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Bärbel Höhn, Klaus Barthel, Gabriela Rivadeneira, Carlos Bergmann, Botschafter Alexander Olbrich © DBT/Monika Hein
In Klaus Barthels Berliner Bundestagsbüro wimmelt es vor Ordnern, die mit Ländernamen wie „Peru“ oder „Uruguay“ beschriftet sind. Der Abgeordnete aus Oberbayern leitet den Gesprächskreis Lateinamerika in der SPD-Fraktion, aber vor allem ist er Vorsitzender der Deutsch-Südamerikanischen Parlamentariergruppe. In dieser Funktion pflegt er die Beziehungen zu nicht weniger als elf Partnerparlamenten eines halben Kontinents. Große Länder wie Argentinien und Bolivien zählen dazu, aber auch weniger geläufige Staaten wie Suriname oder Guyana. Er habe zwar im Gegensatz zu manch anderem seiner 46 Kollegen, die auch in dieser Gruppe mitarbeiten, keine verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen in diesen Erdteil, interessiere sich aber schon seit der Schulzeit für Lateinamerika und seine Geschichte, erzählt Barthel.
Die Beziehungspflege ist allerdings etwas schwieriger als in anderen bilateralen Gruppen. Wenn sich eine Delegation nach Lateinamerika auf den Weg macht, dann versucht sie stets, zwei bis drei Länder in einem Ritt abzuarbeiten. Bei zwei solcher Reisen pro Wahlperiode brauche es also manchmal mehr als acht Jahre, ehe die deutschen Parlamentarier alle Länder wenigstens einmal besucht haben, rechnet Barthel vor. Zudem seien die Abgeordneten in Südamerika oft nur für ein oder zwei Wahlperioden im Parlament, man habe es also häufig mit neuen Ansprechpartnern zu tun.
Die fehlende personelle Kontinuität steht den beiderseitigen Aktivitäten aber offenbar nicht im Weg. Fast in jeder Sitzungswoche nehme die Parlamentariergruppe einen Termin in Berlin wahr, mit einer Nichtregierungsorganisation, einem Minister oder Abgeordneten aus einem der elf Länder. Dabei gehe es nicht nur um freundliche Worte, sondern auch darum, politisch etwas voranzubringen. „Wir wollen schon an Inhalten arbeiten und nicht nur an der Oberfläche Gespräche über Gott und die Welt führen“, bekräftigt Klaus Barthel.
Deshalb habe sich die Gruppe auf ihrer letzten Reise vom 19. bis 29. Oktober nach Ecuador und Kolumbien auch ein eher anstrengendes Programm zugemutet und sei trotz schlechter Infrastruktur in entlegene Gebiete gefahren, um zu schauen, ob das „Regierungssprech“ mit der Realität und zum Beispiel mit den Berichten von Menschenrechtsaktivisten oder der Lage in Elendsvierteln übereinstimmt. „Wenn Sie Bogotá gesehen haben, haben Sie keine Ahnung von Kolumbien“, so Barthels Begründung.
In der ecuadorianischen Hauptstadt Quito trafen die Abgeordneten mit der Präsidentin der Nationalversammlung (Asamblea Nacional), Gabriela Rivadeneira, Carlos Bergmann, dem Vorsitzenden der Ecuadorianisch-Deutschen Freundschaftsgruppe in der Nationalversammlung, und mit dem deutschen Botschafter Dr. Alexander Olbrich zusammen.
Für manche Bürgerrechtler sei ein Treffen mit den deutschen Abgeordneten eine wichtige Geste der internationalen Wahrnehmung und ein Schutz davor, nicht von der Bildfläche zu verschwinden, betont Klaus Barthel. Der Wille der Deutschen, sich ein unabhängiges Bild zu machen und auch kritische Fragen zu stellen, etwa zur Pressefreiheit und zum Umgang mit oppositionellen Kräften in Ecuador, sei von den offiziellen Stellen akzeptiert worden. Die Südamerikaner würden sehr darauf schauen, wie das eigene Ansehen in der Welt ist. In Kolumbien habe die Delegation sogar in Gebiete vordringen können, die von der Guerilla dominiert sind, berichtet Klaus Barthel.
„Da waren Stellen dabei, da stand dann alle hundert Meter ein Soldat und da haben wir gefragt: Die haben sie wegen uns dahin gestellt, die haben einfach die Straße gesichert. Offensichtlich ist es der Wille der Regierung, dass wir dahin kommen. Früher ist halt einfach gesagt worden, in bestimmte Gegenden lassen wir sie nicht, das ist zu gefährlich.“
Das „Mega-Thema“ in Kolumbien sei der Friedensprozess und die Frage: Wie kann Deutschland und wie kann die internationale Staatengemeinschaft diesen unterstützen? „Das sind 50 Jahre Mord und Totschlag, Krieg, Entführung und es gibt fast keine Familie, die nicht irgendwelche Opfer zu beklagen hat“, schildert Barthel. Die Kolumbianer hätten sich deshalb sehr stark nach den deutschen Erfahrungen mit politischen Umwälzungen und struktureller Neuordnung erkundigt.
Ein anderer Dauerbrenner in Südamerika sei das Fördern von Rohstoffen wie Öl, Gold und Kupfer und wie diese Förderung in Einklang mit Mensch und Natur zu bringen ist. Konflikte, die infolge des Umpflügens ganzer Landschaften erwüchsen, seien Teil der politischen Instabilität, so Klaus Barthel. Ebenso sei das Weltklima davon berührt, wenn in riesigen Nationalparks Öl gefördert wird.
Aber was machen die Abgeordneten mit den gesammelten Erkenntnissen daheim im Deutschen Bundestag? Barthel wurde begleitet von seinen Stellvertretern Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU) und Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) sowie den Abgeordneten Helmut Heiderich, Hubert Hüppe (beide CDU/CSU), Gustav Herzog und Waltraud Wolff (beide SPD). Dass sich so eine Parlamentariergruppe heterogen mit Abgeordneten aus verschiedenen Fraktionen und Fachbereichen zusammensetzt, sei ein Vorteil, meint Klaus Barthel. Jeder habe seinen Auftrag im Gepäck mitgebracht, konkreten Fragen, die auf der Reise gestellt worden sind, in seinem Fachbereich nachzugehen.
Ob sich auch in den Partnerparlamenten eine entsprechende Freundschaftsgruppe formiert, „das hängt sehr stark an Personen“, stellt Klaus Barthel fest. In Ecuador gibt es eine aktive Gruppe, zu der nur sieben Abgeordnete gehören. Der Vorsitzende Carlos Bergmann habe sie empfangen und die meiste Zeit durch das Land begleitet. In Kolumbien herrsche zumindest großes Interesse daran, versichert Barthel: „Beide Kammern haben uns hoch und heilig versprochen, dass sie sich darum kümmern werden.“ (tk/08.12.2014)