als kleine.
Thema in der Anhörung waren auch die Kapitalanlagen der Versicherer. So warnte die Deutschen Bundesbank in ihrer schriftlichen Stellungnahme vor „Fehlanreizen durch die Privilegierung von Staatsanleihen“ unter Solvency II. Eine Abschaffung dieser Privilegien würde die Risiken aus dem Risikoverbund zwischen Staaten und dem Finanzsystem mittelfristig verringern. Der Bund der Versicherten erklärte, man habe Bauchschmerzen angesichts der Einstufung von griechischen Staatsanleihen als „risikofrei“.
Die Bundesbank hatte in ihrer Stellungnahme auch erklärt, die kürzlich von der europäischen Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA vorgeschlagenen Absenkungen der Anforderungen für Kapitalanlagen insbesondere für sogenannte Kreditverbriefungen (ABS) seien „kritisch zu sehen“. Die BaFin bezeichnete den Kauf von ABS-Papieren durch Versicherungen als „bedenklich“. Das Geld der Versicherten in Verbriefungen zu stecken, gleiche einem „Spiel mit dem Feuer“. (hle/03.12.2014)