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Der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber, sieht eine Absenkung der weltweiten fossilen Kohlenstoffemissionen auf Null bis spätestens 2070 als dringend notwendig an, um die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen. „Spätestens im Jahr 2030 müssen die globalen Emissionen ihren Scheitelpunkt erreicht haben, auch in den Entwicklungsländern“, forderte der Klimaforscher in einem öffentlichen Fachgespräch am Mittwoch, 3. Dezember 2014, im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit unter Vorsitz von Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen).
Der Kohlendioxidausstoß sei insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg regelrecht explodiert, erklärte Schellnhuber. Mache die Weltgemeinschaft weiter mit „business as usual“, wäre eine globale Enteisung die Folge. Der Ostantarktische Eisschild würde kollabieren, es drohte ein Meeresspiegelanstieg von etwa 70 Metern.
Der Forscher forderte daher im Namen des Beirats, das Zwei-Grad-Ziel rechtsverbindlich zu verankern. Bisher sei dieser 2010 in Cancún getroffene Beschluss in keiner Weise völkerrechtlich abgesichert.
Nach wie vor sei der Kohlendioxidverbrauch in den Industriestaaten, „bei den Reichen und Mittelschichten“, aufgrund der starken Mobilität am höchsten, sagte Schellnhuber. Doch auch die Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern würden immer mobiler und produzierten demzufolge immer mehr Treibhausgas.
In 40 Jahren drohe daher eine Erderwärmung von vier bis sechs Grad. Um dies zu verhindern, müssten die Menschen und Staaten, die über die meisten Mittel verfügen, bei der Transformation vorangehen. „Die Wohlhabenden müssen die Wende hin zu den erneuerbaren Energien, zur Elektromobilität vollziehen“, stellte der Klimaforscher klar.
Seiner Ansicht nach haben die politischen Entscheidungsträger dafür inzwischen einen starken Auftrag einer zunehmend klimabewussten „Weltbürgerbewegung“ erhalten. „Es formiert sich gerade weltweit eine soziale Bewegung, die der Politik ein sehr starkes Mandat überträgt in Richtung eines effektiven Klimaschutzes“, zeigte sich Schellnhuber überzeugt.
Er verwies dabei auch auf ein aktuelles Sondergutachten des Beirats mit dem Titel „Klimaschutz als Weltbürgerbewegung“. Die Stabilisierung des Weltklimas sei ein großes Thema in der Gesellschaft geworden, betonte der Professor: "Das sollte die Politik sehr ernst nehmen.“
Beispielhaft verwies er auf Entwicklungen in China. Die Führung dort habe gerade angekündigt, absolute Obergrenzen für Treibhausgasemissionen festzulegen. Der Umschwung in der Klimapolitik sei allein durch die starke Luftverschmutzung zustande gekommen, die besonders für die Menschen in Großstädten wie Peking jeden Tag unmittelbar erfahrbar sei, erklärte Schellnhuber.
Die Kinder könnten dort oft nicht mehr ins Freie gehen, weil sie sofort Nasenbluten bekämen. „Da fängt die Bevölkerung zu Murren an. Und keine Regierung, sei sie demokratisch oder autokratisch, kann die Stimmen der Bevölkerung permanent überhören.“
Die Entwicklungen in China, aber auch in den USA hält Schellnhuber für ein „außerordentlich ermutigendes Zeichen“. Sie gäben Hoffnung vor allem im Hinblick auf die UN-Klimakonferenz Ende 2015 in Paris, wo die Vertragsstaaten ein neues, verbindliches und umfassendes Klimaschutzabkommen für die Zeit ab 2020 beschließen wollten. „Die Großwetterlage hat sich seit ein, zwei Jahren gewandelt. Über ungeahnte Verbündete hat sich der Klimaschutz wieder zurückgeschlichen auf die Titelseiten der Medien und auf die Regierungstische“, so der Klimaforscher.
Er hält es aber in Zukunft für erforderlich, die Wissenschaft in die Klimaverhandlungen „fest und formell“ einzubinden. „Ohne Kompass kann ich ein Schiff nicht lenken“, appellierte Schellnhuber an die Abgeordneten. Die Wissenschaft stelle diesen Kompass mit ihren Erkenntnissen über den Klimawandel zu Verfügung. (joh/03.12.2014)