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Zu einer „zweiten Bahnreform“ hat Sabine Leidig (Die Linke) am Donnerstag, 18. Dezember 2014, im Bundestag aufgerufen. So sieht sie den Schienenverkehr im Vergleich zum Flugverkehr etwa bei Mehrwertsteuer oder Mineralölsteuer erheblich benachteiligt. Das sei „unfair und unsozial“ und müsse „dringend geändert“ werden. Auch forderte sie eine strengere Orientierung der Bahnpolitik am Gemeinwohl. Der volkswirtschaftliche Nutzen müsse im Vordergrund stehen – „nicht betriebswirtschaftliche Kenn-zahlen“.
Leidig kritisierte die stark ausgeweiteten internationalen Aktivitäten: „Wozu?“
Anlass der Debatte war eine Große Anfrage der Linken (18/1500): „20-Jahres-Bilanz der Bahnreform von 1994 bis 2014“: 136 Fragen, zu denen die Bundesregierung auf 163 Seiten (18/3266) ihre Antworten geliefert hatte. Leidig gestand ein, es sei an der Reform „beileibe nicht alles schlecht“ gewesen: Nun müsse aber „gründlich nachjustiert werden“.
Staatliche Verantwortung für die Infrastruktur einerseits, privatrechtliche Organisationen der Deutschen Bahn AG andererseits: Diese Kernpunkte der Bahnstrukturreform hätten sich bewährt, stellte Enak Ferlemann (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, fest.
Nach einer negativen Entwicklung bis 1993 sei eine Trendwende eingeleitet worden. Im Personenverkehr sei die Verkehrsleistung auf der Schiene zwischen 1994 und 2012 um 36 Prozent gesteigert worden, davon im Nahverkehr um 68 Prozent und im Fernverkehr um sieben Prozent. Beim Güterverkehr habe es bis 2013 eine Steigerung um 59 Prozent gegeben.
Auch die wirtschaftlichen Ergebnisse belegen der Bundesregierung zufolge die erfolgreiche Entwicklung: deutliche Steigerung bei den Umsatzerlösen, der Produktivität und den Jahresergebnissen. Die Bahn AG habe sich zu einem wirtschaftlich erfolgreichen und international tätigen Unternehmen entwickelt: „Das freut den Eigentümer“, nämlich den Bund. Als große Aufgabe stufte er den Erhalt des Bestandsnetzes ein. Dafür seien gerade erst 28 Milliarden Euro für die nächsten fünf Jahre bereitgestellt worden.
Matthias Gastel (Bündnis 90/Die Grünen) blickte auf 1994 zurück. Das „zentralste aller Ziele“ sei gewesen, verloren gegangenen Verkehrsanteil auf die Schiene zurückzuholen. Doch im Güterverkehr könne er nur eine „fatale“ Stagnation erkennen. Er machte dafür „Engpässe im Schienennetz“ verantwortlich.
Gastel zeigte sich erfreut, dass gerade im Nahverkehr der „Wettbewerb funktioniert“. Im Gegensatz zu den Linken seien die Grünen da durchaus für Wettbewerb. Sein Fazit nach den 20 Jahren: „Kein Grund zur Selbstzufriedenheit, aber gescheitert ist die Reform nicht.“
Martin Burkert (SPD) verwies auf drei Hauptziele, die, mit der Bahnreform angestrebt wurden: Mehr Verlagerung von Verkehr auf die Schiene, Erhöhung der Leistungsfähigkeit, Entlastung des Haushalts. Für alle drei Bereiche vermeldete er Erfolge: „Die Deutsche Bahn steht absolut gut da.“
Burkert räumte ein, das „große Ziel“, mehr Güter per Schiene zu transportierten, sei noch nicht erreicht. Der 17-Prozent-Anteil am Warenverkehr sei „zu wenig“. Als „Fehler des Vorstands“ bezeichnete der Vorsitzende des Verkehrsausschusses die Stellenkürzungen: „Am Personal zu sparen, ist falsch.“ Aber jetzt werde ja wieder eingestellt. Insgesamt verfüge Deutschland über „das beste Eisenbahnsystem der Welt“.
Dirk Fischer (CDU/CSU) befand: „Heute ist die Behödenbahn in der Tat längst Geschichte.“ Die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft „war und bleibt richtig“. Freilich gehe damit die eigene Verantwortung des Vorstands einher. Dazu gehöre auch „Gewinnorientierung“.
Vor der Reform sei die Lage der Bahn „dramatisch“ gewesen. Mit der Reform habe „der Schienenverkehr nach Jahren des Niedergangs einen Aufschwung erlebt“. Aber natürlich bleibe „weiter was zu tun“.
In ihrer Anfrage stufen die Linken ihre Reformbilanz als „äußerst kritisch“ ein. So sei eines der zentralen Ziele, die Entlastung der öffentlichen Haushalte, nicht erreicht worden. Die tatsächlichen Zahlungen seien etwa gleich geblieben. Auch der Verkehrsmarktanteil der Bahn sei nur leicht gestiegen.
Außerdem habe keine erhebliche Steigerung der Kundenfreundlichkeit und der Servicequalität ausgemacht werden können. Zudem sei die von den Befürwortern der Bahnreform erwartete Senkung der Fahrpreise nicht eingetreten. Die zugesagte Beschäftigungssicherung bei der Bahn AG wurde nach Ansicht der Abgeordneten nicht erreicht, da im Inland rund 175.000 Arbeitsplätze seit 1994 abgebaut worden seien. Ein Entschließungsantrag der Linken zur Bahnreform (18/3560) fand keine Mehrheit. (fla/18.12.2014)