Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Die Organklage der Fraktionen Die Linke sowie Bündnis 90/Die Grünen, von 127 Bundestagsabgeordneten und zwei Ausschussmitgliedern gegen die Bundesregierung und den 1. Untersuchungsausschuss der laufenden Wahlperiode des Bundestages („NSA-Untersuchungsausschuss“) ist unzulässig. Dies hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts einstimmig in einem am Freitag, 12. Dezember 2014, veröffentlichten Beschluss entschieden. Die beanstandete Einschätzung der Bundesregierung zu rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Zeugenvernehmung von Edward Snowden in Berlin ist lediglich vorläufig; sie stellt aus Sicht der Karlsruher Richter keine rechtserhebliche Maßnahme dar, die zulässiger Gegenstand eines Organstreitverfahrens sein könnte.
Gegen die Ablehnung des Untersuchungsausschusses, die Vernehmung in Berlin durchzuführen, ist der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht nicht eröffnet, heißt es weiter. Der Antrag betreffe kein in Artikel 44 Absatz 1 des Grundgesetzes wurzelndes Recht der Ausschussminderheit gegenüber dem Untersuchungsausschuss, sondern die verfahrensrechtliche Überprüfung der Ausschussarbeit im Einzelnen, die dem Bundesgerichtshof zugewiesen sei.
Die beiden Oppositionsfraktionen hatten im Wesentlichen geltend gemacht, die Bundesregierung habe in Schreiben vom 2. Mai 2014 und 2. Juni 2014 ihre – seither aufrecht erhaltene – Weigerung zum Ausdruck gebracht, die Voraussetzungen für eine Zeugenvernehmung von Edward Snowden in Berlin zu schaffen, und damit ihre Pflicht zur Unterstützung des Untersuchungsausschusses aus Artikel 44 Absatz 1 des Grundgesetzes verletzt.
Zum anderen habe der NSA-Untersuchungsausschuss durch die Ablehnung von Anträgen vom 25. Juni 2014 und vom 21. Juli 2014 sowie durch seine fortgesetzte Verhinderung der Ladung von Edward Snowden nach Berlin seine Pflicht aus Artikel 44 Absatz 1 des Grundgesetzes verletzt, dem Untersuchungsauftrag nachzukommen.
Das Gericht argumentiert, die Fraktionen wendeten sich nicht gegen einen „tauglichen Angriffsgegenstand“, denn die beiden Schreiben der Bundesregierung stellten keine rechtserheblichen Maßnahmen im Sinne des Paragrafen 64 Absatz 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes dar.
Was die Ablehnung von Anträgen durch den Untersuchungsausschuss angeht, sei der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht nicht eröffnet. Bei den Anträgen handele es sich nicht um Beweisanträge, sondern um Verfahrensanträge zur Ausgestaltung der weiteren Arbeit des Untersuchungsausschusses. Formale Voraussetzung eines Beweisantrags sei auch im Untersuchungsausschussverfahren, dass das Beweismittel hinreichend präzise benannt und das Beweisthema hinreichend bestimmt ist; Letzteres sei hier nicht der Fall.
Das Bundesverfassungsgericht könne nicht im Wege des Organstreits angerufen werden, da Gegenstand des Antrags nicht die Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Grundgesetz sei. Die Fraktionen machten geltend, ihnen stehe ein Anspruch auf Bestimmung des Zeitpunktes und des Ortes der Zeugenvernehmung zu. Damit machten sie kein in Artikel 44 Absatz 1 des Grundgesetzes wurzelndes Recht der Ausschussminderheit gegenüber dem Untersuchungsausschuss geltend. Über derartige Verfahrensabläufe entscheide grundsätzlich die jeweilige Ausschussmehrheit. Deren Verfahrensherrschaft sei durch das Recht der qualifizierten Minderheit auf angemessene Beteiligung begrenzt.
Nachdem dem Antrag auf Zeugenvernehmung von Edward Snowden seitens des Untersuchungsausschusses durch Erlass eines Beweisbeschlusses entsprochen worden sei, sei dieses Beteiligungsrecht der qualifizierten Minderheit „nicht streitgegenständlich“. Kern der Auseinandersetzung sei die Klärung der einfachrechtlichen Frage, ob und wie zur Erreichung des Aufklärungszwecks eine unmittelbare Einvernahme vor dem Untersuchungsausschuss vorzunehmen ist. (vom/12.12.2014)