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Anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union haben Abgeordnete aller Fraktionen am Mittwoch, 17. Dezember 2014, die besondere Bedeutung des Gremiums hervorgehoben, aber auch Veränderungen im Hinblick auf dessen Zuständigkeiten und Rechte angemahnt. So sprach sich Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert dafür aus, die Rolle des Ausschusses bei Subsidiaritätsprüfungen zu stärken. „Bisher nimmt der Bundestag dieses Recht unzureichend wahr“, urteilte Lammert. Die Fachausschüsse bestünden auf einer Zuständigkeit, die sie nicht wahrnähmen. Es müsse daher eine andere Schrittfolge bei der Subsidiaritätsprüfung von EU-Gesetzesvorhaben geben. Zuerst sollte der EU-Ausschuss sich mit den Vorlagen befassen, dann die Fachausschüsse. Dafür sei jedoch eine Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages notwendig.
Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Europaausschusses, Gunther Krichbaum (CDU/CSU). Die Subsidiaritätsprüfung sei ein wichtiges Instrument, um sicherzustellen, dass die Europäische Union nur die Probleme löse, die sie tatsächlich besser lösen könne als die Mitgliedstaaten. Krichbaum sprach sich daher ebenfalls für eine Neuregelung aus. Er wies außerdem darauf hin, dass der Europaausschuss laut Verfassung das Recht habe, parlamentsersetzende Beschlüsse zu fassen. Dies werde jedoch kaum praktiziert, kritisierte er vor allem mit Blick auf die späte Konstituierung der Bundestagsausschüsse und die vorübergehende Bildung eines Hauptausschusses zu Beginn der aktuellen Legislaturperiode.
Der Bundestag sei zu lange nicht arbeitsfähig gewesen, erinnerte Krichbaum, und dies, obwohl „Europa sich auch ohne uns weiterdreht“. Es sei aber wichtig, jederzeit reagieren zu können. „Die Verfassung ist hier weiter als wir“, bemerkte der CDU-Politiker und fügte hinzu: „Wir müssen den Rahmen nur mit dem Bild ausfüllen.“ Der Bundestagspräsident sicherte seine Unterstützung für diese Forderung zu. In der Geschäftsordnung müssten Vorkehrungen getroffen werden, um in Zukunft unabhängig von der Dauer der Koalitionsbildung die Bildung arbeitsfähiger Gremien sicherzustellen. Ein Hauptausschuss sei hierfür kein Ersatz, betonte Lammert.
Die SPD-Fraktion sprach sich dafür aus, die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament zu vertiefen. Dies gelte aber nicht nur für den Europaausschuss, sondern auch für die Fraktionen und andere Institutionen. Es gebe zudem „viele gute Dinge“ im Europäischen Parlament, an denen sich der Bundestag ein Beispiel nehmen könne. So sollten nach Ansicht der SPD-Fraktion die Bundestagsausschüsse wie im Europaparlament im Regelfall öffentlich tagen und nur im Ausnahmefall unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
An der inhaltlichen Arbeit der Ausschüsse werde sich dadurch nichts ändern, Fensterreden müsse man nicht fürchten. Darüber hinaus forderte die SPD-Fraktion die Mitglieder des EU-Ausschusses auf, mit einem größeren Selbstbewusstsein auch gegenüber den eigenen Fraktionen aufzutreten. Der Ausschuss habe in seiner Geschichte große Erfolge erzielt und das Bewusstsein beim Blick auf Europa verändert. So gehöre Brüssel heute genauso zum Arbeitsbereich der Abgeordneten wie Berlin und die jeweiligen Wahlkreise.
Ein größeres Selbstbewusstsein des Europaausschusses und eine neue Diskussionskultur im Parlament insgesamt mahnte auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an. Im Gegensatz zum Europaparlament liefen im Bundestag viele Vorhaben sehr routinemäßig durch die Ausschüsse, abgestimmt werde immer gemäß den jeweiligen politischen Mehrheiten. Im Europaparlament arbeiteten die Fachausschüsse hingegen sehr stark inhaltlich und fraktionsübergreifend an Gesetzen mit. Hiervon könne der Bundestag lernen.
So sollte auch der Europaausschuss den Mut und das Selbstbewusstsein haben, eigene Beschlüsse zu fassen und Änderungen vorzuschlagen. Wie die SPD-Fraktion warben die Grünen dafür, mehr Sitzungen öffentlich zu veranstalten und so im Haus mit gutem Beispiel voranzugehen. Auch sollte das Gremium den Austausch mit anderen nationalen Parlamenten verstärken.
Die Fraktion Die Linke bezeichnete ihr Engagement im Ausschuss als Herzensangelegenheit. Man könne sich gar nicht oft genug freuen, dass es diesen Ausschuss gebe. In den vergangenen Jahren hätten sich das Gremium und der Bundestag insgesamt viele Mitwirkungsrechte und Kontrollmöglichkeiten in EU-Angelegenheiten erkämpft. Sie müssten jedoch weiter ausgebaut werden.
Die Linksfraktion forderte zudem, die Verbindungen zum Europäischen Parlament zu vertiefen, unter anderem durch die Berufung von Abgeordneten des Europaparlaments als mitwirkungsberechtigte Mitglieder. Bisher können die 15 deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments an den Beratungen des Ausschusses teilnehmen, sie sind aber nicht stimmberechtigt.
Zum Abschluss der Sitzung verwies Bundestagspräsident Lammert auf die besondere Rolle des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union. „Ich sehe weit und breit kein Parlament, das annähernd über ähnliche Kompetenzen verfügt.“ Gunther Krichbaum betonte, Europa sei für die Mitglieder des Ausschusses mehr als nur eine politische Arbeit: „Es ist unsere Überzeugung.“
Mit einer Gedenkminute gedachten die Anwesenden des am 13. Dezember unerwartet verstorbenen CDU-Abgeordneten Dr. Andreas Schockenhoff. Er war 1994 Gründungsmitglied des Europaausschusses. Krichbaum würdigte ihn als einen „leidenschaftlichen Außen- und Europapolitiker“, der sich insbesondere für die deutsch-französische Freundschaft eingesetzt habe. (joh/17.12.2014)