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Elmar Brok, Gunther Krichbaum in der gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse in Brüssel © DBT/Horst Wagner
Mindestens einmal im Jahr tagt der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages außerhalb Berlins. Das sei „eine gute Tradition“, wie der Ausschussvorsitzende Gunther Krichbaum (CDU/CSU) am Donnerstag, 11. Dezember 2014, zu Beginn des Treffens mit dem Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments in Brüssel befand. Ziel müsse eine „enge Verzahnung“ von Bundestag und EU-Parlamentsausschuss sein. Bei der von Krichbaum und dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments, seinem Parteifreund Elmar Brok (EVP), geleiteten Sitzung standen weniger komplizierte Gesetzesvorhaben, sondern die aktuellen Herausforderungen an und jenseits von Europas Ost- und Südgrenzen im Mittelpunkt.
Die Gäste aus Deutschland begnügten sich keineswegs mit diplomatischen Floskeln. Über Fraktionsgrenzen hinweg wurde Kritik an der nicht immer konsequenten Ausrichtung der EU-Politik gegenüber den östlichen Nachbarn geäußert. Das gilt nicht nur für die drei Länder (Georgien, Moldau und der Ukraine), mit denen die EU schon Assoziierungsabkommen ausgehandelt hat, sondern auch für Armenien, Aserbaidschan sowie besonders Weißrussland, die ebenfalls Ziel der 2009 ausgerufenen Politik der „östlichen Partnerschaft“ sind.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Norbert Spinrath beklagte, die EU verdeutliche bei ihrer Nachbarschaftspolitik nicht genug, dass ein EU-Beitritt nicht oder allenfalls auf sehr lange Sicht eine Option sei. Auch die EU-Institutionen hätten Fehler begangen. „Wenn man diesen Ländern ständig das Möhrchen einer Mitgliedschaft unter die Nase hält, ohne sie ihnen wirklich geben zu wollen, dann kann das dazu führen, dass hier falsche Erwartungen geweckt werden“, sagte Spinrath.
Auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Bernd Fabritius sagte, es dürfe „kein Automatismus“ in die Abkommen hineininterpretiert werden. Wachsamkeit sei geboten, angesichts russischer Bestrebungen zu einer „Neuauflage der Breschnew-Doktrin“ mit dem Ziel, nach dem Muster der Sowjetunion vor den eigenen Grenzen eine „Pufferzone“ von Staaten mit eingeschränkter Souveränität zu bilden.
Der CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler sprach von „Aggression“ Russlands gegenüber der Ukraine, rief die Regierung in Kiew aber auch zu raschen Reformen auf. Die EU müssen zu ihrem Wort und zum Assoziationsvertrag stehen. „Es darf kein Zweifel herrschen, dass die gesamte Substanz dieses Abkommens in Kraft treten muss“, erläuterte Gahler.
Dagegen warnte der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (Die Linke) vor einem zu blauäugigen Umgang mit der Ukraine, in der einige schwerreiche Familien Vermögen „zusammengeraubt“ und die Politik maßgeblich bestimmt hätten. „In keinem anderen Land ist das so ausgeprägt, und daran hat sich nichts geändert“, sagte Hunko.
Seine Parteifreundin, die EU-Parlamentarierin Sabine Lösing, fasste die Kritik an der EU-Nachbarschaftspolitik („nicht gerade ein Erfolgsmodell“) etwas breiter. Es könne nicht angehen, dass osteuropäische Unternehmen „ohne Schutzmaßnahmen konkurrieren, wozu sie schlichtweg nicht in der Lage sind“.
Nuanciert zur Lage in der Krisenregion äußerte sich der Grünen-Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin, der eine seit 2004 von Russland betriebene Politik der Destabilisierung beklagte. Andererseits monierte er Korruption in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft der Ukraine. Das Land benötige Hilfe der Europäer, um sich zu reformieren. „Die Korruption ist die Möglichkeit für den Kreml, sich da einzumischen in dem Land“, erklärte Sarrazin.
Mehrere Europaabgeordnete würdigten die Bereitschaft Deutschlands, im Ukraine-Konflikt klar zu Reformen in Kiew und zum Kurs politischer und wirtschaftlicher Sanktionen gegenüber Russland zu stehen – eine Vorlage, die zum Abschluss der gemeinsamen Sitzung der CSU-Bundestagsabgeordnete Fabritius nicht nur mit Blick auf Russland aufnahm. „Es ist unerlässlich, dass wir gerade in der heutigen Zeit mit einer Stimme sprechen und Positionen in der Nachbarschaftspolitik auch über Parteigrenzen hinweg abstimmen“, sagte Fabritius. (sta/11.12.2014)